GEMA 2013 – Vernunftehen und Revolte der Textdichter
Vernunftehen. Nächste Woche ist es wieder soweit: Komponisten, Textdichter und Verleger kommen in München zur GEMA-Mitgliederversammlung 2013 zusammen. Es kursieren verschiedene Anträge. Einer der einfachsten dürfte Antrag 22 sein, der es dem Aufsichtsrat erlauben soll, Rechtschreibungs- wie Zitierfehler unkompliziert zu korrigieren. Interessant auch der Antrag 15, der den Mitgliedsbeitrag in der GEMA nicht mehr einen vertraglichen Gegenstand zwischen GEMA und Mitglied sein lassen will, sondern zur Sache der Mitgliederversammlung machen will. Antrag 17 soll die Aufnahme als ordentliches Mitglied vereinfachen: den Antrag wird wohl das Mitglied immer noch selbst stellen müssen, die GEMA wird ihm im Gegensatz zur bisherigen Praxis über die Erreichung der finanziellen Voraussetzungen informieren. Wirklich spannend ist Antrag 18: Statt als Komponist bisher 30 TSD Euro in fünf aufeinanderfolgenden Jahren, jedoch in vier aufeinanderfolgenden Jahren mind. 1800 Euro von der GEMA erhalten zu haben, soll dies auf 10 TSD Euro in 10 Jahren, jedoch mind. 1000 Euro in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gesenkt werden. Dieser Antrag, Antrag 17 und die folgenden werden von einer breit gestreuten Mitgliederschaft gestellt sowie von vielen außerordentlichen wie angeschlossenen Mitgliedern: Antrag 23 und weitere wollen die Versammlung der außerordentlichen und angeschlossenen Mitglieder (VAAM) stärken: neben dem Vorstand soll auch der Aufsichtsratsvorsitzende nicht nur anwesend sein, sondern auch Rechenschaft diesen einfacheren Mitgliedern abgeben. Genauso Antrag 26 und 27: diese sollen ein Sprecheramt für die Berufsgruppen der Komponisten, Textdichter und Verleger für die VAAM einführen. Diese sollen die vorangehenden Aussprachen der Berufsgruppen leiten können und v.a. in ihren Angelegenheiten sollen sie Mitglied mit Stimmrecht des Aufsichtsrates werden. Mit Antrag 28 soll die der Zyklus der Wiederwahl der Aufsichtsratsmitglieder festgelegt werden.
Wie man immer zu diesen Anträgen stehen mag, so klingen sie im Grundsatz diskussionswürdig, in Bezug auf die angeschlossenen und außerordentlichen Mitglieder mehr als wünschenswert. Gerade die Vereinfachungen zur Erlangung der ordentlichen Mitgliedschaft würden die Basis der Vollmitglieder erheblich erweitern, abgesehen von Delegiertenerhöhungen wirklich demokratischen Wind in die Hallen der alten Herren tragen. Zudem wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Verdienstmöglichkeiten für die heutigen Berufsanfänger bei weitem prekärer sind als für die vor vielen Jahrzehnten, angefangen von den digitalen Veränderungen der Geschäfte bishin zur generell höhren Anzahl von Kreativen denn je zuvor.
Revolte der Textdichter. Die Textdichter spinnen! Zuerst einmal wollen die Wortklauber um Frank Dostal, Julia Neigel die Sperrminorität der Komponisten im Aufsichtsrat abschaffen (Antrag 29). Mag ein guter Text entscheidend zum Erfolg eines Musikstücks beitragen – dem in begründeten Ausnahmefällen auch im Verteilungsplan besonders zur U-Musik Rechnung getragen wird, so bleibt es eben immer noch ein Musik mit Text und nicht Text mit Musik. Musik ist auch die Sache der GEMA, die all die unterschiedlichen Genres verbindet. Wird noch soviel gedichtet, verlegt und aufgenommen werden: ohne den entscheidenden Schritt des Notenschaffens, wie der auch immer laufen mag, kommt keine Musik zustande. Und die Bedürfnisse der Musik im Produktionsprozess sind immer noch aufwändiger als die des reinen Textschaffens. Textdichten für ein Musikstück ist dem Komponieren immer unterzuordnen, genauso wie Musik wie Text z.B. bei Film- und TV-Produktionen hinter der Regie eine wichtige, aber doch die zweite Geige spielen. Genau in diesem Bereich des Urheberrechts behandelt die GEMA Musik wie Text gleich. Kann man aber aus dem „mechanischen“ Urheberrecht 1:1 seine Schlüsse bezüglich des gesamten Aufführungsrechts ziehen? Soll aus der „Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte“ eine GETA werden?
Besonders blind und egoistisch, nur auf Unterhaltungsmusik bezogen, sind diese Herrschaften dann mit Antrag 35. Egal welche Sparte, Komponist und Textdichter sollen immer zu gleichen Anteilen abgegolten werden. Eins vorweg: vom Komponieren und Partiturschreiben eines Oratoriums, eines Liederzyklus oder einer Oper haben diese Menschen keine Ahnung. Zwar tönt die Beteiligte Frau Edith Jeske davon, auch Libretti verfasst zu haben. Wie weit dann aber der Schritt vom Text zu Gesangspartien, Orchesterstimmen und Gesamtpartitur, mit all den in monatelanger Rabeit zu schreibenden Particellen als Zwischenschritt sein kann, das lassen sie unberücksichigt. Ihre Hauptsache: der eigene Reibach stimmt! Da wird aus einer Nische der GEMA, wenn auch einer grossen, auf den Rest der Musikwelt geschlossen und geschossen. Wird es ab 1.1.2014 dann also heissen: Le nozze di Figaro von Lorenzo da Ponte, Giulio Cesare von Nicola Francesco Haym, Der junge Lord von Ingeborg Bachmann? Wie man am letzten Beispiel sieht, hat diese bedeutende Lyrikerin tatsächlich erst in der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Werner Henze ihre Einkünfte erhöhen können. Ohne Henze wäre dies aber niemals erfolgt, hätte Henze jemand Anderen den Text schreiben lassen oder sich selbst ans Werk gemacht. Denn geht es nicht um musikalische Dreiminuten-Hits, kann jeder einigermassen texterfahrene Komponist selbst zur Feder greifen. Mal ehrlich: wenn Dostal und Co. mehr Geld haben wollen, können sie jetzt schon – siehe oben – im begründeten Einzelfall die Gleichberechtigung einfordern. Oder sie sollen selbst komponieren. Vor allem sollten sie nicht vergessen, dass vertonte Texte nicht nur die Ihren sind. Oder sollte es in deren Köpfen neben Schlagertexten keine andere Literatur geben? Eher nicht: es ist die langjährige Zusammenarbeit mit den Komponisten, die diese Menschen gierig macht. Nur um ihre Macht zu demonstrieren, hätten sie 2012 beinahe die Sparte der E-Musik demontiert, jene Form von Musik, die seitens der meisten Film- und Popkomponisten genauso mit ihren Besonderheiten geschätzt wird wie wir trotz mancher Ausfälle unsererseits doch genauso unsere Kollegen schätzen, sie unterstützen wie sie uns. Unterstützung oder gar Solidatität sind den Textdichtern aber wohl zu unbequeme Begriffe, auf die sie nicht den richtigen Reim in ihren Herzen finden können und wollen.
Komponist*in
Geschäftsmodeller am Werk? Das Frage ich mich heute nach meinem montäglichen Sitzungsmarathon, wenn ich an die massiven Senkungsvorschläge der finanziellen Hürden zur Vollmitgliedschaft nachdenke. Generell wäre es gut, wenn die Mitgliederhauptversammlung durch vielmehr auf einfacheren Wege zur Vollmitgliedschaft gelangte Außerordentliche bereichert würde. Aber wird dies nicht zu Eroberungsversuchen durch seit einigen Änderungen nicht mehr so gut verdienenden Geschäftsmodellern führen? Andrerseits würden jene alsbald auch durch die alten, hohen Hürden nicht gehindert: Sie versuchen ja ggf. jetzt schon durch legalere o. neue Modelle diese zu überspringen. Es bleibt dennoch die Frage, ob jenseits eines Delegiertensystems differenziertere Hürden allseits besser wären. Bei E gibt es ja anscheinend weiche Wege, die das Hürdennehmen nicht nur quotiell erleichtern: die KandidatInnen werden „beobachtet“. Das können garantiert auch die weiteren Sparten u. Kurien. Immerhin ist u. bleibt die GEMA ja ein e.V., der gegen seine Satzung verstossende Mitglieder ahnden bis ausschließen kann. Es müsste genügen, die GEMA-Satzung bzgl. Integrität u. Solidarität zu schärfen. Erklärt man jetzt manchmal Geringverdiener fast zu Unprofessionellen, so kann man dies auch mit denen, die Systemlücken über Gebühr strapazieren zu Unverträglichen abkanzeln. Und zeitgleich maßvoll die Finanzhürden drosseln. So haben auch Geringverdiener, die dennoch mehr als ernsthaft Künstler sind einen Zugang, ohne dass sie jedesmal extra gestützt u. gefördert werden müssen, was durchaus auch angreifbar sein kann.