Komponieren – das Schönste was es gibt! Bis Juni 2012…

Jedes komponierende Wesen kennt es: Einfallslosigkeit, Schreibunlust, Zeitdruck. Um den Faktor Zeit teilen sich wohl ein wenig die Meinungen: Manchmal fördert er wunderbare Dinge zu Tage, manchmal verschlimmert er gewaltig die Schreibhemmung. Wenn man aber mal „drin“ ist – im Komponieren, entweder total abgekapselt oder sogar noch kommunikativer verdrahtet als sonst, sind zweiunddreissigtelgenaues Ausfeilen im Schneckentempo oder zehn Minuten reine Musikdauer an „Output“ im Schreibrausch pro Tag eigentlich unwichtig – es sei denn, der Zahn der Zeit nagt und drückt: Es wird losgelegt, als gäbe es nur noch ein Heute!

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Jeder hat seine eigene Tatkraft, das sind meine Biedermeiereien: Ich steigere meinen Espresso-Konsum, der sonst gegen Null tendiert. Meetings, Besprechungen und Telefonaten meide ich, bin aber gut per Email erreichbar, da man diese erstmal zur Kenntnis nehmen kann und mit wenigen Worten auch zu einem späteren Zeitpunkt beantworten kann. Das Wichtigste ist das Einhalten eines Zeitplans. Für meinen Teil schreibe ich am Liebsten spätabends, da die tagesfrohe Geschäftigkeit der Nachbarn ziemlich auf die Nerven gehen kann. Früher schrieb ich gerne bis fünf, sechs Uhr morgens durch und wurde dabei jede vorgerückte Viertelstunde langsamer. So donnere ich heutzutage spätestens um halb zwei den Stift hin und zwinge mich ins Bett. Besser um neun Uhr wieder aus den Federn gesprungen! Komme ich langsam in Fahrt, mit oder ohne Koffeinschub, ist so doch jede Note im Taglärm konsequenter als das nächtliche Gründeln in der Stille, wenn da auch manchmal wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen werden mögen, was das Material betrifft. Dessen Auswalken ist aber ein klarer Fall von Tagwerk. Irgendwann dann aufs Rad geschwungen und ein paar Kilometer zurückgelegt, den Kopf klargestrampelt.

Ätzend sind unterbrechende Probentermine, so gut die auch verlaufen mögen. Dennoch bringt selbst dies mich noch auf gute Ideen, die später in die Arbeit einfliessen. Das zweitgefährlichste ist Geldverdienen – durch Chor- und Orchesterleiten, in der Wohnungslosenhilfe jobben, etc. Momentan bin ich dies bis zum Sommeranfang los. Wollte ich in den ersten Tagen meiner befristeten vierteljährlichen „Freiheit“ sofort loslegen, kam erstmal Alles aus dem Körper hervor, was wohl den halben Winter verdrängt war: Erst zuckte es in den Zähnen, dann im Gesicht, zuletzt vier Tage Kopfweh, wenn ich nur an Komponieren dachte. Und plötzlich war  dies Alles wie weggeblasen. Der Zeitdruck ist zwar jetzt enorm – aber der Spass ebenso. Könnte es nur immer so laufen…

Die einzige Plage stellten einige Gremientermine dar! Trifft man gar auf Komponisten, die dann wieder stolzesschwanger von ihren Grosstaten sprechen, neue Ämter auf sich häuften, sich mit sechsstelligen Steuerrückzahlungen brüsten, kommt man sich wieder mal so richtig unbedeutend vor, kann man selbst nur über untere vierstellige Sümmchen mitreden. Aber was soll es. Nach der letzten Jahressitzung des bayerischen DKV letzte Woche dämmerte in mir eine krude Erkenntnis: Komponisten, selbst jene mit sechsstelligen Einkommen, und Anti-ACTA-Demonstranten sind sich gar nicht so unähnlich. Beide kämpfen gegen die diffus als „die Grossen“ bezeichneten. Beide wehren sich gegen Vereinnahmungen durch die „Content“-Industrie. Und schiessen doch aufeinander. Sieht man den ACTA-Dingen und den Online-Kontrollängsten mal als Komponist oder ACTA-Gegner gelassener ins Auge, mögen die einen weder zu laut die Aussetzung oder die anderen die schnell-brave Umsetzung fordern: Möge es einfach kommen, wo doch sowieso manche „Hämmer“ schon längst bei uns in Deutschland Usus sind. Sehr wohl kann ein in seinen Urheberrechten Verletzter dagegen vorgehen, die Herausgabe von Verbindungsdaten ohne Anhörung des Beschuldigten einfordern. Einzig die Angst von Nutzern, demnächst von vornherein ggf. ihren Providern in den AGBs zu gestatten, den Datenstrom zu filzen, lässt einen doch ein wenig schlucken. Aber man kann ja im echten Bedarfsfall den Klageweg beschreiten: Haben deutsche Gerichte nicht die Vorratsdatenspeicherung gestoppt? Mal sehen, ob nun das durch die EU-Kommission angedrohte Zwangsgeld ein neues Gesetz dazu hervorbringen wird. Ob dies dann wieder das BVG kassieren wird? Da tut sich mal ein wirkliches Dilemma auf.

Aber bleiben wir bei „den Grossen“! Die Tage war zu lesen, dass doch bis zu 300 Millionen Euro Schadensersatzsansprüche per Abmahnungen durch die Musikindustrie pro Jahr eingetrieben werden. Ein sattes Sümmchen. Nur, kommt dieses Geld bei den originären Autoren auch wirklich an? Die „kleinen Künstler“ werden vom Musikkommerz immer als die Moralkeule geschwungen. Dennoch bestehen arge Zweifel, ob das Geld ganz nach unten durchgereicht wird. Überhaupt kleine Sümmchen: Auf jener bayerischen DKV-Jahressitzung wurden im Zusammenhang mit Miniausschüttungen der GVL für Filmmusik Stimmen laut, doch jene 0,000014 Cent lieber einem Fonds zuzuführen als auszuschütten. Jeder Urheber, der so was sagt, kann zur Zeit mit dem Beifall der Rechteverwalter rechnen. Nur werden jene Sümmchen dann eben kumuliert und landen über die Verteilmaschinerie z.B. der GEMA oder von Streamanbietern (wir erinnern uns an Moritz‘ gepostete Napsterabrechnung) letzten Endes in den Taschen der „Grossen“. Genau jene eben, gegen die auch die Anti-ACTA-Gläubigen angehen, dabei aber dann nur die Piraten-Partei unterstützen, die uns und ihnen dann Hörner aufsetzt, wie jener Musiker Bruno Kramm sie als Maskerade trägt, der das die Massen verängstigende englischsprachige Anonymous-Video ins Deutsche übersetzte. So zuckte selbst wohl Frau Leutheusser-Schnarrenberger vor diesem Teufel zusammen, als sie sich zur Nicht-Unterzeichnung durchrang. Ob ein ähnlicher Teufel ihr auch die Initiative zu einem neuem Vorratsdatenspeicherungsgesetz vergällte? Oder ist es nur politisches Taktieren, um im Promillbereich der kleinen Parteien Piraten für die FDP zu begeistern? Könnten erfolglose Parteien ihre Stimmchen doch nutzen. Immerhin erhalten sie staatliche Parteienfinanzierung, egal wie extrem sie sein mögen, solange sie zu Wahlen antreten dürfen. Letztlich gehen ihre Stimmen aber dann doch an die grossen Parteien jenseits der 5%-Hürde verloren.

Zurück an den Schreibtisch! Da habe ich wenigstens meinen Spass und kann mir und Euch diese und meine wirren Gedanken zum Urheberrecht ersparen. Mögen die Dinge doch einfach ihren Lauf nehmen! Viel wichtiger als unser Gewese als E-Musiker um ACTA und die poplastige Musikindustrie wird sein, dieses Jahr im Juni brav zu den GEMA-Sitzungen in Berlin zu pilgern! Jetzt spiele ich mal Hörnchenträger: Jede Komponistin und jeder Komponist sog. E-Musik, der NICHT dort sein wird, soll in Zukunft seine Goschen halten, wenn es um E-Musik und GEMA gehen wird. Wenn wie letztes Jahre wieder keine Einigung bei gewissen Anträgen erreicht sein wird, gerade um den Verteilungsplan gerecht und eigenständig ohne Gerichte und Patentamt auszuhandeln, ohne da jetzt genauer einzusteigen, das können Andere viel besser, wird höchstwahrscheinlich im Zuge einiger Stellschrauben aufgrund von gerichtlich erzwungenen quasi 1:1-Abrechungen für jedes Fuzzelchen erklingende Werbemusik, das E-Musik-Privileg fallen. Also, nochmals zum mitschreiben: Ihr könnt Alle Eure von Jahr zu Jahr steigenden nach Euren persönlichen Punkten berechneten Ausschüttungen vergessen, wenn Ihr nicht in Berlin sein werdet und die stets mit Abwesenheit glänzenden E-KollegInnen schlichtweg weggestimmt werden von anderen Kollegen, Textautoren und Verlagen. Da werden unsere „Sümmchen“ dann als Erstes einfach „den Grossen“ gutgeschrieben. Wenn dies so sein wird, will ich keine Stammtischklagen mehr über andere GEMA-Wehwechen hören!! Es wird diesmal ums Ganze gehen. Bombadiert Eure DKV-Vertreter, um Genaueres zu erfahren. Aber wie borniert Ihr seid, äh wir Alle sind, wird wohl unser „Privileg“ fallen. Eigentlich gilt nur ansteckende Krankheit und Menschenangst als Entschuldigung. Keine Probenphase oder Korrekturpflicht kann diesmal wichtiger sein, als Präsenz zu zeigen, da es um unsere Einnahmen, ja, Alterssicherung oder unsere Enteignung gehen wird. Aber ich sehe schon, wie Nischen und Pseudo-Entschuldigungen um sich greifen werden…

Also geniesse ich bis dahin noch die Zeit, meide zu viele Kollegenkontakte (s.o.) und pflege meine kleinen Frühlingsfreuden wie oben so bieder beschrieben. Das ist tatsächlich für jeden eine die Schreibdynamik belebende Befindlichkeit! Im Juni wird es aber wichtiger: 25.-27.6. sehen wir uns in Berlin! Bis dahin frohes Schaffen!!

P.S.: Wie man sich richtig als Künstler über Urheberrechtsverletzungen aufregen kann, s. Sven Regener (als stecke Auf-Regung in seinem Namen!) hier im Zündfunk-Telefonat . Dazu ein kleiner Kommentar aus dem NMZ-Universum, der Jazzzeit. Apropos Antwort des Kultur-Piraten Christoph Lauer, kulturpolitischer Sprecher der Piraten-Partei, ebenfalls im Zündfunk: Ja, die Zeiten haben sich durch das Internet massiv verändert. Allerdings ist der Rest der Welt, die Aussenwelt des Netzes, bereits hinreichend geregelt. Seine Innenwelt und seine Eilfertigkeit, die so fasziniert, verbreitet, aber eben auch weit über Privatkopien hinausgeht, genau die muss geregelt werden. Auch wenn jetzt wieder einige der Komponisten aufschreien: Wenn eine Regelung, vorausgesetzt, man hat seine Musik z.B. zum Streaming oder  für andere Dienste freigegeben, dann kann diese unselige Kultur-Flatrate NEBEN normalen Bezahlweisen für das direkte Anhören, also zusätzlich dazu, eine Lösung sein, Aufführungsrechte zu wahren. Sie ist und wird aber niemals alleine dastehen können, sie soll in meinen Augen nicht die anderen Modelle ersetzen, solange sie nicht deren Finanzstärke einnimmt.

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Eine Antwort

  1. wechselstrom sagt:

    Habe mir die „Antwort“ des „Kultur“-Piraten Ch. Lauer angehört – sagt mal Leute: Ist diese neo-liberale Argumentation („es hat sich halt durch das Internet was geändert, und dem müssen jetzt alle hinterher laufen“) überhaupt noch zeitgemäß?? Jedenfalls habe ich den Eindruck, der Kutursprecher der Piratenpartei hat seine Ausbildung in den Drückerkolonnen der Heizdeckenverkäufer bei Kaffee-Fahrten genossen.
    Beim Satz: „…ja, ich hoffe das hat jetzt etwas zur Entschärfung beigetragen“ kam mir dann das Kotzen.