Laudatio Jonas Müller

Foto: Alexey Testov

Andere Menschen zu loben macht mir eigentlich am meisten Spaß – in diesem Fall wurde ich gebeten, dem Bariton Jonas Müller zum Musikpreis der Deutschen Wirtschaft 2025 zu gratulieren. in der engeren Auswahl waren die hervorragenden Musikerinnen Tabea Wink und Clarissa Bevilacqua, die ich ebenso gerne gelobt hätte – ich hoffe, ich kann es ein anderes Mal tun.

Singen ist ein furchterregender Beruf. Damit meine ich jetzt nicht, dass Sie, das Publikum, Angst haben müssen, auch wenn diese Angst manchmal berechtigt ist, wenn jemand anfängt zu singen. Ich meine damit, dass es keine ungeschütztere und angsteinflößendere Tätigkeit gibt, als sich auf eine Bühne zu stellen und zu singen.
Vergessen Sie nicht, Instrumentalisten haben – das sagt schon der Name – ein Gerät, das ihnen bei der Ausübung ihres Berufes hilft. Ist der Flügel verstimmt, wird man es nicht der Pianistin, sondern der Klavierstimmung anlasten. Reißt dem Geiger die Saite, so ist es keineswegs ein Fauxpas, sondern ein aufregendes Element seiner Performance. Man wird ihn für die Coolness bewundern, mit dem technischen Versagen umzugehen. Ist das Rohr vom Fagott verstopft und es kommt nur ein merkwürdiges Geräusch heraus, so ist das….Orchesteralltag.
Nicht aber so bei meinen singenden Kolleginnen und Kollegen. Sie stehen quasi ganz nackt da, ohne irgendeine Unterstützung. Also natürlich nicht wirklich nackt, obwohl das bei einer modernen Operninszenierung schon auch einmal vorkommen kann. Ich meine ungeschützt, ohne Netz und doppelten Boden. Sie sind nur mit ihrer Stimme ausgerüstet, wir alle wissen aber, dass man die eigene Stimme selbst nur schlecht einschätzen kann und vor allem auf sie nicht immer Verlass ist. Man weiß auch nie, wie man klingt, ist auf ständiges Feedback von Lehrern und dem Publikum angewiesen, an das man aber dann auch wieder nicht denken darf, sonst verkrampft man völlig.
Nicht umsonst sehen wir daher oft Sängerinnen und Sänger, die sich verzweifelt an einem Flügel festhalten, oder mit großen Handgesten zu kompensieren versuchen.
Es gibt grundsätzlich zwei Sängertypen. Die einen sind mit einer gewissen – und ich sage das jetzt wirklich sehr liebevoll – Schlichtheit ausgestattet, die sie nicht so viel über den Irrsinn des Berufs nachdenken lässt. Ich nenne sie mal den Typ Pavarotti.
Dann gibt es aber die, die ich ganz besonders bewundere – die klugen und gescheiten, die ihrem Beruf hochreflektiert nachgehen und uns in jedem gesungenen Takt etwas erzählen, was sie selbst wirklich durchdrungen haben.
Zu diesem Typ Sänger gehört Jonas Müller, und deswegen hat er auch diesen Preis gewonnen.
Da er aus der Hochschule kommt, an der ich unterrichte, in München – habe ich natürlich meine lieben Kollegen gefragt, was ich zu Jonas sagen soll, und da kamen Sätze, die ich hier sehr gerne zitiere.
Zum Beispiel: „Jonas ist ein echter Tausendsassa und Vollblutmusiker“.
oder
„So einen saubegabten Studenten haben wir nicht oft in unserer Abteilung“
Die Saubegabten sind natürlich die, die aus ihrer Begabung was machen, die anderen sind „nur“ die Begabten.
oder
„Er interessiert sich für Sprache und den Inhalt, die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe, die Psychologie von allem, was er singt“
Das bestätigt alles meinen eigenen Eindruck von ihm – er ist ein denkender Sänger, und so einen lieben wir Komponierenden ganz besonders, da dann eine gute Chance besteht, dass er uns versteht und unsere Sprache einem Publikum gegenüber übersetzen kann. Denn manchmal sind wir Komponierenden mit einer so großen inneren Kompliziertheit ausgestattet, dass wir uns noch nicht einmal selbst verstehen.
Aber ein ganz besonders schönes Kompliment fand ich dieses hier:
„Jonas kommt aus Niederbayern und hat einen eigenen Kopf, ist geradeaus, integer und zeigt Haltung“. Ich weiß nicht, wie solche Sätze in Berlin wirken, aber in Bayern ist eine solche Beschreibung das allerhöchste Lob, das man einem Menschen geben kann.
Lieber Jonas, ich freue mich sehr, dass Du diesen Preis bekommst. Ich kann mich der Meinung meines Kollegiums nur anschließen, und wünsche Dir von Herzen ganz, ganz viel Erfolg auf Deinem zukünftigen Weg. Bleibe so wie Du bist – mit Musikalität und einer schönen Stimme gesegnet, aber auch mit dem dazugehörigen Mut, diese einzusetzen. Und das vielleicht nicht nur auf dem Podium. Herzlichen Glückwunsch und mach weiter so!
Moritz Eggert

Foto: Alexey Testov

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