Stimme aus dem Off 03
Bad Blog zu den Donaueschinger Musiktagen 2009
Mathias Spahlingers Etüden laufen. Die ersten ca. 15 Minuten gibt es spröde, halblange, halbleise Klänge. Sozusagen die – absichtlich klanglich bescheiden auskomponierte – Ouvertüre zu einer etwa fünfminütigen, sehr aufregenden Passage, in der ein abwärtsgerichtetes, mehr geräusch- denn tonhaftes Motiv durch alle im Raum verteilten Instrumentengruppen zieht, sich scheinbar angenehm eingroovt, im gleichen Moment aber durch den kurzzeitigen „Verlust“ einer Instrumentengruppe oder nur eines Instruments anders konfiguriert. Aber klar: das groovt. Affirmation? Bejahung? Ja. Ja. (Immer einmal mehr wie du!) „Das kann man doch nicht machen“ sagt mein Sitznachbar K.
Es folgen Phasen der klanglichen Zerknirschung.
Von konzeptueller Verflüssigung von Autorität (Dirigent, Konzertmeister, Komponist als Einstudierender oder überhaupt: als autoritäres, werkschaffendes Subjekt) ist allerdings nichts zu spüren. Der Dirigent, der hier durchaus denkbar wäre, wird schlichtweg durch den Bildschirm ersetzt, auf denen Zahlen erscheinen, die die zu spielenden Teile anzeigen. (Ich halte das Komponistenverüberflüssigungskonzept von Mathias Spahlinger übrigens nur für Attitüde. Im Grunde ist er ein sehr feiner, sehr auf die Ausnotierung von Klangerscheinungen fixierter Komponist. Und feine Musik braucht Genauigkeit. Und um Genauigkeit zu erreichen, braucht man eine Autorität. Ob es jetzt der Dirigent ist, der Bildschirm oder ein Klicktrack im Ohr der Musiker.)
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.
