Vom E-Komponisten zum Staatspräsidenten: Ivo Josipovic

Seltsam, aber so steht es geschrieben:

Werbung

Ivo Josipovic (links) im Gespräch mit irgendeinem ganz duften Typen (rechts), wahrscheinlich bei der Biennale Zagreb

Ivo Josipovic (links) im Gespräch mit irgendeinem ganz duften Typen (rechts), wahrscheinlich bei der Biennale Zagreb

Soeben wurde der E-Komponist und Jurist Ivo Josipovic zum Staatspräsidenten Kroatiens gewählt, hier ein paar Artikel von vielen:

Financial Times Deutschland
Die Zeit
Die Presse

Ivo Josipovic ist nicht der erste bekannte Musiker, der zu so einem Amt kam, diese Ehre gebührt unter anderem dem großen Jan Paderewski Anfang des letzten Jahrhunderts (polnischer Ministerpräsident und Außenminister).

Ungewöhnlich ist aber Josipovics Werdegang – ähnlich wie Peter Ruzicka nämlich fühlte er sich lange Jahre zwischen Musik- und Jurastudium hin-und hergerissen, ähnlich wie Ruzicka ist er auch einer Biennale verbunden, nämlich der Muzicki Biennale Zagreb, dem wichtigsten internationalen Festival für zeitgenössische Musik in Kroatien, die er lange Jahre leitete. In den letzten Jahren hat er sich wohl (aus Frust über den Zustand der Neuen Musik?) wieder mehr der Politik zugewandt und konnte nun als als zwar langweilig dafür aber integer empfundener (auch dies wird Ruzicka gerne nachgesagt) Überraschungskandidat die Wahl für sich entscheiden. Und ähnlich wie Ruzicka ist er auch als Komponist sehr „intellektueller“ E-Musik bekannt, also eben nicht als Film- oder Schlagerkomponist (als diese Begriffe benutze ich jetzt hier mal ohne jegliche Wertung).

Mit Josipovic verbindet mich sogar eine kleine persönliche Geschichte – bei der zweiten Münchener Biennale (bei der meine Puppenoper „Paul und Virginie“ zur Aufführung kam, vor vielen, vielen Jahren) waren Leute seines Biennale-Teams in München und es gab den Versuch, einen Kontakt von mir zu ihm herzustellen (aus dem dann letztlich nichts wurde). Immerhin habe ich ihm damals ein paar Partituren geschickt, habe also sogar noch seine Adresse, kennengelernt habe ich ihn aber natürlich nicht.

Also Leute, wenn’s nix wird in der Neuen Musik, einfach ran an die Politik, immer wieder geschieht dies mit Erfolg! Claus-Steffen Mahnkopf äußerte mir gegenüber mal den Wunsch, aus Zorn über die Deutsche Kulturpolitik in den Bundestag zu gehen – warum nicht? Andrew Russo, Pianist des etablierten amerikanischen „Downtown“-Trios real quiet kandidiert gerade als Republikaner (!) für den New Yorker Senat, wo er sich unter anderem gegen die Schwulenehe einsetzt. Ob seine Wähler wissen, dass er sich auch für die durchaus radikale Musik des Komponisten David Lang stark macht, in Stücken mit Titeln wie  „pierced“ und „Heroin“?

Seltsam sind die Wege der Neuen Musik.
Und wenn gar nichts mehr hilft – nach den nun von Josipovic vorgegebenen Weg wird Peter Ruzicka spätestens bei der nächsten Bundeskanzlerwahl als Überraschungskandidat der SPD (dort gäb’s Vakanzen) die Wahl gewinnen und fortan Deutschland regieren.

Irgendwie zuzutrauen wär’s ihm ja,

Euer
Moritz Eggert

Liste(n) auswählen:
Unsere Newsletter informieren Sie über Neuigkeiten im Badblog Of Musick. Informationen zum Anmeldeverfahren, Versanddienstleister, statistischer Auswertung und Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzbestimmungen.

3 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    @ Moritz,@ all,

    vielen Dank für den spannenden Beitrag.

    Tja, vielleicht müssen ja künftig noch mehr Komponisten,
    Neue Musik-Schaffende in der Politik Karriere machen, damit verhindert wird, dass die Neue Musik nach 2010/11 – also im „verflixten Jahr“ POST FINANZWELT-KOLLAPS
    (der Finanzwelt geht es ja wieder prächtig…).

    In Brandenburg fängt es ja schon an, die drohende nun wohl am Beginn des Durchschlagens stehende Kaputt-Sparwelle: da haben die Festivals schon erste Bescheide bekommen, dass die Förderzusagen für Sommer 2010 vertagt werden… Da kann momentan kaum was verlässlich weiter geplant werden.

    Vielleicht sollten wir alle in die Politik/ Kulturpolitik gehen, falls dann dieses Jahr (oder ab 2011) die Politik unsere Appelle, bitte nicht alles an Vielfalt kaputt zu sparen, nicht erhört… ich weiß es nicht …# :-)

    Insofern: Also DOCH [Q – Revolution der Kreativen) ein Aufbegehren der Kulturschaffenden?

    UND: WER KOMPONIERT dann statt unser einem und übernimmt unsere „ehemaligen“ Jobs…?: :-(
    Obama? oder Zentralbankchef Greenspan, Westerwelle, der Milliarden-Steuererleichterungs-Versprecher (Erleichterungen für WEN? und auf Kosten WOVON…?) oder Angela Merkel, Klaus Zumwinkel, Dieter Bohlen oder, ….?

    Hmmm, ich komponier trotzdem lieber und würde niemals tauschen.

    N´abend.

  2. querstand sagt:

    @ erik
    Ich hoffe, daß Du nicht 90% Deiner wertvollen Zeit in der Politik verbringen willst und nicht mehr komponieren wirst… Denn das Politikerdasein ist doch sehr erfüllend: networken schon vor dem zähneputzen, 100 Hände schütteln vor dem Mittagessen, etc. Dumme Klischees, die aber eines sagen: der reine Alltag eines Politikers, der einigermaßen erfolgreich sein möchte, ist so mit Kleinklein des Beziehungspflegens, Präsentseins und Meinungsbildens zu jedem noch so einem fernliegenden Thema ausgefüllt, so daß der Idealismus, wie er beim Komponieren schon schwer durchzuhalten ist, hier doch auch sehr schnell aus dem Blickfeld geraten kann. Musische Politiker an sich sind ja sowieso selten, Musiker als Politiker erst recht, sofern sie irgendwie Musiker bleiben wollen. Der Pianist Vytautas Landsbergis, der erste nachsowjetische Präsident Litauens kehrte nach seinem Ende als solcher nicht in die Musik zurück, sondern sitzt oder saß zumindest bis vor Kurzem im Europaparlament. Lothar de Maiziere begann als Bratscher, anscheinend hinderte eine Nervenkrankheit der Hand ihn weiters an der Bratscherei. Da blieb ihm Juristerei und die Politik. Die reine Musik war ist beiden aber abhanden gekommen. Wenn man die Musik des jetzigen kroatischen Präsidenten hört, sie ist nicht unbedingt „schlecht“, aber doch nicht gerade der Wahnsinn, versteht man ebenfalls, wieso er zum Funktionär und dann zum Politiker, gar Präsidenten wurde. Diese Menschen werden immer noch für die Musik leben, als Politiker bzw. Funktionär aber ihr Geld verdienen. Der Musik direkt bessere Bedingungen im Alltag konnten diese Leute aber bisher nicht schaffen oder erhalten. Die Politik fordert ja genauso den ganzen Menschen wie die Kunst, wenn es um Ausübung geht. Politik ist ja nicht einfach mal so ein Job.

    Dies sollte die jeweilige Seite aber nicht hindern, sich der anderen anzunähern, ihr ihre Bedürfnisse mitzuteilen, Einsatz dafür einzufordern – das gilt nun v.a. für die Kunst. Die Politik wiederum darf sich der Kunst auch nicht total verschließen, sie als reines freiwilliges I-Tüpfelchen stehen lassen, was dann unterstützt wird, wenn die Kassen überlaufen und dann sofort gekürzt werden, wenn es in diesen mal wieder klamm wird. Dann zwingt die Politik die Kunst in die Politik, was nicht politische Kunst erfordert, aber der Mensch, der Künstler ist, muß zeitweise der Politik die Leviten lesen bzw. mit allen Mitteln das ihm Nötige, was er für sein Überleben und Ausüben benötigt, einzufordern. Ob man dies aber ohne Funktionär der Kulturlebens zu sein heute noch effizient erreichen kann? Wenn es dann um das nackte Überleben geht, wird wohl jede Kunst politisch.

    Davon abgesehen: die Politik und ihre Grundfesten sind ja heute sehr weich und wankend geworden. Als Künstler kann man da der Politik zumindest vorleben, wie man zumindest mal länger als 4 Legislaturjahre einer Idee treu bleiben kann. Was dem Künstler aber auch einfacher fallen dürfte: er muß sich ja nur selten der schwankenden Meinung des Volks stellen, wenn es um den Pfrunderhalt geht, er kann sich nach innen wie außen erstmal viel treuer bleiben, denn der Politiker. Der wird hoffentlich nicht alle seine Ideale nicht mehr durchsetzen können, kann diese aber oft nicht so gerade verfolgen, wie es einem Kunstschaffenden möglich ist.

    So kann jeder von jedem lernen, ist eine Annäherung immer zu begrüssen, ein temporärer Seitenwechsel vielleicht sogar mal lebenswichtig. Wobei die Kunst doch immer das schönere Lebenselixier sein möchte, vielleicht sogar der Stein der Weisen, der uns wie den Politikern die Sinne schärft, bei der Sinnsuche hilft.

    Oder muß man angesichts all der Funktionäre auf beiden Seiten und dem von mir unterstellten Religionsersatzes der Kunst einen neuen Laizismus ausrufen: die Trennung von Kunst und Staat? Dann aber möchte ich ein Konkordat zwischen Kunst und Staat, ggf. sogar eine Kunststeuer? Muß dann der Arbeitnehmer neben des Bekenntnisses auf seiner Steuerkarte auch angeben liebe Theater, nur Museen, nur modern, nur antik? Da wird es doch allemal einfacher sein, wenn wir die demokratischen Wege der Verfassung nutzen, durch die Wesenhaftigkeit der heutigen Politik davon nicht ausgeschlossen werden, nicht immer die ersten Kürzungswahnopfer sind, etc. Und eben DAS, damit dies nicht immer häufiger eintritt, das einzufordern, das ist politisch und wichtiger als die Frage, ob man nun nach Studium dort, Aufträgen da, Preisen hier, nun auch in die Biografie schreiben muß, Funktionär dann und wann, Mitglied in Partei X, später auch Y?

    Das erinnert mich dann immer wieder auch an die krampfhaften Versuche der Vertriebenen-Präsidentin Steinbach, in ihrem Lebenslauf ein kurzfristiges Geigerinnendasein anzumerken: daß macht sie mir nicht sympathischer, genauso wenig wie letztlich auch den Andrew Russo – in ihren Ansichten über gleichgeschlechtliche Lebensweisen könnten die beiden Herrschaften sich sogar wunderbar austauschen, vielleicht auch über die alte heilige Kuh Religion (evangelikal, etc.). In puncto Musikgeschmack würden sie sich aber in die Haare kommen, sie plädiert für ein Ende der Musik nach Bruckner, er für einen Neuanfang mit Lang… und dann wird darüber abgestimmt, d.h. das eine wird demokratisch schlechter gestellt, abgeschafft, dazwischen etliche Kuhhandel über Steuern, Sitze, etc. Und dann geht es einer Kunstseite an den Kragen – grauenvoll. Also doch Trennung von gewissen Biografien und den Nöten und Wesenheiten von Kunst und Politik, dafür aber ein Konkordat im Sinne eines Verfassungszieles Kultur!!!

  3. Erik Janson sagt:

    @ querstand,

    richtig, schöner Beitrag, Alexander:

    Ja, es müsste mehr Politiker geben, die mal ein Herz
    für Neue Musik entwickeln oder sich zumindest das mal
    anhören, rein versetzen, dass es auch anderes

    Dann können wir Komponisten uns den Gang in die Politik ersparen bzw. das tun, was wir besser können. Und die Politiker tun das, was sie besser können.

    Zum Beispiel ist doch Gerhard Baum (FDP) einer, wohl einer der extrem wenigen, der was für Neue Musik übrig hat und denn man zuweilen in Donaueschingen sieht.. Als ich in D. war, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen und dachte, das sei ein Doppelgänger von Gerhard Baum.

    Von ihm las ich auch in einem Artikel in der Zeitung (schon was her), dass er moniere, dass die freien Szenen und die Vielfalt kaputt gespart würden; jedenfalls ging es in die Richtung…

    Solche Leute müsste es in der Politik mehr geben. Man müsste sie als Schirmherren gewinnen. Bzw. noch mehr Politiker/Kulturpolitiker, die mal auch nicht nur nach Mainstream oder Kosten-Nutzen-Faktoren in der Kultur denken.

    Damit nicht immer nur die Klassik, der Mainstream vor Kahlschlägen geschützt wird (denen gönn ich ja auch, dass sie geschützt/erhalten werden, aber die jammern immer noch, bei Kürzungen (oder sogar tw. bei trotz tw. reeller Aufstockungen von Etats) auf sehr hohem Niveau im Vergleich zu den vor Streichungen meist ungeschützten „kleinen Festivals“, freier Szene in der Neue Musik, für die schon eine kleine Streichung der Todesstoß bedeutet.

    Würden ein paar mehr Politiker auch mal das bedenken, dann stünden nun auch nicht Institutionen wie Randspiele oder (nun auch FZML Leipzig, ausgerechnet im Jubiläumsjahr) vor dem Aus bzw. würden zusehends handlungsunfühig. Aber es ist vielleicht bezeichnend, dass – wenn mal einer aus der Politik für unsereins Partei/Sympathein zeigt, dass das ältere Politiker sind oder Politiker, die noch in einer Generation/Gesellschaft Politik machten, in der auch der Erhalt von NICHT-Massenkultur, bzw. gerade dieser einen gewissen Wert darstellte.

    Heute schwenkt halt alles um.
    Heißt: es gilt nur noch das „erhaltenswert“, was potentiell zu MASSENKULTUR werden kann bzw. was MEHRWERT,
    im Sinne von (potentiellem) GELDWERT bringt.

    Schade, schade.