Endlich Vierzig!

Es ist vorbei. It’s over. Licht aus, Stühle auf den Tischen. Vorüber die Mühen, die Zweifel, der Neid. Vor hundertfünfzig Jahren hätte ich nun zum alten Eisen gehört. Ausgenommen nur wenn ich aus reichem Haus gekommen wäre, mich nicht dem Militär oder Abenteuer verschrieben hätte, mich mit Handel oder Diplomatie begnügt hätte. Als Künstler hätte ich Armut, politischen Aufruhr, Tuberkolose, unbezahlbare medizinische Versorgung, Unhygiene und anderes überleben müssen. Mit viel Glück wären mir noch einige Jahre vergönnt, familiär versorgt hätte ich gar die Sechzig durchbrechen können. Als Arbeiter in einer der neuen wie Pilze aus dem Boden schiessenden Fabriken könnte ich bald mit meinem Ende rechnen, die bismarcksche Renteneintrittsaltergrenze von Siebzig Jahren wäre ein verträumtes Schemen wie eine Reise in die Südseekolonien.

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Quelle: Strauch 2011

Die magische Schallgrenze „vierzig“: Geht man von einer musikalisch sich entwickelnden Persönlichkeit ab ca. 04 Jahren aus, die mit 40 voll etabliert sein sollte, versteht man all die Altersgrenzen der Kompositionswettbewerbe. Mit 35 nimmt die Hälfte dieser Ausschreibungen keinen mehr an, mit 40 ist dann endgültig Schluss. Natürlich gibt es Wettbewerbe ohne Altersgrenzen, die haben aber oft was Unwichtiges an sich, sind ominöse Veranstaltungen in Mittelmeerländern oder schlichtweg unregelmäßig durchgeführt, so dass sie nicht immer im Augenmerk liegen. Und ja, es gibt auch Wichtige altersunbegrenzte, sie gehören dennoch zur Minderzahl.

Aber wie gesagt: Vorüber die Mühen, die Zweifel, der Neid! So selten ich an Wettbewerben teilnahm, um so größer war die Not mal ein Stück für die vorgeschriebene Besetzung und Dauer zum richtigen Zeitpunkt samt manchmal dubioser ins Ausland zu entrichtender Teilnahmegebühren fertig auf dem Tisch liegen gehabt zu haben. Ich erinnere mich noch, wie ich mit 16 zum ersten Mal eine der dubiosen italienischen Ausschreibungen anforderte, allein dafür schon ein saftiges Nachporto entrichtete, bzw. meine Eltern, die meinen Berufswunsch Komponist dann noch seltsamer fanden. Wenn man nicht ständig am Wettbewerbsball blieb, hatte man eben nicht zufälligerweise besetzungs- und längengleiche Stücke versandfertig in der Schublade liegen. Aber wenn doch? Nach der Fertigstellungsaufregung, vermummten Direktabgaben beim Veranstalter begann die Zeit des Wartens. Wann kommt endlich die Nachricht, am Besten gleich der Preisscheck? Mir blieb meistens nur der Preisschreck! Warum gehörte man nicht zu den Ausgezeichneten? Man hatte diesmal nur teilgenommen, weil einem die Jury doch persönlich kannte! Aber man hatte bei diese Personen schon lange nicht mehr antichambriert, war ihnen auf dem letzten Empfang verdruckst aus dem Weg gegangen, hätte auch kaum ein Milligramm Aufmerksamkeit von diesen erhalten. Oder man kannte die Jury nur den Namen nach. Die müssten aber doch soviel Sachverstand haben, dass sie nur mir den Preis zuerkennen könnten!

Das Ergebnis, endlich hielt man es in den Händen! „Es freut uns Ihnen mitteilen zu dürfen…“! Hurra, gewonnen!!! Weitergelesen: „zu dürfen, dass dieses Jahr so viele Komponisten weltweit Stücke einreichten wie nie zuvor.“ Dann die endlose Reihung der Länder. „Besonders glücklich macht uns, Ihnen verkünden zu können…“ Nun muss doch die erwartete Floskel erscheinen. „… verkünden zu können, dass der erste Preis gleich zweimal vergeben wurde und ein Sonder- wie Förderpreis zusätzlich durch den Wegfall des zweiten Preises möglich wurde.“ Wunderbar, wenn man nicht zur ersten Kategorie gehört, bliebe mir die Chance eines Extrapreises. Die mussten wohl erst ihre ihnen bekannten Favoriten ehren, fanden mich aber trotz des in die Wettbewerbsausschreibung gepressten ursprünglichen Bläsertrios, nun als Streichtrio, so hervorragend, dass sie mir einen Sonderpreis schufen. „Hier nun präsentieren wir Ihnen das Ergebnis der Jurysitzung vom … : 1. Preis XXX (Italien) und XXX (Italien). Der Sonderpreis geht an XXX (Singapur), der Förderpreis an XXX (Korea).“ Haben die meinen Namen falsch geschrieben? Nein! Nicht gewonnen. Blässe, lange Nase, Durchfall. Immerhin kam der zweite Italiener aus Stuttgart, hatte der Koreaner in Freiburg studiert, der erste Italiener wohl alle Ircamkurse samt Royaumont hinter sich, der Mensch aus Singapur ein Stanfordstipendium vor sich. Was half das Verstehen, das beschönigende Zurechtlegen – es brach sich immer wieder der Neid seine freie Bahn. Was ist man doch für ein schlechter Mensch. Und komponieren kann man wohl auch nicht. Ja, die aber erst recht nicht. Und überhaupt: klangen deren Stücke nicht genauso wie die Musik der Komponisten in der Jury, sofern sie diese nicht sogar als Mentoren schon zuvor kannten? Und so weiter, und sofort.

Nach meinem 35. Geburtstag habe ich das noch dreimal durchgemacht. Bemerkenswerterweise gewannen bei Altersgrenze-40-Ausschreibungen am ehesten Teilnehmer zwischen 25 und 30. Wer älter war, sofern überhaupt einer zum Zuge kam, war schon etabliert oder interkulturelles Frischfleisch für den hiesigen Markt. Rückblickend bestätigte sich aber in Zweidrittel aller Fälle: die Preisträger hatten bei einem der Juroren studiert, Kurse besucht, waren Enkelschüler. Oder sie kamen einige Zeit zuvor auf diesem Wege zum Zuge und waren nun berühmt-berüchtigte Wettbewerbsriesen, um die kaum noch eine Jury kam, dennoch aber immer ein Hautgout blieb, dass deren Musik wettbewerbsgerecht aber nie wirklich konzertfähig war. Sprich, man sie immer als Preisträger spielte, seltenst aber als schon vorher feststehender Programmpunkt eines Festivals in Betracht ziehen würde, sprich es an Eigenheit mangelte. Mir ging es immer so, dass Stücke mit den grössten persönlichen Eigenheiten am schnellsten auf der Strecke blieben, es sei denn, sie erfüllten doch typische grafomanische wie spielkonventionelle Eigenheiten. Mit gewisser Süffisanz erinnere ich mich noch als Teilnehmer an Preisträger von musica-viva-BMW-Ausschreibungen: die mit verspäteter Sonderpost und ellenlangen wie wichtigtuerischen Entschuldigungsschreiben eingegangenen wie grössten Partituren, brav am Rechner gelayoutet, mit gähnender Neue-Musik-Folklore gewannen immer, die merkwürdigen in nur fünf Zeilen notierten oder zu grosser Emphase komponierten hatten das Nachsehen. Immerhin gut, wenn man ab und zu Praktikanten und KBB-Mitarbeiter zum Plaudern brachte…

Dies fällt nun Alles von mir ab! Wie wunderbar! Ich hatte niemals wirkliche Freude am Schreiben von potentiell sieglosen Partituren. Die hielten mich im Gegenteil jahrelang ab, mich wirklich an meine eigene Essenz heranzuwagen. So plädiere ich auf keinen Fall mehr für höhergelegte Altersgrenzen. Wenn Wettbewerbe, dann bitte OHNE Altersgrenzen. Mag das Steuer- und Stiftungsrecht noch so viele gute Gründe für geringe Abstände zum Studienabschluss liefern, sollte man dennoch darauf verzichten. Letztlich hat man nämlich den Eindruck, dass all die vielen hübschen Nachwuchswettbewerbe weniger den Youngsters als dem Renomée der Jurymitglieder und des Veranstalters dienen, die somit Teilhaber und Bestimmer von Jugendlichkeit und Schreib- wie Hörkonventionen werden wollen, frei nach dem Motto: Wer zahlt, der schafft an. Natürlich haben die Preisträger allen Grund, sich über ihr Gewinnen zu freuen. Jenseits der geballten Neidladungen, wie ich sie oben beschrieb oder wie ich die Mitteilnehmenden desavouierte: Sie Alle haben Arbeit geleistet, auch das Risiko des Umsonstschreibens riskiert, etc. Letztlich haben sie aber Lebenszeit geopfert, ihren Stil grösstenteils gnadenlos angepasst, sich auf Gedeih und Verderb ihren Mentoren verpflichtet, deren zu nahe Nähe um den Preis des Respekts vor den anderen Kommilotonen gesucht, also sich und andere nach Strich und Faden verraten, weil ein noch grösseres Etwas sie zu diesem Verrat aufrief, drastisch ausgedrückt! Was kann man tun? In Viten Wettbewerbs- wie Stipendiennennungen verbieten. Wettbewerbe nicht regelmäßig, nur zu gewissen Anlässen einmalig ausschreiben. Jurys bunter besetzen, Schüler von Angehörigen ausschliessen. Altersgrenzen weglassen. Und letztlich lieber besetzungsoffen ausschreiben, bereits bestehende Werke einfordern.

Viel wichtiger bleibt für mich, am eigenen Stil weiter zu feilen, auch wenn das Keinen interessieren sollte. Und mich immer wieder daran erinnern, was ich hier schrieb: Vorüber die Mühen, die Zweifel, der Neid. Das ist das wirklich Befreiende am vierzigsten Geburtstag, mit dem eigentlich bereits mein 41. Lebensjahr eröffnet wird. Wie hier im Blog öfters geschildert, werde ich selbst als falscher Fünfziger noch jung im Land der Neuen Musik sein. Und der Zug ist lange noch nicht abgefahren: inzwischen bewerbe ich mich nicht nur aus Altersgründen nicht mehr auf Stückausschreibungen. Viel interessanter und verantwortungsfördender sind Produktionsausschreibungen. Kommt man hier zum Zuge, hat ein wenig Geld in der Hand, ist man selbst der Bestimmer von Hör- und Sehkonventionen. Tausendmal schöner als den Jüngeren Vorschriften zu machen!

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Komponist*in

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8 Antworten

  1. Guntram Erbe sagt:

    Friedrich Rückert:

    Mit vierzig Jahren

    Mit vierzig Jahren ist der Berg erstiegen,
    Wir stehen still und schaun zurück;
    Dort sehen wir der Kindheit stilles liegen
    Und dort der Jugend lautes Glück.

    Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
    Erhebe deinen Wanderstab!
    Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter,
    Und hier nicht, drüben geht’s hinab.

    Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen,
    Die Ebene zieht von selbst dich fort;
    Dann wird sie sich mit dir unmerklich neigen,
    Und eh‘ du’s denkst, bist du im Port.

  2. Lieber Alexander,
    so schonungslos ehrlich hat bisher kaum jemand die Gefühle eines Komponisten bei der Teilnahme von Wettbewerben beschrieben- wir haben das ja alle irgendwie durchgemacht. Ich denke mal, ein Komponistenleben wird heute in ganz klare „Förderungsphasen“ eingeteilt, die das Leben ungefähr so gestalten:

    ?-20: Jugend musiziert, Jugend komponiert, Weikersheim, etc.
    20-30: Studienstiftung, Studienstipendien, Wettbewerbe für „Junge“ Komponisten etc.
    30-35: Wettbewerbe für nicht mehr ganz so junge Komponisten, Auslands/Aufenthaltsstipendien etc.
    35-40: Wettbewerbe für nicht junge Komponisten oder offene Wettbewerbe, Aufenthaltsstipendien, Last-Chance-Gelegenheiten
    40: Last Exit Brooklyn oder: endlich frei!

    Die Frage ist, ob wir uns das Leben aber so einteilen lassen müssen, oder ob das nicht letztlich alles wahnsinnig wurscht ist. Ich glaube in der Musikgeschichte dominieren eher die Komponisten, die relativ wenige solche Auszeichnungen erhielten oder zumindest in der Zahl der Preise nicht an der Spitze lagen, oder „sperrig“ (Wagner) bis ganz unbekannt (Schubert) waren. Der zu Lebzeiten allgemein anerkannte, mit Preisen überhäufte und WIRKLICH gute Komponist ist – nüchtern statistisch betrachtet – eine absolute Anomalie, ein unglaublicher Zufall. Gibt’s aber natürlich auch.

    Letztlich hat diese ganze Preismaschinerie wenig Bedeutung – wesentlich wichtiger ist, dass man irgendwie zum Komponieren kommt und dazu auch Lust hat (das ist wahrscheinlich das Allerwichtigste) und zweitens, dass dies von anderen Menschen auch bemerkt wird (das hat man teilweise selber in der Hand, kann es aber auch nicht erzwingen). Für letzteres kann es sogar besonders interessant sein, den Preis NICHT zu gewinnen, aber dafür positiv Aufmerksamkeit zu erregen.

    Moritz Eggert

  3. Erik Janson sagt:

    Mit 35 nimmt die Hälfte dieser Ausschreibungen keinen mehr an, mit 40 ist dann endgültig Schluss. Natürlich gibt es Wettbewerbe ohne Altersgrenzen, die haben aber oft was Unwichtiges an sich, sind ominöse Veranstaltungen in Mittelmeerländern oder schlichtweg unregelmäßig durchgeführt, so dass sie nicht immer im Augenmerk liegen.

    Mensch, Alexander (so kennt man Dich ja gar nicht ;-)): kein Trübsal blasen (hier ja wohl nicht doch noch der vor-neujährliche „Blues“ aufkommen, oder?): Es gibt doch noch so viele Wettbewerbe, wo man mit Ü40 noch eine Chance hat. Z.B. den Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart. Der hat bekanntlich, wie viele andere schwer gewichtige Wettbewerbe, keine Alters-Deadline. Und auch die Chance, mal einfach, weil das Glück einen „trifft“ und wenn man brav gewesen ist…, so von einem Festival entdeckt oder eingeladen zu werden (ala Kurtag o.ä.),ist ja nicht zu verachten. Nach Stuttgart, da werd ich z.B. auch wieder mal was hin schicken (weiß gar nicht zum wievielten Mal, hab längst aufgehört zu zählen). Um aber mal das Anonymitätsgebot von Wettbewerben nochmal an zu sprechen (ob man wirklich sich daran hält, wenn man so manche Preisträger-Listen von Wettbewerben, Doppelpreisträger durchstöbert?) Um das zu durchbrechen, und damit man da auch die Chance hat, meine Komposition zu erkennen und mich für mein jahrelanges Nicht-Aufgeben mal belohnen kann, verrate ich hier feierlich: Mein Werktitel wird diesmal lauten: „Mit 44 Jahren, da fängt das Leben an…“ Wenn ich mich auch niemals trauen würde, einen solchen Titel direkt und provokant so „platt“ dort hin zu schicken… Es wird de-chiffrierbar sein, d.h. in meiner genialen Partitur wieder zu finden: ob versteckt in einer Tonhöhen-Reihe, in einer Zahlenfolge zum Formschema, in der Dynamik-Organisation o.ä., das herauszufinden, das überlasse ich der Jury, die die Partituren sicher alle lange und gewissenhaft studieren wird.

    Also, Alexander, Du hast gemerkt:
    An meinen bitterbösen Zeilen merkt man, dass ich noch ein innerlich zu junger Spunt und noch mit meinen 44 Lenzen zu wenig gelassen und abgeklärt bin, im Gegensatz zu Dir.

    Zwischenzeitlich (@ anderer Thread): zu dem Wettbewerb, wo man 250 Dollar und ein Pintscher-Autogramm gewinnen kann, da habe ich noch nichts gefunden. Bleibe weiter dran. Alexander, DAS wäre jedenfalls was für uns, oder? Jetzt, wo vorbei sind, alle Mühen, Zweifel und Neid, da würde ich mir auch gerne eine signierte Partitur von einem „Angekommenen“ als Vorbild direkt über den Schreibtisch hängen, wo ich dann bei jedem komponierten Takt hin auf schauen kann und mir sage „jeder bekommt das/bemüht sich um das was er verdient“ und/oder „so wie es ist, ist es gut“ Aber ob es das ist, was uns weiter treibt …?
    ;-.) Oder anders gefragt und in den weihnachtlichen Bratapfelgeruch hinein gegrübelt: ist nur der innerlich Gelassene, der weise und zufrieden auf alles zurück schaut, sich mit allen ÄUßEREN Umständen ab findet, ein guter Komponist?

  4. Erik Janson sagt:

    @ Lieber Moritz,

    jetzt, wo Alexander mit so Gutem Beispiel eines schonungslos ehrlichen Komponisten-„Soulstrip“ hier voran gegangen ist und all den heimlichen Mitlesern (ob älter oder „Jungspunde“) aus der Seele spricht, da konnte auch ich nicht mehr an mich halten.

    Chapeau!

    Nehmen wir´s mit Humor:

    Mit 14 Jahren: jugend Komponiert
    Mit 44 dann: Jugend „lamentiert“ … ;-)

    Aber erst mal: Weihnachtsente ;-)

  5. Erik Janson sagt:

    Letztlich hat diese ganze Preismaschinerie wenig Bedeutung – wesentlich wichtiger ist, dass man irgendwie zum Komponieren kommt und dazu auch Lust hat (das ist wahrscheinlich das Allerwichtigste) und zweitens, dass dies von anderen Menschen auch bemerkt wird (das hat man teilweise selber in der Hand, kann es aber auch nicht erzwingen). Für letzteres kann es sogar besonders interessant sein, den Preis NICHT zu gewinnen, aber dafür positiv Aufmerksamkeit zu erregen.

    Lieber Moritz: Spät gelesen (bzw. überschnitten) aber: Genau diese Spannung ist es, die einen weitermachen lässt: Zu sagen: ich brauche keine Anerkennung/Preise/ EntdecktWerden oder dergleichen, das wäre vermutlich auch für den Gelassensten Selbstbetrug.
    Innerlich zu sagen: das Schaffen ist langfristig nur was Wert/macht nur SINN, wenn es auch anerkannt/gehört wird, das träfe es auch nicht und wäre ein Seelenverkauf an das Unwahrhafte; und man sollte seinen Griffel vielleicht für immer aus der Hand legen, würde man nichts mehr in sich finden, was einen gegen ein solches Denken ermutigte.

    Und apropos „Lust“: ja, Moritz, da ist sicher viel Wahres dran, dass die Freude am Schreiben das Zentrale ist (aber wer hört noch auf diese innere Stimme?): Habe schon von erfolgreicheren Kollegen gehört bzw. von Leuten, die eher tendenziell in Aufträgen schwimmen, dass man sich leicht getrieben fühlt und dass (trotz Auftrag) gerade dann Lust oder Ideen nicht automatisch sprudeln (ganz im Gegenteil), sondern dass da oft eine Leere da ist, ja manchmal sogar Druck, mit dem man schwer fertig wird.

    Aber auch das ist keine Regel. Es ist immer anders.

    Na, wer traut sich von den Abgesettelteren nun aus der Deckung und berichtet mal was…?

  6. Franz Kaern sagt:

    Ein sympathischer Beitrag von Herrn Strauch!
    Natürlich ist es was Schönes, einen Preis zu gewinnen und das Gefühl vermittelt zu bekommen: Deine Musik ist wichtig, ist gut… Wenns denn so wäre. Mein Lehrer Ulrich Leyendecker hatte sich mal zusammen mit einem seiner früheren Studenten den Spaß erlaubt, für einen Wettbewerb ein Nonsensstück zu konzipieren, das nur auf das Vorhandensein optischer Schlüsselreize der Partitur bedacht war (genügend von pausen durchsetzte ineinandergeschachtelte n-Tolen, eine Fülle von Spielanweisungen und Instrumentaltechniken…), nicht auf einen irgendwie gearteten musikalischen Sinn. Prompt gewann der Student den Wettbewerb und bekam sogar einen Folgeauftrag, den er dann als ernsthaftes Stück komponierte, nur um dann vom einflussreichen Rundfunkchef Neue Musik gesagt zu bekommen: „Das Wettbewerbsstück war ja ein echter Wurf, aber was dann danach kam, war nicht der Rede wert.“ Ulrich Leyendecker kann die Geschichte sehr gut und mit Wuppertaler Trockenheit erzählen…
    Ich (die magischen 40 stehen mir in 1 1/2 Jahren ins Haus)habe seit langem an keinem Wettbewerb mehr teilgenommen und werde auch bei keinem Neue-Musik-Festival aufgeführt, macht aber nix. Dieses jahr hatte ich eine große Uraufführung eines Oratoriums, welches ich als Kompositionsauftrag für eine Kirchengemeinde in der Nähe von Heidelberg komponierte. Ihr Kirchengebäude hat dieses Jahr 150-jähriges Jubiläum, dazu wollte man ein Oratorium, welches alle Ensembles der Gemeinde (2 Chöre, die Orgel, den Posaunenchor, die Kirchenglocken nebst noch ein paar professionellen Streichern und einem Gesangssolisten) zum Einsatz und dadurch das Kirchengebäude zum Klingen bringen sollte. Hier galt es, sehr unterschiedlich fähigen Laienensembles eine Herausforderung und durchaus neue Erfahrung aber keine Überforderung zu komponieren und der Gemeinde ein angemessen feierliches aber nicht anbiederndes oder zu affirmatives Werk zu schreiben.
    Zu sehen, wie die 120 Beteiligten sich langfristig in das für sie ungewohnte Stück einarbeiteten, wie sie darauf vertrauten, dass die Einzelteile, die erst kurz vor der Uraufführung zusammengesetzt werden konnten, schließlich tatsächlich ein Ganzes ergeben würden, das sie alle mit Engagement und Genugtuung füllte, das war etwas, was mir das Komponistendasein sehr, sehr erstrebenswert und erfüllend sein ließ, viel mehr als der Zufall, mal bei einem Wettbewerb Glück gehabt zu haben. Denn in der Arbeit am Oratorium lag eben viel Herzblut meinerseits und der Wille, der Gemeinde wirklich ein Geschenk machen zu können (natürlich habe ich auch ein Honorar erhalten…), dem eine Balance aus ehrlichem Ausdruckswillen und pragmatischem auf die Bedingungen Eingehen gelang.
    Ich finde, Komponisten sollten Musik schreiben, die sie gerne schreiben wollen, keine, von der sie hoffen, dass sie den Bedingungen eines Wettbewerbes genügt.
    Und man sollte nicht danach streben, zu Lebzeiten sein eigenes Denkmal zu werden, sondern ganz einfach seine ehrliche Arbeit zu machen, die einem inneren Bedürfnis entspringt. Was die Welt dann draus macht, das hat man in der Regel doch sowieso nicht in der Hand.

  7. wechselstrom sagt:

    Das mit dem Preisgewinn ist nur finanziell interessant. 1.000-5.000 Euro – – – man kann sich mal was leisten, und aus.

    Die einfache Frage ist: Was interessiert euch an einem anderen Komponisten, an einem anderen Künstler?
    […]
    Und genau das ist es auch, was andere bei Euch suchen und, so wünsche ich es euch, auch entdecken werden.

    – wechselstrom –

    p.s: und wenn es keiner entdeckt, habt ihr Pech gehabt – hat hier jemand behauptet, die Welt sei gerecht? Lamentieren darf man nur, wenn es einem gut geht.

  8. Guntram Erbe sagt:

    Jeder weiß dazu etwas, vor allem etwas über sich selbst.
    Deshalb zumindest von mir (zweckfrei):

    Herzliche Glückwünsche zum heutigen Geburtstag!
    Sicher wird noch einiges aufgehen, auch jenseits der Schallmauer, bester A. Str.!

    G. E.