100 Argumente gegen die GEMA-Reform (2)

Teil 2, Argumente 11-20
Was bisher geschah:
„U“ und „E“ sollen abgeschafft werden, verkündet die GEMA. Klingt ja erst einmal gut. Bis man versteht, dass das alles nur eine rosarote Brille ist, die man euch aufsetzt. In Wirklichkeit stehen knallharte Geschäftsinteressen dahinter, denen die bisherige Kulturförderung der GEMA ein Dorn im Auge ist. Was sie euch in ihren Werbespots verschweigen: In Zukunft sollen die Fördermittel nämlich drastisch reduziert werden, was allen – U wie E – schaden wird. Und plötzlich gibt es ein neues „E“ – das heißt dann KUK und belohnt zum Beispiel, das man in „Mundart“ singt, oder in „Kulturorten“ spielt, wo man für die „Verzahnung von Text und Musik“ Extrapunkte bekommt. Klingt erstaunlich wie das Parteiprogramm der AfD, hat sich aber die GEMA ausgedacht, und ihr – Du und ich und wir alle – müssen am 14. und 15. Mai in München dagegen stimmen. Außer ihr wollt, dass euch in Zukunft Gremien aus lauter 60-jährigen sagen, was innovativ ist und was nicht.
11. Ideen wie die Förderung von deutschsprachigem Repertoire machen in der U-Musik Sinn, aber nicht in der E-Musik, nicht in der Filmmusik und nicht im Jazz. Auch hier sind wieder ganze Sparten der GEMA komplett benachteiligt. Das Problem ist nämlich: plötzlich will man einen Förderkriterienkatalog für die gesamte Musik innerhalb der GEMA parat haben, was ein Ding der Unmöglichkeit ist. Muss man jetzt von jungen Komponierenden in diesen Bereichen verlangen, dass sie von nun an „Mundart“-Elemente in ihre Musiken einbauen, um an „KUK“-Punkte zu kommen? Wer kommt überhaupt darauf, dass Mundart jetzt durch GEMA-Verteilung gefördert werden müsste? Wäre das nicht Angelegenheit regionaler Kulturförderung, und dort auch viel besser aufgehoben?
12. Und was ist das überhaupt für ein Quatsch mit „Mundart“? Wenn jemand auf Hessisch singt, wird er von der GEMA gefördert, obwohl hessisch natürlich vor allem erst einmal ein „Dialekt“ und keine „Mundart“ ist. Wenn eine Sängerin dagegen Friesisch, Sorbisch oder Dänisch singt, bekommt sie keine KUK-Punkte, obwohl dies tatsächlich existierende Sprachen in Deutschland sind, deren Gebrauch man fördern könnte, nur halt keine „Mundart“ und auch keine Dialekte. Wer sich so etwas ausgedacht hat, versteht noch nicht einmal sein eigenes Land.
13. U und E müssen sich nun Geld teilen, das vorher in getrennten Töpfen war Da die Grenzen aufgehoben werden, ist nun alles ein einziger Kladderadatsch mit vielen Fragezeichen. Tatsache ist: es wird nicht nur für E (deutlich) weniger, sondern auch für U, außer man ist besonders gut im Rennen. Wieder einmal werden die Reichen reicher und die Armen ärmer.
14. Die U-Abrechnung entspricht nicht den Realitäten der E-Musik und bildet sie nicht ab Die E-Musik arbeitet vor allem mit fixierten Partituren, die immer wieder neu aufgeführt und anders interpretiert werden können. Daher gibt es hier auch meistens keine Soundfiles, die die einzige Version eines Werks darstellen und die so im Netz gefunden werden können (außer bei zeitgenössischer elektronischer Musik, aber auch diese wird meistens sehr aufwändig live realisiert und kann nicht mit einer mp3 allein abgebildet werden). Die U-Abrechnung ist für etwas ganz anderes ausgerichtet als für Aufführungen mit instrumentalen Ensembles in klassischen Konzerten. U-Musik wird auch vollkommen anders finanziert. Die U-Abrechnung E aufzudrücken, bedeutet eine grundsätzliche Benachteiligung, die nicht durch irgendeinen „KUK“ – Murks aufgefangen werden kann.
15. Die GEMA-Reform wurde heimlich und planvoll vorbereitet, wobei versucht wurde, ihre wahren Absichten zu verbergen Zuerst wurde die Regelung gekippt, die einen garantierten Anteil von E-Komponierenden im Aufsichtsrat zusicherte. Dann wurden die Rechtsnachfolger ihrer Stimme beraubt. Dann wurde der DKV als Handpuppe der GEMA instrumentalisiert – kein Wunder, DKV-Vorstand und Aufsichtsratsmitglieder bei der GEMA sind zum Teil deckungsgleich. So agiert man, wenn man etwas um jeden Preis und gegen jeden Widerstand unbedingt durchdrücken will, mit aller Macht und mit Verhinderung einer offener Diskussion.
16. Das angeblich sinkende Aufkommen der E-Musik ist eine bewusste Falschdarstellung Die Grafiken der GEMA betrachten nur die letzten 5 Jahre (inklusive Corona), wenn man aber die letzten 15 Jahre anschaut (seit 2010), ist das Aufkommen der E-Musik im Trend gestiegen, nicht etwa gesunken. Hier wird bewusst tendenziell manipuliert – warum hat man das nötig? Anscheinend will man sich Argumente selbst erzeugen.
17. Wo die Einnahmen der E-Musik gesunken sind, liegt es zum Teil an der GEMA selbst So wurde zum Beispiel Chormusik jüngst massiv gedeckelt oder wird inzwischen nach U abgerechnet, was zu großen Umschichtungen des E-Aufkommens nach U geführt hat. Tatsächlich ist aber Chormusik gerade in diesen Zeiten nachweislich kulturell wertvoll und trägt zur musikalischen Bildung bei. Auch hier entsteht der Eindruck, dass dies planvoll geschah, um E im Vorfeld zu schwächen und die Reform vorzubereiten.
18. Die GEMA bleibt den faktisch Nachweis schuldig, dass das Auslaufen großer Rechte wie z.B. Strauß den E-Musik-Topf perspektivisch verkleinern wird Sie unterschlägt dabei aber vollkommen, dass es genauso viel heutige Komponierende gibt, die ein großes Aufkommen generieren, nur sind diese inzwischen weltweit verstreut und nicht nur noch in Europa zentriert. Die Behauptung, es gäbe heute keine „Prokofjews“ oder „Schostakowitschs“ mehr, zeugt von unglaublicher Ignoranz gegenüber dem zeitgenössischen Musikleben, eine Ignoranz, die sich auch darin zeigt, dass noch nicht einmal der Name „Prokofjew“ auf den GEMA-Schautafeln richtig geschrieben ist. In der Vergangenheit sind schon zahllose Rechte vielgespielte Autoren weggefallen, ohne dass es die GEMA komplett durchgerüttelt hätte. Dass es Auf und Abs gibt, und dass eine Musikszene sich dynamisch und nie linear entwickelt, damit müsste die GEMA eigentlich fertig werden, denn exakt dasselbe trifft zum Beispiel auch auf die Pop-Musik zu.
19. Neue Kirchenmusik wird marginalisiert Da Kirchenmusik meistens unter Pauschalverträgen abgerechnet wird, bleibt den Komponierenden, die sich dieser Sparte widmen, in Zukunft nur noch ein Gnadenbrot. Damit werden auch Verlage betroffen sein, die diese Musik drucken, das sind oft auch Verlage, die wichtige Unterrichtsmaterialien für Musikschulen, Hochschulen und Universitäten herstellen. Es drohen also Einbußen für alle, die an diesen Institutionen unterrichten, Lehrende wie Studierende. Und ja, Bach hätte auch deswegen keine Chance mehr heutzutage (siehe oben).
20. Es wird vielleicht von anderen Verwertungsgesellschaften belächelt, in Wirklichkeit aber von der Welt bewundert, dass es in Deutschland E-Musik gibt Deutschland ist wahrscheinlich die Topadresse für klassische zeitgenössische Musik weltweit, wir haben die größte Opern-, Theater- und Orchesterlandschaft der Welt, worum uns die ganze Welt beneidet. Die großen Festivals in unserem Land locken hunderttausende von Touristen in alle Regionen unseres Landes und tragen einen erheblichen Anteil zur Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts bei. An unseren Hochschulen studieren Menschen aus aller Welt, viele von ihnen bekommen eine Chance, in Deutschland eine künstlerische Karriere zu beginnen, und viele von ihnen werden GEMA-Mitglieder. Schon jetzt vereint die GEMA die Rechte eines Großteils der bedeutendsten Komponierenden unseres Planeten, was auch an der bisherigen guten Arbeit der GEMA in Sachen Kulturförderung liegt. Und auch die meistaufgeführten Komponierenden der Welt, die nicht in der GEMA sind, werden oft vornehmlich in Deutschland aufgeführt und generieren Aufkommen, das allen zugutekommt. Dieses Pfand unbedacht in die Tonne zu kippen, ist nicht nur leichtsinnig, sondern schlichtweg dumm.
Disclaimer: Ich verwende der Einfachheit halber in dieser Serie immer den Begriff „die GEMA“, was ich bitte, zu verzeihen. Mir ist absolut bewusst, dass es innerhalb der GEMA sehr fähige und auch kritisch denkende Menschen gibt, die Probleme mit der Reform sehen und sich hier ungern angesprochen sehen wollen. Umgekehrt ist es auch nicht fair, ständig die Namen der Individuen zu nennen, die eindeutig hinter der Reform stehen und diese propagieren, dann wird es persönlich und ist nicht sachlich.
(Fortsetzung folgt)
Komponist