Pianistenwettstreit um David Lang
Pianistenwettstreite sind „all the rage“ im Moment, wie der Engländer sagen wurde. Zwei Kollegen von mir, Andreas Kern und Paul Cibis, haben zum Beispiel das sehr erfolgreiche „Piano Battle“-Konzept entwickelt, mit dem sie inzwischen schon in der ganzen Welt aufgetreten sind wie es scheint. Es funktioniert deswegen so gut, weil es dem Publikum eine gute Show bietet, es einbezieht, und sich vor allem selber nicht so ernst nimmt (dass beide sehr gut Klavier spielen können hilft natürlich auch).
Der New Yorker Komponist David Lang (über den ich hier schon oft geschrieben habe) wiederum will nicht Pianisten gegeneinander sondern FÜR sich spielen lassen. Was allerdings wiederum bedeutet, dass sie erst einmal gegeneinander antreten müssen. Kompliziert!
Seine Idee ist folgende: Am 15. November wird er die Noten zu einem neuen und kurzen Klavierstück von sich öffentlich machen („wed“). Er fordert Pianisten weltweit auf, dieses Stück zu lernen, zu spielen, dies auf Video aufzunehmen und dann bei youtube reinzustellen (netterweise hat er ein Stück ausgewählt, das nicht allzu schwer einzustudieren ist und bei dem es eher auf interpretatorische Qualitäten ankommt) . Einer dieser Pianisten wird von ihm und einer Jury ausgewählt, das Stück sowie eine weitere Uraufführung nächstes Jahr im megaangesagten New Yorker Club „Le Poisson Rouge“ zu spielen (gegen Honorar natürlich) und auch Flug und Unterkunft bezahlt zu bekommen.
Hier das Reglement in Originalsprache:
Official Rules (in brief)
by uploading your video to http://www.youtube.com with the tag:David Lang Piano Competition 2011
you acknowledge that you have read and agree to the complete rules of this competition: http://www.redpoppymusic.com/rules
1. Between November 15, 2011 and December 31, 2011, download the score to wed from David Lang’s memory pieces without charge from http://digital.schirmer.com/lang-contest
2. Learn the music and make a video of yourself playing it.
3. Post the video on YouTube.com by midnight (Eastern Standard Time) on December 31, 2011.
**IMPORTANT** you must tag the video with the following phrase: David Lang Piano Competition 2011
4. Once tagged by you after uploading, all videos will be posted here. Encourage your friends to make comments on their favorites!
5. A panel of judges, including Vicky Chow, Jeremy Denk, Lisa Moore, and Andrew Zolinsky will review all the videos and choose a winner. (All decisions by the panel are final and may not be challenged.)
6. The winner will be flown to New York for a performance of music by David Lang at the famed club Le Poisson Rouge, on Sunday, May 6, 2012. The winner will play wed and will also give the premiere of a new piece by Lang for piano 4-hands, to be premiered with pianist Andrew Zolinsky. The winner will receive free airfare, 2 nights hotel in New York, and a small honorarium.
7. The competition is not responsible for the arrangements of visas, work papers, entrance papers, or any immigration fees.
8. A complete list of rules is here: http://www.redpoppymusic.com/rules
Ein Video dazu ist hier zu finden.
Wie auch immer man diese Idee finden mag, clever ist sie, denn plötzlich spielen hunderte Pianisten freiwillig ein Stück von einem! Vielleicht eine Anregung für ähnliche Projekte in Deutschland?
Die Frage ist nur: Was macht die GEMA bei dieser enormen Menge von youtube-Videos eines zeitgenössischen Komponisten???
Moritz Eggert
Komponist
Interessante Idee! Ein Komponist castet via youtube global den besten Spieler seines Stücks. Und dann doch der anständige Preis mit guten Kostenübernahmen. Wäre es ein griechischer Wettbewerb müsste der Pianist wohl seine Klavier selbst mitbringen, da ihm nur der Hocker gestellt werden kann, ähnlich mancher merkwürdiger Kompositionswettbewerbe in jener Region, wo ein komplettes Stück abzuliefern ist und niemals gespielt werden wird, statt Geldpreisen erst einmal saftige Eintrittsgebühren zu entrichten sind…
Meilen-, äonenweit davon scheint Langs Konzept zu sein! Zudem nutzt die Netzöffentlichkeit selbst den nicht so Erfolgreichen. Man müsste das weiterdenken, auf Kompositionswettbewerbe ausdehnen, auch wenn das ein wenig schwierig erscheint, hinge dann an der Partitur noch eine Videoproduktion. Für leichtere Formate aber ein Weg, für besondere allemal, wie Komponisten singen ihre eigenen Lieder, wie es die Songwriter ja auch nicht zu selten machen. Ist es nicht so, dass der Sänger immer bekannter ist als der Autor? Wer ist dann eigentlich der Autor von Homers Sagen, wenn man ihn als Sänger definieren würde?!? Leider geht meine Bronchitis seit drei Wochen partout nicht weg…
Ich hätte die GEMA-Frage so nicht gestellt! Jetzt müssen wir in Deutschland wohl bei jenem Wettbewerb mit dem üblichen grottigen „Leider hat die Gema die Verlagsrechte…“-Banner Vorlieb nehmen. Aber vielleicht hat die GEMA, hat youtube vorläufig erstmal was Wichtigeres, Erträglicheres zu tun. So hätten wir mal wieder eine Galgenfrist. Das scheint wohl der Vorteil an Neuer Musik zu sein, die nicht von ihren poppigen Urhebern gesungen wird: sie interessiert nur Wenige und ist mangels Interesse der Bigs aus sich heraus subversiv – das ist doch eine nette Definition für Neue Musik im Web x.0 Zeitalter.
Gruß und toitoitoi den Wettbewerbsteilnehmern,
A. Strauch