Äpfel und Birnen (Abenteuer im ZKM, Teil 3)

Textproben.
Textproben.
Und noch einmal Textproben.

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Nachdem wir in einem heroischen Akt gestern den Text der „Konferenz“ auf die Hälfte zusammen gekürzt haben, müssen wir ihn heute lernen. Gottseidank scheint die Sonne, gottseidank können wir bei offener Tür proben. Stundenlang sprechen wir uns gegenseitig Texte vor, die voller Details über Brandrodung, Viehbarone, CO2-Ausstoss und den „Photoanalysezyklus“ (Peter Weibel) stecken, die sich wahnsinnig schwer lernen lassen. Unsere portugiesische Sängerin Mafalda will schier verzweifeln, denn sie muss die „Wissenschaftlerin“ spielen, die den meisten Fachjargon aufsagen muss. Immerhin gibt es einen Rednerpult, an dem man Texte geschickt as Spickzettel platzieren kann.
Ich muss ab und zu als Schamane geheimnisvoll dazwischentreten und Sätze sagen wie: „Der Sonnengott Mothokari wird euch alle den Arsch verbrennen, solltet ihr es wagen, noch mehr Wald abzuholzen“. Oder so ähnlich.
So langsam kann ich mich mit der „indigenen Bevölkerung“ des Amazonas identifizieren – da stehen welche und reden und reden, eigentlich wäre aber alles so einfach. Wald abholzen: schlecht, Wald erhalten gut.
Mehr will unser Stück eigentlich auch nicht sagen.

Peter Weibel wird wieder mehrfach angekündigt, aber er kommt nicht. Nur der „Verrückte vom ZKM“, ein skurriler Kauz der ständig mit einem unnachahmlichen Gang durch die Gänge schlurft, aber eigentlich im Park vor dem Gebäude mit ein paar Plastiktüten lebt, ist Zeuge unserer Probe. Am ersten Tag hat der mich mit den Worten: „Schau mich nicht so an, ich bin ja nicht Deine Mutter“ begrüsst, was ich irgendwie beeindruckend fand. Ich dachte nämlich, er sei Phil Minton, und das wäre schon ein ziemlich cooler Spruch für Phil Minton gewesen.

Nachmittags sind wir wieder im Medientheater: es soll wieder mal am Tisch geprobt werden. Der Tisch ist nun etwas weiterentwickelt worden und hat jetzt eine Glasoberfläche wie ein iphone. Ein namenloser Schlagzeuger ist bestellt, kommt 20 Minuten zu spät, wird von niemandem vorgestellt und packt schamanische Percussion aus, die er auf dem Tisch ausprobiert.
Es klingt genau so wie wenn man schamanische Percussion auf einem Tisch ausprobiert, dazu braucht man vielleicht keinen iphone-Tisch.

Der Höhepunkt der Performance ist das rituelle Herumrollen eines Rasselapfels und einer Rasselbanane, zu sehen hier in diesem Video, click it an

Danach verschwindet der namenlose Percussionist wieder.
„Das haben wir jetzt eigentlich für Dich gemacht, Moritz, denn Du sollst ja auch so trommeln!“
Aha.

Dann: wieder Textprobe. Zum xten Mal gehen wir durch den Text , während unser Theatererfahrenster, Jochen, Regiehinweise gibt.

die geballte Leidenschaft einer Amazonasprojekt-Textprobe

die geballte Leidenschaft einer Amazonasprojekt-Textprobe

Plötzlich eine Sensation: Die Tür geht auf, herein kommt….PETER WEIBEL!

Vor Schreck vergessen wir erst einmal den Text. Weibel erweist sich aber als bestens aufgelegt: „Also, also, diesen Text, nicht, den Text, nicht wahr, den kürzen wir einfach noch ein bißchen“.
Weibel scheint zufrieden mit dem Ergebnis unserer Probe, es macht ihm sichtlich Spaß, dass alles langsam konkret wird.
„Anstrengend ist es schon“ sagt Mafalda.

Die anderen gehen, ich bleibe noch ein bißchen.
Ich muss Schumannlieder üben.

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