leider mit verspätung

sciarrino mit dem stück für berufsnomaden: nach der „archäologie des telefons“, die sciarrino vor einigen jahren verfasste, hatte heute am nationaltheater mannheim die chronik der zugverspätung premiere: superflumina. streckenweise fühlte es sich leider auch an wie ein verspäteter zug. dann wieder zeigte sciarrino es uns, wie man die gratis gefressene kultur wieder gülden ausscheidet.

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i“wir nehmen uns an den aborten wie die bestien“ war nach allgemeinem befinden der poetischste satz des abends und alle haben ganz laut geklatscht. nur ich nicht, denn ich musste zum zug. denn der war pünktlich.

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Musikjournalist, Dramaturg

3 Antworten

  1. querstand sagt:

    Man sollte die Deutsche Bahn mal wieder deutlich ausschimpfen!! Früher gab es noch ordentliche Nachtzüge, so dass man kurz vor/kurz nach 0 Uhr noch den letzten Zug bekam. Jetzt rollen die meist um kurz vor 23 Uhr, wenn überhaupt, oder man muss bis vier Uhr fröstelnd überwintern. Kein Wunder, wenn der Geh‘-raus-Druck so stark zwickt, weil Musik auch mal dümpeln kann wie Sciarrino… Hätte man sich auf finstere Gestalten im Mitternachtszug freuen können, wäre es wohl erträglicher gewesen.

    Ein Beispiel des Nicht-Mehr-Wegkommens zu konzerttrunkener Stunde sind Frankfurt/M. und Stuttgart nach München. Aus Frankfurt konnte man um 0:30 den Nachtzug nehmen, unbequem dösen und kam um 6 Uhr an der Isar an. Später gab es kurz mal eine Verbindung, mit der man um 23 Uhr den letzten ICE bis Karlsruhe bekam, von dort immerhin den Orientexpress, ohne Halt in Stuttgart, mit unglaublichen Zuschlägen, der einen um 3:30 daheim ausspuckte. Aus Stuttgart kam man bis 2006/07 noch mit dem klassischen Orientexpress Paris-Wien von 0 Uhr bis 3:30 Uhr in München an, war als z.B. der Besuch von Lachenmanns „Mädchen“ oder Anderes kein Problem. Dann hielt der Zug nicht mehr in Stuttgart, fährt der letzte ICE um 22 Uhr herum ab. Auch ein billiger Salzburg-Planet-Rihm-Besuch geht nicht mehr im Holzklassenformat. Man zuckelte mit dem Bayernticket dorthin, stand sich bei Kren-Wienern und Neuer oder kulinarischer Musik die Beine auf dem Stehplatz in den Bauch, hetzte zum Bahnhof und kam um 23:30 mit dem Orientgegenzug, mit günstigem D-Zug-Zuschlag des Bayerntickets schneller heim als hin. Jetzt geht die letzte Bahn kurz nach 21 Uhr – wo soll man im festspielteuren Salzburg schlafen bzw. bis 4 Uhr überbrücken? Also, man sieht, nicht nur tagsüber ist die Bahn als S-Bahn für Malheure schuldig, auch nachts versagt sie den einstmal gewohnt sicheren Dienst, hat das Warten nach Konzerten bis 3/4 Uhr wirklich nichts romantisches, wenn man nicht ordentlich sein Geld in Übernachtung oder Gastronomie stopfen will, um dann halb betrunken am Bahnhof erst recht einzunicken, wenn selbst der 4 Uhr-Zug Verspätung hat und man von der Security ruppig geweckt wird, im besten Fall an die Bahnhofsmission verwiesen wird. Seitdem buche ich immer ein Zimmer, komme schon 4 Stunden vor Vorstellung, einen Tag danach frei zu nehmen, zahle insgesamt knapp das vierfache. Das ärgert mich dann bei überflüssigen Aufführungen dann genauso wie den Zug unter Druck doch noch zu erreichen…

    Gruß und Mitleid,
    A. Strauch

  2. Bekehrter sagt:

    Kann ich mir also nichtmal was auf den ersten Opernabend meines Lebens einbilden?

    Darauf nämlich, nicht nur die einschüchternd gut gekleideten Leute ertragen zu haben, die sich überhaupt nicht für die Aufführung zu interessieren schienen, sondern sich danach auch noch ausgiebig im Städtele mit den bei Vorstellungsende schon hochgeklappten Bürgersteigen herumzutreiben, bis um fünf wieder ein Zug nach Jottwehdeh ging?

    Wenn man dann davon weiß, wie – ja, auch in der jetzt in Rede stehenden Relation – vor ein paar Jahren der Lumpensammler gegen 23 statt schon kurz nach 21 Uhr fuhr, dann nervt es doch, so wunderschön es im Wonnemonat auch ist, die Tummelplätze der Touristen mal ganz für sich allein zu haben.

    Man könnte es glatt als Grund nehmen, von Wiederholungstaten abzusehen. Aber wenn man damit also mitnichten ein tragisches Einzelschicksal ist …

    Danke, Gruß und ebenso Mitleid.

  3. peh sagt:

    Lieber Bekehrter,

    Gratulation zum ersten Opernbesuch. Manche Dinge werden durch Wiederholung nur besser! Also bitte noch nicht aufgeben. Ich finde es auch großartig, dass Sie sich Sciarrino als Auftakt gesucht haben. Wenn man anfangen will, gibt es zwei Möglichkeiten: Von hinten anfangen oder von vorne. Wenn man von vorne anfängt – so wie sie – dann hat man das Glück, dass man auch schon bei einer, sagen wir Verdi-Oper, eine Ahnung hat, wo es hingeht!

    Also: Ja, sie können sich etwas einbilden und sie können sich vor allem sagen, dass sie bei einem einmaligen Ereignis dabei waren: der Welturaufführung einer Oper von Salvatore Sciarrino, dafür sind viele Menschen von weither angereist.

    Von Mannheim kommt man übrigens auch nachts um halb drei noch ganz gut weg. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Dass man manchmal gern seine Ruhe hätte, kann ich verstehen, aber dass premierenfeiernde Menschen sie vom nächsten Opernbesuch abbringen, das wäre doch zu schade. Meine Empfehlung. Das nächste Mal mitfeiern. Denn ich hoffe, ich habe sie nicht von ihrem festen Entschluss trotz dieser eingeschüchtert gut gekleideten Menschen – waren wir bei der selben Veranstaltung? – das nächste Mal wieder hin zu gehen.