wahnfriedhof
noch was, lese gerade die meldung in der nmz: bayerische-staatsoper-baut-mobiles-mini-opernhaus
und was man dann auf den seiten der staatsoper sehen kann, ist schon ansatzweise spektakulär:
Aber ob man das jetzt wirklich auf Wagner zurückführen darf, wie Nikolaus Bachler das tut? Klar, um Sponsorenportemonnaies zu öffnen. Doch was Wagner gebaut hat, war eben keine mobile Architektur. Das waren echte Steine, ziemlich unbeweglich, das war ein Orchestergraben, ziemlich unnachahmlich. Das ist, bis heute, eine Wallfahrtstätte.
dazu darf man jetzt stehen, wie man will, aber man sollte eines nicht übersehen. unsere flüchtige kunstform braucht hüllen, die den zeitläuften widerstehen. das weiß natürlich ein christoph schlingensief, der die eröffnungspremiere gestalten soll. der will ja in burkina faso eben kein zirkuszelt aufstellen oder sich das nomadentipi von muamar al-gaddafi ausleihen. der will steinchen auf steinchen setzen. bis er eine kathedrale erbaut hat. einen echten container für strahlenden müll und keinen plastikmüll, den man in containern verschiffen kann!
ich geb’s ja zu. mir ist die idee extremst sympathisch. mobil, flexibel, temporär. geistern diese topoi nicht schon seit jahren durch die architekturtheorie? entspricht das nicht mehr unserer zeit?
die frage ist nur: warum leistet sich das eine staatsoper? klar. sie ist die einzige, die sich so was noch leisten kann. aber: was macht sie mit den gelungenen ergebnissen aus diesen flexiblen räumen? so lange aufpumpen, bis sie auch auf die große bühne passen?
konsequent zu ende gedacht, wäre doch das echte gelingen eines projektes MINI oper das bestattungsritual der großen oper. tschö, ab jetzt nur noch museum, von dir ist kein impuls mehr zu erwarten. was macht man dann mit diesen großen tempeln? alles probebühne, oder was?
ist ja gut, so schwarzweiss darf man nicht denken. albern, machst dich ja selbst lächerlich.
wie beim banker der sich vor abstrakter kunst ablichten lässt („schau her, ich versteh’s nicht, doch ich halt’s aus, dass ich’s nicht versteh! ich beherrsche noch das unbeherrschbare“) bedeutet ein hinterhofzelt – kennt man ja auch vom oktoberfest, vielleicht sollte man da noch einmal über ein kooperation nachdenken – ja nichts anderes als dass die institution so stark, so in sich gefestigt ist, dass sie auch die kritik an sich selbst, die ja zwangsläufig in einem solchen experimentalraum stattfinden müsste, aushalten kann.
ja, ich find’s super. ich bin gespannt auf jede produktion, die dort stattfindet. aber mal in echt: mit plastikfolie find’t mein wähnen keinen frieden. das ist die voreinspeisung in den recyclinghof.
Musikjournalist, Dramaturg
Gelegentlich haben die Leute ja recht wenn sie sagen „Hier werden Steuergelder verschleudert“…
Endlich die Oper der Zukunft! Wagner dankt endlich ab.
Projekt und Idee finde ich gut. Auch das Design:
Eine „Neue Oper mit Ecken und Kanten..“?
Bin gespannt was daraus gemacht wird…
DAS ist das Entscheidende.
Richtig zu Ende Gedacht. Wieso soll das lächerliches schwarz-weiß-Denken sein?
Warum nicht die großen „Tempel“ einmotten und das Geld in das Überleben der freien Szenen und in das Überleben der Neue Musik-Festivals stecken. Waren/sind die alten Opernhäuser nicht Steuermittel-Verschleuderungs-Kästen?
Fragt,
E.Janson
Naja, die „Oper der Zukunft“ und „Schlingensief“ – das sind zwei Begriffe dies sich nie mehr als 500 Lichtjahre einander annähern werden.
Und in seinem Burkina Faso – Opernhaus, was wird da einzig und allein erklingen (wenn es denn je fertig wird)? Wagner. Und Wagner. Und Wagner. Bis in alle Ewigkeit.
Darauf kein Amen.
Interessant kann so ein multifunktionaler Ort immer sein. Er soll nach der Klanganalyse eines Song von Hendrix gemacht sein. Ob er sich dann entsprechend der dort zu spielenden Musik verformen wird? Als Obertonkurve, als barocker Reifrock, als wagnersches Fabelwesen? Zugegeben, Blödsinn. Schade ist, daß er nach außen akustisch abgedämmt sein wird. Es wäre doch zu schön, von Außen hineinlauschen zu können, Musiker- und Zuschauerschatten zu sehen:“… erfügt das Gebäude über eine Lärm absorbierende und reflektierende Außenhaut und Geometrie…“(nmz/kiz, 16.11.09). Besonders gespannt wird man auch auf Folgendes sein: „…Mögliche Hintergrundgeräusche im Inneren des Gebäudes sollen durch elektronische Verstärkung «übertönt» werden…“(nmz/kiz, 16.11.09). Wenn Schlingensief spricht oder wenn feinste Neue-Musik-Mikroton-Geräuschkulinarik ertönt, wird es mit Tiroler Hackbrettmusik übertüncht, so wie der berühmte viel zu große Sahneklacks in einer Cremesuppe.
Ein neues Bayreuth wird es wohl nicht werden, aber immerhin eine neue Möglichkeit der Neuen Musik bei der Bayerischen Staatsoper. Eigentlich wäre es aber viel schöner, sie würde weniger in solche Bauten reinbuttern, die nach dem Ende der Bachlerzeit einfach wieder im Nichts verschwinden, als das Große Haus selbst viel öfters dem Neuen Musiktheater zur Verfügung stellen. Nach all den Offprojekten hätte ich da echte Lust, statt mal wieder ein nettes 20 Minuten Öperchen zu entwerfen (keine Angst, ich habe keine Kontakte zur Staatsoper!). Das größte Problem ist: wie schlank kriegt die Oper ihren Betrieb, um ein wenig echtes Freie-Szene-Ambiente zu erreichen, also tatsächlich Einebnung der Spielflächen, etc. Hatte da letzthin so meine Erlebnisse mit der Kleinen Szene der Semperoper in der Dresdner Hochspannungshalle der dortigen TU: letztlich schaffte das Haus seinen gesamten schwerfälligen Apparat dort rein, stellte eine Guckkastensituation her, trennte aufgrund von Versicherungsfragen die Aktionsfläche von Szene und Instrumenten, etc. Da wird es dann wohl auch für das Münchener Nationaltheater zur Kardinalsfrage kommen… noch ein Bonmot: zuerst wollten wir Münchner ja Wagners Festspielhaus nicht, das in Bayreuth doch vielmehr aus Holz denn Stein besteht, für das End-19.-Jh. doch recht mobil! Jahre später entstand das richtig feste Prinzregententheater, das sogar Weltkrieg-II überstand. Drinnen ist es prächtiger und verschnörkelter als so manches Barocktheater, da siegte wieder das Kunstgewerbe über Wagners Purismus… Und ein bisschen ist doch so ein Jimmi-Hendrix-Klang-Gedächtnis-Aufblasort, dann noch von den Edelkunstgewerbe-Architekten Coop Himmelblau ein sich selbstgefallendes Etwas, ein Pickel auf der Clerasil-reinen Haut des Münchner Alpen-Wiesn-Sushi-Zen-Bussi-Bussi-Schickeria-Beton-Holz-mehr-als-3-Millionen-Starnberg Purismus. Ob da doch letztlich ein BMW-Sounddesign statt der Hackbrettmusik die Neue-Musik übertönen wird? Ich warte dann schon mal beim Käfer (nicht VW, Cateringservice nahe dem Prinzregententheater)…