press 5. then „send“.

…so initialisiert man die elektronischen Abstimmungsgeräte bei der GEMA-Versammlung.

Werbung

Wir haben ja diesmal eine wirklich ausführliche GEMA-Berichterstattung, dadurch dass Alexander dankenswerterweise ausführlich beschrieben hat, was sich so bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung tut. Auch sonst ist die GEMA in aller Munde – gerade eben erschien in der FAZ ein ganzseitiger Artikel, in dem auch die organisierten Ausschreitungen beim Mitgliederfest am 25.Juni beschrieben werden. Tatsächlich wurden hier GEMA-Mitglieder mit Tomaten beschmissen, bekamen den Stinkefinger gezeigt, wurden angespuckt…nicht ganz die feine Berliner Art, die hier die Demonstranten an den Tag legten, vor allem wenn man man bedenkt, um was er hier ging, nämlich darum, dass große Clubbetreiber (wie zum Beispiel das Berliner „Berghain“, das nun wirklich nicht fürchten muss, kurz vor dem Ruin zu stehen) ab sofort mehr GEMA zahlen müssen, kleinere aber wesentlich weniger. Die kleineren Clubbetreiber waren dann wohl auch nicht die Hauptinitiatoren, wogegen Berühmtheiten wie Dr. Motte zum Beispiel sich nicht zu schade waren, vor Plakaten zu demonstrieren, auf denen die GEMA-Mitglieder als „Kapitalistenschweine“ beschimpft wurden. Dr. Motte ist also ein gänzlich altruistischer Künstler, der alles umsonst macht? Man mag es kaum glauben….

In der wikipedia steht über ihn:

Er war bis 2006 Miteigentümer der Loveparade Berlin GmbH, deren Geschäftszweck es war, den in mehreren Ländern geschützten Markennamen Loveparade zu vermarkten.

Klingt schon durchaus nach Verwendung des Urheberrechts oder? Ist ja auch sein gutes Recht, und das der GEMA auch, denke ich, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Clubs ihren Umsatz vor allem der Musik zu verdanken haben, und um die geht es ja hier.

Am nächsten Tag fand dann also die lang erwartete ordentliche MItgliederversammlung statt. Im Gegensatz zur Behauptung im FAZ-Artikel, dass sich die „bekannten“ Komponisten und Künstler ja eher nicht bei der Versammlung blicken lassen würden (zu fragen, wo Henze denn sei wirkt ein bisschen seltsam, wenn man Henze doch von Herzen gönnen sollte, bei seinem Gesundheitszustand die Ruhe seiner schönen Villa in Italien zu genießen, und sich nicht auf eine für ihn gesundheitlich gefährliche Weltreise zu machen), waren diese dann eben doch gekommen: Helmut Lachenmann, Aribert Reimann, Detlev Glanert, Klaus Doldinger (auch schon ewig lange Aufsichtsratmitglied), Till Brönner, Manfred Schoof, etc.pp – alle da, und viele, viele andere Prominente der Szene, deren Nichtnennung man mir hier aus Platzmangel verzeihen möge.

Vor der wie alle 3 Jahre anstehenden Wahl zum Aufsichtsrat gab es zuerst einmal ein Statement von Jörg Evers, der vor kurzem von seinem Posten als Aufsichtsratvorsitzender zurückgetreten war (Enjott Schneider nahm seinen Platz ein), aufgrund persönlicher finanzieller Probleme und um „Schaden von der GEMA abzuwenden“ (Zitat Evers). Und dann ging sie schon los, die Wahl. Was alle befürchtet hatten, trat ein: zahlreiche Personen, von denen man vorher noch nie gehört hatte und die zum größten Teil der Werbekomponistenfraktion zuzurechnen sein dürften, standen auf und stellten sich zur Wahl, tatsächlich so viele, dass allein die Vorstellung der Kandidaten anderthalb Stunden dauerte. Auch Evers stellte sich wieder zur Wahl, was Karl-Heinz Wahren zu einer unschönen Verbalattacke animierte, die dann wiederum in einem Buhsturm unterging. Also mal wieder richtig was los bei der GEMA!

Christian Wilckens (auch ein Vertreter der Werbekomponisten) war von seinem Amt im Aufsichtsrat zurückgetreten, ebenso Wolfgang Rihm, was weitere Plätze geschaffen hatte. Von E-Musik-Seite waren unsere Kandidaten Enjott Schneider, Lothar Voigtländer und Helmut Zapf.

Um die Sache kurz zu machen: die Wahl verlief erstaunlich konservativ angesichts der momentanen Öffentlichkeitskrise der GEMA – obwohl mehrere Kandidaten vorher Umdenken und Neuanbruch gefordert hatten (und dafür jeweils viel Applaus geerntet hatten) war dann doch eher die Devise, bei den Aufsichtsräten zu bleiben, denen es bisher erfolgreich gelungen war, einige sehr positive Reformen in den letzten Jahren auf den Weg gebracht zu haben, darunter auch wichtige Maßnahmen gegen die Geschäftsmodeller (zum Beispiel die direkte Inkasso-Verrechnung bei mangelndem Interesse der Öffentlichkeit). Gewählt wurden: Enjott Schneider, Lothar Voigtländer, Jörg Evers, Hartmut Westphal, Klaus Doldinger, Ralf Weigand, also fast exakt der alte Aufsichtsrat. Neu hinzugekommen als Vertretung ist Konstantin Wecker, der quasi vom Krankenbett aus und ohne eigene Anwesenheit spontan eine große Zahl von Stimmen bekam, Manfred Schoof wurde wiedergewählt und Helmut Zapf bekam leider diesmal nicht genügend Stimmen. Der befürchtete Umsturz blieb aus, aber auch deswegen, weil tatsächlich viele gekommen waren, um ihn zu verhindern, zum Teil waren bis zu 420 und mehr Walhberechtigte im Saal.
An alle Delegierten und Besucher der Versammlung: dies ist der beste Beweis dafür, dass ihr nicht umsonst gekommen seid!

Der Rest der Veranstaltung konnte drei weitere wichtige Erfolge verbuchen: das neue verbesserte Abrechnungssystem für Kleinveranstaltungen wurde durchgewinkt (Antrag 28), nach langen und ermüdenden Diskussionen wurde endlich (und mit durchschlagender Mehrheit) die Reduzierung der Koeffizienten für Werbemusik durchgesetzt, was allen anderen GEMA-Mitgliedern – E wie U – zugute kommt. Die Diskussion über diese nur 2 Anträge dauerte insgesamt über 5 Stunden (!), daher wurde dann der Antrag über die Entfristung des Anti-Geschäftsmodellerparagraphen (Antrag 48) erstaunlich schnell und per Handzeichen entschieden. Und dann musste ich selber auch schon wieder gehen, denn der Flieger wartete. Wie die noch gefühlten 100 weiteren Anträge abgestimmt wurden, kann ich nicht berichten, aber es wird a) bis Mitternacht gedauert haben und b) bald in den sexy GEMA-Nachrichten stehen.

Auf dem Rückweg fragte mich der Taxifahrer über die GEMA-Versammlung aus, denn er hatte mitbekommen, dass die im Maritim Berlin stattfand. Ich versuchte ihm so gut es die Funktionsweise der GEMA zu erklären, und dass sie nicht so schlimm wie ihr Ruf sei, und direkt den Künstlern und keinen anonymen Konzernen zugutekomme. Darauf fragte mich der Taxifahrer: „Sie sind dann also so etwas wie ein Jurist?“.

In diesem Moment fühlte ich, wie etwas in mir starb.

Moritz Eggert

...und den Preis für den vorhersehbarsten und ödesten Spruch auf einem Schild gewinnt:

Eine Antwort

  1. 30. Juni 2012

    […] E-Komponisten der GEMA Von Alexander Strauch, 30.06.2012 GEMA, und kein Ende in Sicht! Moritz und ich schrieben über unsere Eindrücke von verschiedenen Sitzungen. Thomas Nathan […]