Wintermusik mit Wintermode und raschelnde Frauentextilien

Montag -1°C, Dienstag -5°C, Mittwoch -10°C, Donnerstag -15°C, usf. bis zu -273°C? Wird so dieses Jahr die Welt nach dem Maya-Kalender einfach wegfrieren? Viel zu global gedacht! Gestern bin ich in einem Konzert mit Neuer Musik gewesen, die Münchner Neue-Musik-Band pianopossibile, zumindest sieht sich das Ensemble so. Gut strukturiert, ohne Applausunterbrechungen, eine Ensemblekomposition aus Komponisten-kompositionen? Was?! Fast wäre dies Konzept aufgegangen, wären die besuchenden Damen nicht so winterlich dick eingekleidet gewesen. Liebes weibliches Geschlecht: In Konzerten mit potentiell raschelleiser Musik übertönen Eure Textilien und Schmuckstücke jegliche Musikeraktion, die grossen tickenden schicken Armbanduhren sind schon so eine Sache. Aber im Winter rascheln selbst die Stiefel, wenn ihr Eure Beine übereinander schlagt. Kein Wunder, dass mir nichts als Modefragen zu den Stücken durchs Hirn gingen.

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Der Cellist Mathis Mayr, die Berliner kennen ihn vom Ensemble Mosaik, startete mit Michael GordonsIndustry“ für Cello und Verzerrer, welcher die Kombinationstöne der Doppelgriffe hörbar macht. Supereffekt, arschschwer zu greifen, da minimikrotonal. Klar was dazu einzig passt: eine windige Motorad-Kombi, damit man schnittig von Intonationskurve zu Intonationsseitenstreifen jetten kann.

Bernhard Lang ließ mich erschaudern, nein, genauer: Die Sopranistin Martina Koppelstetter. Sie legte ihr Jäckchen vor Start von „DW 15“ ab, bevor sie mit Zuspielung und Georg Glasl an der Zither durch Dämonenbeschwörungen vorwärts und rückwärts geschupst wurde, das hackende Hin und Her Langs eben. Garantiert wurde ihr sehr warm. Ich fror beim Anblick der nackten Schultern. Beim ersten Song wollte ich ihr einen Alienschal drüberlegen, so Orff-Alien-haft tönte es nach „odi“, im zweiten Lied, das wie eine Vorwegnahme der aktuell in Ägypten ausgegrabenen Sängerin-Mumie statisch klang, einen edlen Nilzwirn. Derweil verpasste ich Nummer drei und vier…

Martin SchüttlersLinked Trips“, zarte Harmonien, hoch piepsender Sopran, mal laute Dosengeräusche, mal superleise Wellpappen oder Plastikplatten, hatte gar keine Chance gegen die kunstledernen quietschenden Stiefel meiner Ü-50 Nachbarin. Ich dachte plötzlich an eine U 25 Jährige Blondine in Leder und Tops, wo ich doch so gar nicht für diese Art Damen ticke.

Aggregat“ von Leopold Hurt brachte mich zum Schwitzen ob der chinesischen Geigen ähnlichen Dauerglissandi des Cellos und der Zupfattacken der Basszither. Immer wenn der Cellist dann schockartig dazu mal den Verzerrer antrat, fröstelte mir wie bei ganz langsam über eine Schultafel gezogener Kreide. Nur war dieser Schock viel kürzer. Diese heiß-kalt Duschen erlauben nur eines, diesen Kälte im Winter und Wärme im Sommer abweisende GoXXXXX Jackenpartnerlook.

Tja, und Alwynne PritchardsFishbone“ mit Schwitters rezitierender Band aus Sprecher, E-Bass und E-Gitarre, Drums und Cello bot natürlich die Steilvorlage für ein ähnlich lautendes Label. Nach diesen Wechselbädern fühlte ich mich wie eine ausgekochte Bisamratte, wie deren Skelett. Nur gut, dass ich so gute Glukosespeicher habe und so mein Winterspeck trotz sibirischer Kälte und diesen Modevisionen nicht vollends dahinschmolz, auch wenn ich es seelisch ein wenig bei Hurt und Gordon tat. Muss ich mich jetzt warm anziehen? Aber was ist ein Kommentarhagel gegen diesen Februarfrost!

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