Henryk Mikołaj Górecki (1933-2010)

12.11.10, ca. 14 Uhr: Der polnische Komponist Henryk Górecki ist tot. Er sei heute im Alter von 76 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Katowice gestorben, so eine Meldung, die vor knapp einer Stunde veröffentlicht wurde.

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Unter „uns“ (was heißt das eigentlich?), also: unter uns wahnsinnig ernsten Avantgarde-Komponisten war er nicht gerade beliebt. Oder stimmt das nicht? Weil er, Górecki, so beliebt war! Legendär, dass seine 3. Sinfonie es einst in die Popcharts schaffte. Noch legendärer, dass „uns“ immer vorgehalten wird, wir hätten das noch nicht geschafft… Wie albern.

Jetzt ist Górecki tot. Ruhe in Frieden.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

5 Antworten

  1. querstand sagt:

    O JUGEND! Jetzt müsste man Rezeptionsanekdötchen über Gorecki erzählen, wie mancher Kompositionsprofessor zum ersten Mal in den Neunzigern die Schnellvorlauftaste des hochschuleigenen CD-Spielers beim Anhören von Goreckis Dritter Sinfonie kennenlernte, wie gelästert oder totgeschwiegen wurde. Sein Pop-Charts-Erfolg sei ihm gegönnt, nur vergesse man nicht, dass Charts nicht den objektiven Erfolg einer Partitur in der Öffentlichkeit kennzeichnen, sondern den Verkaufserfolg eines Labels für eines seiner Produkte. Das mag dann zum objektiven Erfolg des Stücks beitragen oder zum bourgeoisen Feigenblatt für zeitgenössische Musik in einem sonst popverliebten Haushalt werden. Madonnas Poster und Musik werden dennoch heisser geliebt sein als diese Gorecki-CD, echte Liebe zur Hochkultur zeigt sich am ehesten in Reproduktionen vom Barberinischen Faun bis zu Beuys, das tatsächliche Einlegen jener Dritten Sinfonie ist ein Bekenntnis zu ästhetischen Musikabläufen, die dem Schleudergang einer Waschmaschine gleichen und so sich Kunstgenuss und Haushalt auch jenseits der drei Tenöre verwirklichen lassen. Oder es schwingt als einzig ernstzunehmende Liebe eine Begeisterung für Johannes-Paul-II.-Katholizismus-Pop mit. Ruhe er also in Frieden wie jener Papst und die besagte Sinfonie-CD oder besser CD-Sinfonie.

    Zum besseren Verständnis der Jugend, der Komponierenden, wäre es hier im Blog mal wieder an der Zeit, ähnlich der Widmann-Analyse, jüngere Kollegen hier zu porträtieren, zu diskutieren, ihre Pop-Eignung oder besondere ernsthafte Qualität zu erforschen. Ganz unbescheiden hier meine Wunschliste, durchaus Leute, die mir strahlend und ermutigend erscheinen:
    – Simon Steen-Andersen
    – Stefan Pohlit
    – Minas Borboudakis
    – Felix Leuschner
    – Leopold Hurt
    – Gordon Kampe
    – Karola Obermüller
    – Sergej Newski
    – Sören Eichberg
    und, und, und, und…

    So ganz im Sinne der lebenden Lebendigkeit.

    A. Strauch

  2. Erik Janson sagt:

    @ querstand,

    Ich setze mal die Liste der Komponistinnen und Komponisten, die – oh schande – noch LEBEN (auch wenn sie nicht für die „Charts“ komponieren), im besten kreativen Saft stehen – fort, die ich ebenso für förderungswürdig halte und die es auch verdient hätten, prä-mortale Anerkennung zu finden. Denn so international un-erkannt
    bzw. unbekannt sind die oben aufgezählten Komponistinnen und Komponisten nicht mehr…

    – Alexander Strauch
    – Christoph Theiler
    – Pèter Koeszeghy
    – Birke Bertelsmeier
    – Anna Ikramova
    – Arno Lücker
    – Dominik Susteck
    – Moritz Eggert
    – Christine Messmer
    – Rodrigo Lopez-Klingenfuß
    – Brigitta Muntendorf
    – Johannes Hildebrandt
    – Lothar Voigtländer
    und, und, und

    Mein Anstand verbietet es mir, mich hier
    selbst auf diese Liste zu setzen.

    Und (ein Tipp an die Kulturpolitik und Programmredaktionen): mal bitte nicht NUR bzw. immer wieder dominierend amerikanische Komponisten in die Programme setzen bzw. in fast jedem hoch renommierten Programm -ob Funk- oder Konzerthäuser – liest man (neuerdings) vermehrt sie (nicht nur Feldman, Cage etc. sondern jüngst auch bei Preisen etc. müssen immer soundsoviel amerikanische Künstler dabei sein). So als ginge es politisch/fördertechnisch nur so. Nicht dass ich prinzipiell die nicht auch gut fände. Aber ein gewisses Maß scheint mir da zuweilen überschritten. Oder – wenn schon -: dann bitte in Amerika mal mehr Komponisten von hier spielen. Es gibt im „alten“ Europa schon auch noch Interessante. Stattdessen fristen so manche europäische Komponist/innen, die hier kaum beachtet wurden/werden,
    ein Leben im Exil des amerikanischen Campus, mit besten Gehältern… Aber IST es das wirklich?

    Schönen Tag wünscht,
    Erik Janson

  3. querstand sagt:

    @ janson: Meiner Liste Erweiterung durch Dich fehlt was, was ich nun unbescheiden ergänze:
    – Erik Janson…

    Aber im Ernst und etw. bescheidener, als programmatische Einforderungen:
    ich fand den Streit um Widmann samt Arnos Analyse einen guten Diskussionsansatz, wenn er am Notentext entbrennt oder etwas erweiterter Text, wenn zu den Noten noch Sound, Aktion tritt. Es muss ja nicht gleich ein Pamphlet sein, eine nüchterne Betrachtung wäre schön, gerade z.B. der diesjährigen Darmstadt-Donaueschingen-Newcomer. Noten-PDFs gibts vom manchen ja in Hülle und Fülle.

    Wenn das dann zu programmierungsrelevanten Ergebnissen führt, dann wieder unbescheidener hier. Ob oder Euro, das ist mir erstmal Wurrrscht, wo man sein Dasein fristet eigentl. auch. Zugegeben, schade, dass das hiesige lowbudget-Bildungssystem zuviele zum lehren und dieser Folge weitere zum Lernen in die USA treibt…

    Gruss,
    A.S.

  4. querstand sagt:

    @ janson: Meiner Liste Erweiterung durch Dich fehlt was, was ich nun unbescheiden ergänze:
    – Erik Janson…

    Aber im Ernst und etw. bescheidener, als programmatische Einforderungen:
    ich fand den Streit um Widmann samt Arnos Analyse einen guten Diskussionsansatz, wenn er am Notentext entbrennt oder etwas erweiterter Text, wenn zu den Noten noch Sound, Aktion tritt. Es muss ja nicht gleich ein Pamphlet sein, eine nüchterne Betrachtung wäre schön, gerade z.B. der diesjährigen Darmstadt-Donaueschingen-Newcomer. Noten-PDFs gibts vom manchen ja in Hülle und Fülle.

    Wenn das dann zu programmierungsrelevanten Ergebnissen führt, dann wieder unbescheidener hier. Ob oder Euro, das ist mir erstmal Wurrrscht, wo man sein Dasein fristet eigentl. auch. Zugegeben, schade, dass das hiesige lowbudget-Bildungssystem zuviele zum lehren und dieser Folge weitere zum Lernen in die USA treibt…

    Gruss,
    A.S.

  5. erik janson sagt:

    @ querstand,

    danke der bescheidenen Hinzufügung und dass Du es gleich zwei mal rein gebloggt hast. Die Geschichte wird´s zeigen ob es sich nochmal bei mir bewahrheitet. Wollte mit meinem o.g. Blog eigentlich nur sagen: Wir hier in Deutschland bügeln doch vieles aus, was z.B. in Amerika an Nichtbeachtung von dort lebenden/geborenen Komponisten, Neue Musik-Szene statt findet. Wer dort chancenlos der Gunst von Sponsoren ausgesetzt ist oder nicht ankommt, der „flüchtete“ nach hier.

    Sollte das uns nicht zu denken geben?
    Das ganze neoliberalistische Denken „DIE KUNST nur der Privatisierung- der Privatwirtschaft (Sponsoring) und dem Geschmack eines Mainstream- oder Massen-Publikums (das nur „leichtere“ Kost kennt/gewohnt ist) Überlassen“ ist ein Irrweg. Der ERHALT der bestehenden Säule/Errungenschaften (weiter Förderung von Staat, Kommunen, Ländern sogar Ausbau statt Kürzungen) und zusätzliche Förderungen der freien Wirtschaft wären stattdessen von Nöten. Sonst gibt es bald auch keine Konzerthäuser an Gendarmenmärkten mehr, wo Hölszkys „Bremer Freiheit“ und ein mutiger, neuer, junger Dramaturg zu erleben sind. Und niemals darf man müde werden zu betonen, dass spätere akzeptierte, als „klassisch“ oder unvergänglich geltende Musik es doch zum Zeitpunkt ihrer Entstehung schwer hatte, ja kaum oder anfänglich gar keine Beachtung fand. Gut, es gibt immer auch Gegenbeispiele in der Musikgeschichte. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.