Krasse Wettbewerbe, Teil 2

Wir hatten auf diesen Seiten ja schon ein paar der unverschämtesten Musikwettbewerbe vorgestellt, nun hat mich Kollege Sandeep Bhagwati (momentan Professor in Montréal) auf einen kanadischen Wettbewerb aufmerksam gemacht, der in jeder Beziehung den Vogel abschiesst.
Nein, ich meine nicht die Winterolympiade, sondern die „2010 Performing Ensemble Competition“. Ausnahmsweise werden hier nicht Komponisten ausgenutzt, sondern ein Komponist dreht den Spieß um….und nutzt Interpreten aus! (ja, auch das gibt’s).

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Schaut euch das mal an:

2010 Performing Ensemble Competition

Fassen wir zusammen:

1) Einziger Juror des Wettbewerbs ist der auch in Kanada nicht wirklich bekannte Dennis BathoryKitsz, dessen Namen einem keiner glauben würde, benützte man ihn in einem Roman. Ein Komponist, der schon „über 1000 Werke verfasst hat“ (also mehr als Mozart und Wolfgang Rihm zusammen) und dessen Stück „We are all Mozart“ ihm schon „100 Folgeaufträge“ eingebracht hat. Ja mei, da schau her!

2) Obwohl für eine Teilnahme der unanständige Preis von 75 CAN$ verlangt wird, behält sich der Juror, Organisator und einzige Komponist des Wettbewerbes vor, den Wettbewerb nicht stattfinden zu lassen, sollten sich nicht für jede der 3 Kategorien mindestens 15 Ensembles einfinden. Eine „Geld zurück“ – Garantie gibt es hierbei nicht. Gerade bei der Kategorie „Interpreten über 35 Jahre“ wird es hier schon schwierig werden, 45 Doofe zu finden (mindestens 3 Musiker pro Ensemble). Auch wird es in einem nicht unbedingt dicht bevölkerten Land wie Kanada schwierig werden, 45 Ensembles (15 pro Kategorie) zu finden, die sich neuer Musik verschrieben haben UND Zeit haben, bei diesem Mist mitzumachen.

3) Nicht nur dass man aufwändige Aufnahmen „von Stücken lebender Komponisten“ (immerhin) einreichen muss, man muss auch seinen Terminkalender bis Juni 2011 freihalten, um eventuell für das Preiskonzert zur Verfügung zu stehen. Dieses Preiskonzert beinhaltet nicht etwa irgendeinen bedeutenden tollen Auftritt (der bescheidene Geldpreis von 1.000,- CAN$ ist nun wirklich nicht sehr viel – wie diese Summe sich „von selber“ finanziert, ist natürlich an den Anmeldegebühren abzulesen) oder eine anderweitige Entschädigung, sondern….

4) …die zweifelhafte Ehre, ein Stück von Graf Bathory-Kitsch uraufführen zu dürfen!
Das ist es! Sonst nichts! Man bekommt dafür noch eine Aufnahme, und obwohl man natürlich Anreise (zu einem kleinen Scheisskaff in Kanada) und dortige Unterbringung (wahrscheinlich in einer Scheune) selber besorgen muss, darf man die Aufnahme von Arsch Bathorys Meisterwerk dann auch „auf keinen Fall kommerziell verwenden“, wo kämen wir denn da hin! Großzügig bietet Fürst Bathory aber an, die Interpreten mit selbst gesammelten Hühnereiern von „befreundeten Farmen“ zu verpflegen.

Stellen wir uns also vor, ein Streichquartett aus Montréal möchte bei diesem Scheiss tatsächlich mitmachen. Zuerst einmal bezahlen sie 300$ um teilzunehmen, hinzu kommen ca. 100-200$, um eine Aufnahme zu produzieren (das wäre schon sehr billig), dutzende von Kopien für die Anmeldung zu machen, von der verschwendeten Zeit mal ganz abgesehen. Dann setzen sie sich in ein Auto, um die lange Reise nach Bathoryhausen zu unternehmen, das dauert schon mal einen Tag und kostet mindestens 100$ Benzin. Dann müssen sie dort ein „Hotel“ finden, um dort mehrere Tage in der Pampa auszuharren – und schon sind die potentiellen 1000$ Preisgeld verbraucht! Das Konzert muss man dann quasi umsonst machen, natürlich hat man sich auch noch den Zeitraum für ein unbestimmtes Preiskonzertdatum freigehalten, und daher eventuell noch zusätzlich Geld verbraucht. Und ja, die Anreise, Unterbringung und Verpflegung muss man dann ganz sicher auch nochmal zahlen.

Also, mir sind schon viele Wettbewerbe untergekommen, aber dieser ist schon eine besonders außergewöhnliche Unverschämtheit. Leider hat sich meine erste Vermutung hier handelte es sich eventuell um eine Verarsche nicht bestätigt. Es handelt sich leider nur um einen profilneurotischen Wahnsinnigen, der auf diese Weise seine Musik unter die Leute bringen will.

Zum Beweis: hier das „Werkverzeichnis“ von Herrn Bathory:

Und wenn ihr verstehen wollt, wie dieser Herr 1000 Stücke schreiben konnte, dann hört euch dieses Meisterwerk an, mit Namen „Etüde“:


Graf Bathory-Kitsch: Etüde

Versteht ihr’s jetzt?

Einen schönen Sonntag wünscht euch Euer

Bad Boy

Moritz Eggert

Bathorys Scheune (in echt!)

Bathorys Scheune (in echt!)

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8 Antworten

  1. Erich Hermann sagt:

    Lieber Moritz Eggert,

    anscheinend haben Sie doch einen kleinen Hinweis von Herrn Bathory-Kitsz auf seiner Webseite übersehen,der nahelegt, daß das ganze doch eher eine Verarsche ist, nämlich diese
    Forumsdiskussion.
    Die Statements von Herrn Kitsz dort lassen darauf schließen, daß er den Spieß (ganz im Sinne des Bad Blogs) einmal herumdrehen und von den Ensembles unverschämte Vorleistungen für die Aufführung eines seiner Stücke fordern wollte.
    Daß er im Übrigen ein Spinner ist und fürchterliche Musik komponiert,ist eine andere Sache.
    Herzliche Grüße
    E. Hermann

  2. Benjamin Schweitzer sagt:

    Moritz, da bist du wohl auf einen hoax reingefallen…

    Die Diskussionen in dem Forum sind interessant, es lohnt sich auch, die vielen Querverweise zu anderen nordamerikanischen Neue-Musik-Blogs nachzulesen.

  3. eggy sagt:

    Na, was ich nicht alles mache, um euch wieder zum Kommentieren zu bewegen :-)

    Aber um einen Hoax, handelt es sich doch nicht wirklich, Benjamin. Erstens ist das Werkverzeichnis, die schreckliche Musik und auch das ästhetische Ziel von Herrn Bathory ziemlich humor-bzw. hoaxfrei. Wenn man die Kommentare unter dem freundlicherweise oben von „transkriptor“ genannten Link wirklich genau liest, stellt man zwar fest, dass die anderen das ziemlich lustig finden, Bathory es aber durchaus ernst meint. Er will halt den Spiess umdrehen, nach frustrierenden Erfahrungen mit Ensembles, aber so ironisch ist das nicht gemeint. Das widerspricht also der Definition von „Hoax“.

    Allerdings wirft die dortige Diskussion um z.B. die Praktiken des ja sehr anerkannten „Eigth Blackbird“ – Ensembles und ihre „Commissions“ schon eine sehr interessante Frage auf, inwieweit Komponisten nämlich schon längst ständig auf solche Wettbewerbe hereinfallen, die genau diese Bedingungen haben, nur umgekehrt (also Ensembles, die Wettbewerbe für Komponisten ausschreiben)! Und da kann man den Zorn des Herrn Bathory tatsächlich ein bißchen besser verstehen.

    Außerdem fällt auf, dass hier die amerikanisch-kanadischen Kollegen in einem durchweg respektvollen Umgangston miteinander kommunizieren – Vorbildcharakter?

  4. Benjamin Schweitzer sagt:

    Naja, ob man das nun einen Hoax nennt oder nicht, ist ungefähr so wie die Frage „Hattrick“ oder „lupenreiner Hattrick“.

    Wenn man darunter eine im Internet verbreitete teilweise oder komplett erfundene Meldung versteht, die in Anlehnung an bekannte und real existierende Situationen (Spendenaufrufe, Virenwarnungen) das Ziel hat, empörte/mitleidige Reaktionen von Leuten zu provozieren, die die Meldung ernst genommen haben, dann ist das einer, wenngleich mit einer für Hoaxes unüblich eng umgrenzten Zielgruppe. Egal, geschenkt.

    Mit den Stücken von Herrn Bathory hab ich mich jetzt nicht groß beschäftigt, scheint halt mehr so dahingeworfene Musik zu sein – ich glaube, jenseits des Atlantiks gibt es eine Menge von Komponisten, die so arbeiten. Die Berührungsängste zu Kitsch und Trash sind da wohl nicht so ausgeprägt. Eigentlich müßtest du das im Grunde doch sympathisch finden, wo du ja selber die erdenschwer-hyperkomplexen, in jahrelanger Arbeit der Hölle abgerungenen Produkte der mitteleuropäischen Avantgarde bisweilen recht kernig auf die Schippe nimmst.
    Die Fotos von seinen Eigenbau-Instrumenten sehen jedenfalls lustig aus, v.a. das „crotales-Spiel“ aus CDs.

    Der gepflegte Umgangston ist mir auch aufgefallen, zumal inhaltlich ja durchaus kontovers diskutiert wird (fehlen dir die Schlammschlachten hier schon?).
    Erstaunlich ist, daß solche Konditionen, die man sonst eher von Wettbewerben aus dem Sektor „toskanischer Fluch“ (oder von wenig etablierten amerikanischen Veranstaltern) kennt, von einem so renommierten Ensemble ausgeschrieben werden. Das wäre wohl in etwa so, als würde das Ensemble Recherche eine Ausschreibung veranstalten, bei der man 30 Euro Gebühr zahlt und man einen einzigen mit ca. 750 Euro dotierten Preis gewinnen kann. Allerdings muß man dazu sagen, daß es eine Reisekostenpauschale gibt (plus Aufführung und Doku-Mitschnitt, wenngleich mit nur einem (!) Tag Proben).
    Nicht minder erstaunlich ist die Naivität, die aus der Reaktion des Ensemblemanagers spricht, der das auch noch für sehr großzügig hält und sich offensichtlich überhaupt nicht mit Konditionen vergleichbarer Ausschreibungen befaßt hat (oder nur solche zum Vergleich herangezogen hat, die noch schlechter sind – das gibt es ja in den USA serienweise).

    Andererseits – als ehemaliger Leiter eines Ensembles kann ich schon verstehen, daß man es sich irgendwann nicht mehr antun mag, die ständig eingehenden Partituren und CDs neben der eigentlichen (auch schon unterbezahlten) Organisationsarbeit für lau zu sichten, zu archivieren und den Komponisten auf ihre (oft auch noch unverschämten) drängenden Rückfragen höflich und eingehend zu antworten. Es ist eben das deutliche Mißverhältnis zwischen Teilnahmegebühr und Preisgeld, über das sich die Kollegen so ärgern – und die Tatsache, daß ein etabliertes Ensemble, gewollt oder unbewußt, seinen Ruf nutzt, um den Komponisten eine Möhre hinzuhalten, hinter der sie dann herlaufen sollen.

    Wenn man sich allerdings anschaut, was Interpreten oft investieren, um an Wettbewerben teilzunehmen, oder was Komponisten für Geld ausgeben, um z.B. bei einem bekannten Festival oder Ferienkurs einmal auch nur in den Dunstkreis bekannter Profs, Ensembles oder Veranstalter zu kommen, sind 50 Dollar bei einer Chance von vielleicht 1:200 auf einen Preis gar nicht so schlecht. Außerdem besteht ja auch die Chance, daß das Ensemble einige der nicht-prämierten Komponisten dennoch für interessant genug hält, um mal was von ihm zu spielen. Zumindest macht es den Unterschied zwischen einer „unverlangten“ Einsendung und einer „erwünschten“ Einsendung aus. Auch wenn man sich das „Erwünscht-Sein“ mit 50 Dollar erkauft, steht die Ausschreibung jedenfalls allen offen, die diese 50 Dollar übrig haben oder investieren wollen. (Zu dem Thema bin ich über einen der Querverweise auf einen wie ich finde wichtigen Beitrag gestoßen: http://createquity.com/2009/06/on-arts-and-sustainability.html)

    Ob 50 Dollar an sich viel oder wenig Geld sind, darüber gehen die Meinungen logischerweise auseinander. Das kann ein Jahresverdienst eines Dritte-Welt-Bewohners sein, ein Wochenendeinkauf für eine Kleinfamilie, ein einziger Takt, von einem sogenannten Spitzendirigenten geschlagen, oder ein Wimpernschlag eines Bankmanagers.

  5. Erik Janson sagt:

    Wahrscheinlich KEIN Hoax ist die
    Erdbeben-ZEITMASCHINE:

    Echt krass!
    Jetzt wird alles noch schneller, pro Tag ein paar
    Millisekunden weniger Zeit zum Komponieren…

    Wer fragt da noch nach Kompositionspreisen?

  6. Erik Janson sagt:

    Sorry, es wird doch nicht so dramatisch:

    Es heißt in dem Bericht nur, dass:

    dass die Tage künftig um 1,26 Mikrosekunden kürzer sind, da die Erdumdrehung beschleunigt wurde. Eine Mikrosekunde entspricht dem millionsten Teil einer Sekunde.

    Also: eine Herausforderung z.B. an Kreidler
    für ein ultimativ kurzes, nicht mehr wahrnehmbares
    MikroSEKUNDEN-Sample. Ob man solch kurze Zeit-Schnipsel überhaupt noch (bzw. jemals) erstellen kann?

    Vielleicht mit Elektronenmikroskop komponieren bzw.
    vor den Laptop setzen…

    „Erdachs-rUCK…Reset“ WÄRE MEIN Titelvorschlag.

    Copyright, Idee, samt Titel könnt Ihr gerne von mir haben, das gebe ich hier gerne frei.

  1. 1. April 2010

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