Großartiger Händel-Shred
Bereits zu Beginn des Jahres 2011 veröffentlichte ich damals diesen Beitrag zur Philosophie des musikalischen Shreds.
https://youtu.be/ysHZ9g0UA98
Jetzt ist ein Shred aufgetaucht, der alle Kriterien eines absoluten Nummer-1-Shreds in sich vereint, denn diese vorbildliche Komposition ist wunderschön synchron, nutzt jede kleine Geste (zum Beispiel das ganz kurze Zunge-Rausstrecken einer Sängerin) für eine Neu-Vertonung und es werden – wie immer bei Shreds – nur wirklich die Instrumente neu eingespielt, die auch wirklich zu sehen sind.
Und hier ist er, der ganz heiße Kandidat für eines der besten Shreds aller Zeiten (nach meinem eigenen, in dem aber längst nicht so viel Zeit, Liebe und Men-Power steckt – und natürlich nach den herrlichen Itzhak-Perlman-Interpretationen von Vivaldi und Mendelssohn…).
Georg Friedrich Händel – Zadok, the priest
Urheber des Händel-Shreds ist die äußerst sympathische Trans-Siberian March Band aus London, der ich hiermit meinen ganz herzlichen Glückwunsch ausrichten möchte. Nice work, guys!
Ja, alle kennen dieses Stück Musik – hier natürlich zur herrlichen Unkenntlichkeit verstümmelt – als umgetextete Champions-League-Hymne.
Dabei entstand die Originalkomposition – Händels „Zadok, the priest“ HWV 258. Coronation Anthem (Krönungshymne) für Chor und Orchester – äh… etwas (!) früher… Denn am 11. Oktober 1727 wurden George II. und seine Gemahlin Caroline zu König und Königin von England gekrönt. Im Westminster Abbey feierte man eine in ihrer Pracht und ihrem wirtschaftlichem Aufwand („Die da öben moch’n döch eh, was si wöll’n!“) epochemachende Zeremonie. Das ganze Volk jubelte und man schaute mit Optimismus in die Zukunft des Königreiches. Mit der Hoffnung auf Kriege und viele, viele Tote (Spaß!!!).
Georg Friedrich Händel fiel die ehrenvolle und finanziell ziemlich schöne Aufgabe zu, die Musik zu diesem Anlass zu komponieren. Händel war zu dieser Zeit – als inzwischen eingebürgerter Engländer – ein äußerst bekannter Mann in London; gefeiert vor allem für seine Opern. Die Proben zu der Uraufführung von Händels vier Krönungshymnen erregten die Gemüter der Londoner Musikwelt; so hitzig fieberte man der Präsentation dieser Werke entgegen, dass die Türen zu den Proberäumen von total brutal aussehenden Securities (die privat aber voll nett und echt nah „am Wasser gebaut“ sind)
bewacht werden mussten.
Zadok ist ursprünglich ein jüdischer Priester des Alten Testaments, der unter anderem David in der Auseinandersetzung mit dem brutalen Abschalom unterstützt hatte (daher auch der Schlachtgesang gewaltbereiter Ultras: „Abscha-la-la-laaaaaa, abscha-la-la-la-la-la-laaaaaaa!“). Im Rahmen der Krönungszeremonie im Jahre 1727 war „Zadok, the priest“ als musikalische Untermalung für den Moment der Salbung des neuen Königs vorgesehen; eine wichtige Sache also.
Lasset die Trompeten also – in Vorfreude auf die Fussball-EM (die ich mir von niemandem nehmen lasse; auch nicht von dir, kritischer Leser!) – erklingen!
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.