Dosenschlagen in New York, Teil 4: Men at Work
David Lang wohnt mit seiner Frau und 3 Kindern in einem Loft in SoHo. Ohne Aufzug geht es über endlose Treppen nach oben, dort betritt man dann ein kleines New Yorker Wunderland, das seine Architektin in eine Art Wohnhöhle umgewandelt hat. Aus relativ wenig Platz wurde hier das meiste gemacht: David Langs Komponierstube ist eine Zuflucht über dem Wohnzimmer und nur über eine Leiter zu erreichen, winzig und ohne Fenster. Jede Musik die dort entsteht, muss extrem kompakt sein, denke ich, sie darf nicht ausufern.
David Lang macht etwas sehr seltenes: er kocht. Ich habe ihn überzeugt, dass mir jetzt weder nach mexikanischem, chinesischem oder amerikanischem Delivery-Food ist und die frischen Ravioli im Kühlschrank doch wesentlich leckerer sind.
Er erzählt von seinem veränderten Leben nach dem Pulitzer-Preis, der in den USA ungefähr die Bedeutung des Siemens-Preises hat. „Ich habe vorher mehrere Bewerbungen um eine Professur an verschiedene Universitäten geschickt und man hat mir noch nicht einmal geantwortet.“ erzählt er. „Einen Tag nach der Preisverkündigung bekam ich sofort zwei Anrufe mit Jobangeboten. Jetzt bin ich an diesen Unis, weiß aber, dass meine Komponistenkollegen dort meinen Ruf verhindern wollten, mich jetzt aber freundlich im Gang grüßen müssen, da ihr Chef sie gezwungen hat, mich einzustellen.“
Wir essen die – sehr leckeren – Ravioli und trinken Rotwein dazu.
„Vor ein paar Jahren bekam ich einen Anruf aus Italien: Fausto Moroni (der Lebensgefährte Hans Werner Henzes) rief mich höchst besorgt an und sagte ‚Hans stirbt, Du musst sofort kommen’. Ich flog nach Rom und wurde Zeuge einer ausführlichen Abschiedszeremonie, bei der alle Freunde von Henze weltweit herbeigerufen einer nach dem anderen zu seinem Krankenlager gerufen wurden, um sich von ihm zu verabschieden.“
„Und, wie war es?“
„Als ich dran kam bat mich Henze als allererstes um ein Glas Rotwein. Dann sagte er mir, dass ihm eigentlich nur das erste Stück gefallen hat, das ich für ihn geschrieben hatte. Danach fragte er mich, wie es in New York so geht. Schließlich war ich entlassen. Fausto fuhr mich zurück zum Flughafen, dabei fuhr er am Friedhof vorbei und zeigte mir das zukünftige Grab für Henze, ein sorgfältig ausgesuchter Platz. Er weinte. Es war wie in einem dieser italienischen Filme. Ein paar Monate später bekam ich eine Email: Henze wohlauf, Fausto ist tot.“
Michael Gordon und Julia Wolfe kommen mit ihren Kindern vorbei – sie wohnen nur ein paar Blocks weiter. Julia Wolfe redet sehr leise und schnell, Michael Gordon ist eher ruhig und sagt wenig. Ich frage die drei, wie es ihnen gelänge, so viele Werke einheitlich zu dritt zu komponieren, ohne sich dabei zu streiten (so wie das bei Bang on a Can aufgeführte „Shelter“, das in diesen Tagen auch für Cantaloupe Records aufgenommen wird). Sie meinen, dass es einen eigentlich entlasten würde, sich nur um einen kleineren Teil des Ganzen zu kümmern, man wäre dann wie ein Handwerker, der seine Aufgabe erfüllt. Es mache Spaß. Nur einmal, da hätte es nicht funktioniert, da hätten sie sich entschieden, jeweils die Musik wie Stille Post herumzuschicken und an der aktuellen Stelle weiter zu schreiben: „Als wir das taten dachte jeder: Ach, mir ist nichts eingefallen, aber die anderen beiden werden es schon richten. Das war dann nicht so gut.“
Tatsächlich haben sie auch in Zukunft vor, gemeinsame Projekte zu machen. Man merkt, dass es sich hier um alte Freunde handelt, man ist im Umgang sehr entspannt, niemand muss sich hier beweisen oder in den Vordergrund drängen. Es ist wirklich eine erfreuliche Harmonie zwischen den dreien. Schließlich reden wir noch ein bisschen über „Banglewood“, eine Art Sommerkurs für junge Komponisten, den Bang on a Can ins Leben gerufen hat, als eine Art Gegenveranstaltung zum etwas konservativen Tanglewood. Dann müssen Julia und Michael auch schon wieder los, sie sind mitten in Renovierungsarbeiten zuhause.
Es dauert 3 Stunden bis ich wieder in Brighton Beach bin – die Hälfte der U-Bahn ist lahm gelegt. Drei Bauarbeiter versiegeln die Hälfte des Bahnsteiges mit einem gelben Band „Do Not Cross“. Dann beginnen sie zu arbeiten, sehr effizient, emsig, mit eleganten, einstudierten Bewegungen. Sie werden nicht die ganze Nacht brauchen.
Moritz Eggert
Komponist
jetzt bin ich aber schon hochgespannt auf den besuch bei matthias pintscher. (und dessen henze-farewell-story.)