Klimarettung in Sao Paulo Teil 3: Rinderwahnsinn!
In Brasilien sind sogenannte „brasilianische Barbecue“-Restaurants sehr beliebt. Die Idee ist simpel: man setzt sich an einen Tisch, bekommt einen Teller und kann sich so viel man will von einem reichhaltigen Buffet nehmen. Auf dem Tisch hat man eine kleine Scheibe – diese kann man auf zwei Seiten drehen: Rot heißt „Nein Danke“, Grün allerdings heißt, dass alle 2 Minuten ein Herr vorbeikommt und einem einen gigantischen und triefenden Fleischsspieß über den Teller hält. Auf diesem Spieß kann sich alles mögliche befinden: Nackenfleisch, Bauchfleisch, Roastbeef, gigantische Würste die sich um den Spieß kringeln, aber auch zum Beispiel 20 Hühnerherzen, eine besonders beliebte Delikatesse. Der Kellner schneidet einem dann ein großzügiges Stück ab, das man mittels einer kleinen Zange vom Spieß ablöst.
Natürlich sind diese Restaurants bei unserer Produktion sehr beliebt, was in gewisser Weise pikant ist: denn was haben wir in den zwei Wochen ZKM Karlsruhe durch die metikulöse Recherche von Peter Weibel gelernt? Ein Stück Rindfleisch zu essen belastet die Umwelt durch Abholzung des Regenwaldes so, als ob man von München nach Frankfurt fliegt. Denn irgendwo müssen die ganzen brasilianischen Rinder ja grasen! Sie brauchen Platz, PLATZ! Brasilianer interessieren sich nicht sehr für Kalbsfleisch – gut gewachsen, riesig und fett muß das möglichst erwachsene Rind sein, das heißt es hat jahrelang unschuldigen Indianern den Lebensraum weggegrast!
Wenn also unsere Produktion einmal nach den Proben essen geht und ganze Berge von Fleisch verspeist, dann ergibt das mindestens 20 gefüllte Jumbojet-Flüge von München nach Neuseeland.
Das wäre der vielbeschworene „Rinderwahnsinn“ (eine Stelle, die inzwischen leider im ZKM-Teil gestrichen wurde), wenn es nicht einen anderen brasilianischen Brauch gäbe, der dem vielen Nachdenken entgegenwirkt: In Brasilien bestellt man Caipirinha (hier mit weißem Zucker und besserem Cachaca zubereitet) zu quasi allem, auch zu anderen Getränken. Das brasilianische Herrengedeck ist also eine Flasche dunkles Bier plus ein Caipirinha. Das vertreibt schlechtes Gewissen und sieht dann so aus:
Sao Paulo ist eine Stadt des Graffitis: Quasi jede Hauswand ist verziert, wobei eine seltsame Geheimsprache Code bestimmter Sprayerbanden zu sein scheint, zumindest tauchen gewisse unleserliche Zeichen an den unmöglichsten Stellen auf, zum Teil dort, wo man nur unter Lebensgefahr hingelangt.
Das gute alte Goethe-Institut in Sao Paulo liegt an einer seltsamen Verkehrsecke, die zu den gefährlichsten Fußgängerübergängen in ganz Sao Paulo gehört: Subaré. Praktischerweise ist ein großer Friedhof direkt nebenan – das macht Sinn, denn der brasilianische Autofahrer besitzt einen Reflex, der ihn beim Anblick von Fußgängern die vor ihm die Straße überqueren das Gaspedal noch fester herunterdrücken lässt.
Das Goethe-Institut hat das Problem des Graffitis wie viele andere Häuser in Sao Paulo gelöst: Man hat einfach Graffiti-Künstler beauftragt, das Gebäude zu schmücken, siehe hier. Für manchen Fußgängerbei Subaré ist dieses Mural das Letzte, was er in seinem Leben sieht:
Der ZKM-Teil („Klimakonferenz“) wurde ja in Deutschland bei der UA wenig überraschend in Deutsch präsentiert, d.h. die Portugiesein Mafalda sowie auch der von mir dargestellte Yanomami-Schamane sprachen selbstredend Deutsch für deutsches Publikum. In Brasilien stellt sich nun das Problem der Übersetzung – dies wird nun mittels zweier Schauspieler gelöst, die jeweils zwei unserer vier Rollen übernehmen und simultan übersetzen, ungefähr so, wie es in Polen mit ausländischen Spielfilmen gemacht wird, d.h. man redet im Original UND in der Übersetzung gleichzeitig. Dies hat nun die skurrile Folge, dass Mafalda auf deutsch reden muß, während jemand in ihrer Muttersprache gleichzeitig den selben Text redet. Und ich als Yanomami-Schamane habe anscheinend nur deutsche Einwanderer bei meinen Reisen aus dem Regenwald kennengelernt, und muß daher von Brasilianern übersetzt werden. Das ist insofern gar nicht so unrealistisch, da man in Sao Paulo so gut wie nichts über den Regenwald weiß (Manaos ist 5000 Kilometer entfernt, Schlingensief ca. 18000 Kilometer). Vielleicht auch deswegen sind alle unsere Vorstellungen ausverkauft – es herrscht Wissensbedarf!
Dieses Bild hängt draußen, in der Vorhalle vom „Teatro“ im SESC Pompeia, neben einer Installation in der es unter anderem um abfotografiertes Essen geht. Man fragt sich, was da so WIRKLICH alles auf den Fleischspießen in diesen Restaurants drauf ist:
Morgen: öffentliche Generalprobe in Sao Paulo!
Moritz Eggert
Komponist