Manfred Schubert (1937-2011)

Gestern – am Freitag, den 10. Juni 2011 – starb der Komponist, Dirigent und Musikkritiker Manfred Schubert im Alter von 74 Jahren in seiner Heimatstadt Berlin.

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Schubert studierte ab Mitte der 1950er Jahre zunächst Musikpädagogik und Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin, es drängte ihn aber bald, sich vermehrt der Komposition zu widmen – und so wurde er Meisterschüler bei Rudolf Wagner-Régeny an der Ost-Akademie der Künste in Berlin.

Ab Beginn der 1960er Jahre betätigte er sich dann auch als Musikkritiker bei der Berliner Zeitung und dirigierte die Staatskapelle Berlin. Um die Schwierigkeit der Personalunion von Musiker und Musikkritiker wusste er früh, so dass er sich bald ausschließlich der Komposition zuwandte und als Freischaffender mit Lehrauftrag an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ bis zuletzt in Berlin lebte.

Schubert war mir in vielerlei Hinsicht sympathisch. Und es gibt ein paar Dinge, die uns verbanden. Ich kannte den Namen, aber weder die Person noch die Musik von Manfred Schubert, als er Ende 2010 bei mir anrief. Ein zwar älterer, aber äußerst frisch wirkender Herr, höflich, witzig, kein bißchen jammernd. Er stellte sich mir ganz kurz vor, während ich schon im Internet spärliche Informationen über ihn recherchiert hatte. Beim Blick auf sein Geburtsjahr 1937 sagte ich spontan in den Hörer: „Uih, Respekt, was Sie jetzt nicht sehen können: Ich habe soeben in meinem Bürostuhl Haltung angenommen! Sie klingen überhaupt nicht nach 73 Jahren!“ Da musste er lachen – und kam gleich auch auf sein Anliegen zu sprechen. Er fragte nach Möglichkeiten eines Konzertes anlässlich seines 75. Geburtstages im April 2012. Ich sagte ihm zu, mich umzuschauen, inwiefern ich helfen könne.

Keiner der Ost-Kollegen, die ich nach Manfred Schubert fragte, verlor ein schlechtes Wort über ihn. Aber zu dem Zeitpunkt der Telefonate war die Zeit der Saisonplanung dann doch weit vorangeschritten – und ich gebe zu: Ich habe mich dann auch zu wenig drum gekümmert. Zeitmangel. Profan, aber wahr.

Ein kleines Paket, ich nehme an mit einem kleinen Anschreiben und CDs, liegt ungeöffnet in meinem Konzerthaus-Büro. Ich werde es erst am Dienstag öffnen können – und lebendige Zeilen eines nicht mehr lebenden Menschen in meinen Händen halten. Es tut mir leid.

Einige Wochen später telefonierte ich mit seiner sympathischen Frau. Ihr Mann sei gestürzt und befände sich im Krankenhaus. Ob ich das Anliegen – „Manfred Schubert zum 75.“ – weiter verfolgt hätte, fragte sie mich.

Dann brach der Kontakt ab. Wie ich heute früh erfuhr, war Schubert damals so schwer in seiner Wohnung über einen Stuhl gestürzt, dass er sich die Hüfte kompliziert gebrochen hatte. Im Krankenhaus kam es wohl zu einer Infektion und zu Lungenentzündungen.

Gestern, am Freitag, den 10. Juni ist Manfred Schubert gestorben.

Er kokketierte wohl gerne mit seinem musikgeschichtlich wohlklingenden Nachnamen – und erzählte mir von einem Liederzyklus mit dem Titel „Zweite Romantik“, der mich eigentlich noch viel gespannter hätte machen müssen.

So habe ich nie Musik von Manfred Schubert gehört, ihn nie persönlich kennen gelernt und auch nichts für ihn getan. Hinzu kommt, dass ich in diesem Moment versuche, einen Artikel zu schreiben, der wohl auf eine Weise „intim“ klingen mag. Dabei gebe ich bloß alles wieder, was ich von Manfred Schubert weiß. Wenig.

Zwei Kollegen von der Berliner Zeitung, für die ich – wie einst Manfred Schubert – bis zu meinem Jobwechsel im Oktober 2010 auch schrieb, wissen viel Intimeres und Genaueres zu berichten. In einem persönlichen, genauen, schönen Artikel für Manfred Schubert.

Dort heißt es, Schubert habe sich immer sehr viel Zeit gelassen für jede neue Komposition. Etwas, was mir noch mehr Respekt einflößt. Ich bange um jeden jungen und begabten Künstler, der in den Mühlen des Betriebes sich irgendwann nur noch wiederholt, weil er zu viel schreibt. Langsamkeit ist das beste, was einem passieren kann. Langsamkeit und Fleiß – und der unbedingte Wille, das zu machen, was man wirklich will, was man gut findet. Und was man – was im Grunde mit „Avantgarde“ nichts zu tun hat, sondern ganz natürlich ist, weil im Normalfall jeder Mensch anders tickt und so auch jede Kunst anders ticken müsse – so noch nie erlebt/gehört/gesehen hat.

Wer etwas über Manfred Schubert berichten mag, möge es hier gerne tun.

Manfred Schubert: Ruhe in Frieden.

Update 1: Soeben erreicht mich eine Email von Wolfgang Smitmans aus Bremen, der ebenfalls einen kurzen Nachruf verfasst hat. Vielen Dank, lieber Herr Smitmans.

  1. 06.11
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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.