Discovering Blitzstein (Folge 4)

Anlässlich der Europäischen Erstaufführung des Opernsketches „Triple-Sec. Die Sünde des Lord Silverside“ von Marc Blitzstein – in Kombination mit George Gershwins „Blue Monday“. 14., 15. und 17. März im Konzerthaus Berlin. Eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin.

Werbung

Hier die Verweise zu den ersten drei Artikeln zu der aktuellen Opernproduktion am Konzerthaus Berlin, die sich langsam der Endprobenphase nähert: Folge 1, Folge 2 und Folge 3.

Nach der Beschreibung der tragischen Todesumstände Blitzsteins in der letzten Folge: Wie hat Blitzsteins Laufbahn eigentlich angefangen? Und warum ist gerade Berlin der ideale Ort für die Europäische Erstaufführung für die Blitz-Oper „Triple-Sec. Die Sünde des Lord Silverside“ aus dem Jahr 1928?

Vom 13. bis 22. März veranstaltet das Konzerthaus das „Festival Mythos Berlin“ – eine Hommage an die 20er Jahre. Das Konzerthaus Berlin wird zu einem Partytempel, wenn die „Gesellschaft für mondäne Unterhaltung“ zu einer Bohème-Sauvage-Orgie einlädt, zu der nur Menschen in 20er-Jahre-Kostümen Eintritt haben. Die King’s Singers singen die größten Hits der Comedian Harmonists sowie Melodien von Kurt Weill, Cole Porter, Harold Arlen und George Gershwin. Christian Jost hat eigens eine „BerlinSymphonie“ komponiert, die vor Kurt Weills Bühnenspiel in drei Akten „Der Silbersee“ – gespielt vom Konzerthausorchester Berlin und Iván Fischer – ihre Uraufführung feiern wird. Und Markus Stenz dirigiert das Konzerthausorchester Berlin mit hochinteressanten Werken der 20er Jahre, die man höchst selten hört, so die dritte Suite Hanns Eislers zum Film „Kuhle Wampe“ und Heinz Tiessens „Vorspiel zu einem Revolutionsdrama“ – nach der Musik zu dem Schauspiel „Masse Mensch“ von Ernst Toller.

Und was hat Marc Blitzstein doch gleich mit Berlin zu tun?

Blitzstein studierte im Wintersemester 1928/1929 kurze Zeit bei Arnold Schönberg an der Akademie der Künste. 1927 war Blitzstein wohl erstmals in Berlin – und gab seine Eindrücke wie folgt zu Protokoll: „Berlin ist die Metropole eines Landes, das sich noch nicht auf das psychologische Selbstverständnis einer wirklichen Republik eingependelt hat. Hier ist alles noch gleichsam kaiserlich, offiziell; das am häufigsten benutzte Wort ist ‚verboten’… Alle Menschen sind ständig am essen – und zwar die ganze Zeit… vollkommen anders als in Paris. Ernst, authentisch, begriffsstutzig – und gleichzeitig hysterisch, aufgedunsen und schamlos.“

Von links: Der Maler Oskar Kokoschka, Gertrude Schönberg, Arnold Schönberg und der Architekt Adolf Loos in der Bristol Bar, Berlin 1927

Von links: Der Maler Oskar Kokoschka, Gertrude Schönberg, Arnold Schönberg und der Architekt Adolf Loos in der Bristol Bar, Berlin 1927

Im Winter 1928/1929 besuchte Blitzstein Schönbergs Kontrapunkt-Kurs und seine Vorlesung über den modernen Satz. Fünf Monate hörte Blitzstein Schönbergs Vorlesungen, die privaten Kontrapunkt-Stunden brach er jedoch bereits aufgrund von „persönlichen Spannungen“ nach drei Monaten ab. Schönberg sei „unerträglich“ geworden. Über den Zwist mit Schönberg schrieb Blitzstein seiner späteren Kompositionslehrerin Nadia Boulanger nach Paris: „Ich bin im Streit mit Schönberg auseinander gegangen. Wir hatten eine sehr direkte und offene Ausprache, die in einem Klinsch endete, was die Privatstunden bei ihm betrifft. Ich besuchte aber weiterhin seine Seminare, in denen wir Mahlers sechste Sinfonie, das ‚Lied von der Erde‘, Schönbergs Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, op. 26, das ich auf dem Klavier zum Besten gab, Hindemith und Berg analysierten.“

Zudem schrieb Blitzstein einem Freund: „Ich streite mich mit Schönberg immer häufiger. Er presst Musik in eine zähe, tote Schablone, die offenbar rein für das Labor gemacht erscheint. Dabei ist er zweifelsohne eine der größten intellektuellen Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit – und als eine widersprechende Instanz, die die Qualität deiner Arbeiten genauestens unter die Lupe nimmt, ist er grandios. Auch, wenn man seine Kompositionsmasche durchschaut hat, profitiert man von dem Studium bei ihm sehr. Trotzdem habe ich den unguten Verdacht, dass ich mich nicht länger zügeln kann, wenn es um seine beharrlichen Forderungen geht, die Schönheit der Musik auf dem Altar des rein Systematischen zu opfern – das zwischen uns beiden kann also über kurz oder lang nur eskalieren.“

[Alle Zitate wurden eigens für diesen Artikel aus dem Buch von Howard Pollack übersetzt. Siehe: Howard Pollack: Marc Blitzstein. His Life, His Work, His World, Oxford 2012, S. 31]

Liste(n) auswählen:
Unsere Newsletter informieren Sie über Neuigkeiten im Badblog Of Musick. Informationen zum Anmeldeverfahren, Versanddienstleister, statistischer Auswertung und Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzbestimmungen.

Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.