Stimme aus dem Off 07

Bad Blog zu den Donaueschinger Musiktagen 2009

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Dass es künstlerisch immer noch schlechter geht, bewies der gestrige Tag (Samstag) in Donaueschingen. Dem Publikum merkte man den Unmut deutlich an. Nie war der Applaus so spärlich oder fast gar nicht zu hören (Tsangaris – nach der ersten Hälfte des letzten Teils, in dem das Publikum Rücken an Rücken sitzt, durch einen Vorhang aber optisch vom anderen Teil, den es anschließend zu Gesicht bekommt, getrennt ist).

Hinzu kommt die unglaublich amateurhafte Organisation des Festivals. Fast jedes Konzert beginnt mit Verzögerung. Und das bei Radio-Live-Übertragungen, bei denen üblicherweise übergenau auf pünktlichen Beginn geachtet wird. Außerdem muss das Publikum ständig draußen in Schlangen stehen – und das nicht nur bei Tsangaris! Angesichts von Kälte, Regen und Schnee nicht gerade ein Vergnügen.

Eine Enttäuschung auch das Konzert mit den allerdings sehr virtuos und genau spielenden Solisten der musikFabrik in der großen Turnhalle der Realschule.

Allein der Programmtext zu Dai Fujikuras Werk „Phantom Splinter“ verhieß nichts Gutes. Hier der erste Absatz:

Meine erste Idee zu diesem Stück war ein Walddickicht vielgestaltiger Holzbläserklänge. Nun weiß nicht genau, warum mir Derartiges eingefallen ist, da ich mich nicht gerne in der „freien Natur“ aufhalte, wo mir immer Unfälle widerfahren und ich allergische Reaktionen erleide, wenn ich mit der Natur in Kontakt trete. Ich bevorzuge mehr eine von Menschen gemachte Natur mit künstlichen Bäumen und künstlichen Insekten. Ich denke, es würde ein bisschen wie die Welt in „Blade runner“ aussehen (nur muss es nicht so viel regnen!).

Unter dem Text steht: „Dai Fujikura (mit Harry Ross)“. Das heißt also, unser japanischer Freund (Jahrgang 1977) hat diesen Text noch nicht einmal alleine verzapft, sondern dabei auch noch Hilfe in Anspruch genommen.

Kein Wunder, dass auch die anderen Werke (die eigentlich noch schlimmer, noch dümmer, noch bildungsferner waren) wirkten, als hätte sich Festivalchef Armin Köhler hinreißen lassen, ein Behindertenprojekt zu fördern, indem er drei Komponisten mit dem gefühlten IQ von 19 einen Kompositionsauftrag gibt.

Der absolute Negativhöhepunkt natürlich „Incubus III“ von Jimmy López – ein wahrhaft schlechter Komponist. Er lässt die Musiker schreien, stampfen und hecheln, als gälte es, den Musikabend einer 8. Hauptschulklasse irgendwie zu füllen. López war es ja auch, dem man letztes Jahr in Darmstadt den Kompositionspreis völlig zu Unrecht zuschanzte, natürlich, um ihn im Vorfeld der Donaueschinger Uraufführung als profilierten Komponisten auszugeben. (Und da sage noch einer, ich hätte mit meinen Darmstadt-Donaueschingen-Mafia-Glossen damals übertrieben.) Denn sonst – im Falle einer Nichtprofilierung im Vorfeld von Donaueschingen 2009 – hätten sich vielleicht noch mehr Leute gewundert, warum man sich hier so eine schlecht-archaische Dumm-Trommlerei überhaupt eingekauft hat.

Auffällig war, dass die elektronischen Klänge – realisiert vom Experimentalstudio des SWR – zwar fein programmiert waren, aber dennoch klanglich verstaubt wirkten. Auffällig auch, dass das von Fujikura, López und Christopher Trebue Moore (<- mittelmäßiger Freejazz) verwendete Tonmaterial in seiner Dürftigkeit (einfache Chromatik bzw. halt: irgendwelche Töne – nur damit die dann mit elektronisch-mittelalterlichen Delays achtkanalig ums Publikum geschickt werden können… gähn…) die Qualität der Elektronik noch unterbot.

Zum Abschluss des Tsangaris-Trauerspiels gestern gibt es kaum noch etwas zu sagen. Der Transfer des alten Batsheba-Stoffes in die Chatterwelt wirkte laientheaterhaft gezwungen – und dennoch hätte man etwas draus machen können. Prinzipiell. Denn die Idee, ein mehrtägiges Musiktheater innerhalb einer Kleinstadt zu inszenieren, böte viele, kreative, unerhörte Möglichkeiten.

"Schade um die guten Interpreten" ist der wohl häufigste Donaueschingen-Seufzer des Jahres 2009.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.