und der orchester-oscar geht an…
… tsangaris?!?!?!?
während die illustersten unter den illustren lusthörern in donaueschingen – nicht zwangsläufig identisch mit den lustigsten aber das meint ja wohl illustig oder wie – sich beim fürsten verlustieren, gerät der heimgekehrte ins grübeln.
was mag das orchester veranlasst haben, ausgerechnet dem orchestermäander von manos tsangaris den orchesterpreis zu verleihen? bei aller liebe zu ihm und seiner musik war seine komposition ja nun eindeutig kein orchesterstück – am wenigsten von allen die zu hören waren bei diesen donaueschinger musiktagen.
spahlingers orchesterstück war ja im grunde das super-orchesterstück, indem er das orchester mit seinen eigenen waffen geschlagen hat. ihr besteht auf euren diensten? nun gut: mein stück dauert einen ganzen dienst. ihr braucht pause? ich komponiere es so, dass die pause zu meinem stück gehört. ihr wollt spielen was ihr wollt? ich schreibe ein stück, an dem es am ende so klingt, wie ich will, auch wenn ihr spielt wir ihr wollt. (gut – anders als beim cage-klavierkonzert DAMALS kam heute offenbar niemand auch an freier notierten stellen mehr auf die idee, hänschen klein anzustimmen. das bleibt jetzt fürs einspielen verwahrt.) da der orchesterpreis des swr sinfonieorchesters baden-baden und freiburg impliziert, dass das stück ins repertoire aufgenommen werden und wieder gespielt werden soll verbat sich wohl die vergabe an spahlinger. wahrscheinlich wollte niemand noch einmal solch einen orchesterdienst spielen.
wollte man aber den gedanken dieses donaueschingen-jahrgangs – wie lässt sich orchester heute neu denken – nicht konterkarieren, durfte der preis nicht an den altmeisterlich-sauberen aber bis zum erstarren manierierten sciarrino gehen. ebenso wenig kam rolf riehms monolithische brahms-hommage (mit mindestens wagner-orchester und altbackenen sprechereinspielungen) in frage. und selbst beat furrer, dessen sprachemusikanschmiegungen im kleineren (spezial?-)ensemble irgendwie packender wirken lieferte nicht den reisser, der die lanze für das sinfonieorchester hätte brechen können.
blieb also nur noch tsangaris für den orchesterpreis. streng genommen setzt das orchester damit ja eine tendenz fort. schon der erste orchesterpreis aus dem jahr 2005 ging ausgerechnet an klaus ospalds ciabatta-variationen (oder so ähnlich) die eine art kammerensemble auf die bühne brachten, das mit dem klassischen, respektive romantischen sinfonieorchester gar nichts mehr zu tun hatte. will das orchester am ende selbst gar keine orchesterstücke mehr spielen? lieber kammermusik, wie im großteil des tsangaris? lieber mit licht und verkleidung und schönen mädchen – also musiktheater spielen? runter von der konzertbühne, rein in den theaterstaub? wer mit einigem recht einen preis hätte verleihen dürfen, wäre ja das swr vokalensemble gewesen. aber da wäre ja nun zwangsläufig mit dabei, wenn man eine wiederaufführung anberaumen würde. die gilt es nun, laut den statuten, zu organisieren für „batsheba – eat the history“. so drängt sich beinahe der eindruck auf, die aufwändigste aller diesjährigen orchesterproduktionen solle „eine zweite chance“ erhalten.
aber so wird ja angeblich nicht kalkuliert. die orchestermusiker selbst vergeben den preis, nicht ihr management oder die musikredaktion. so bleibt nur anzunehmen, dass die vielen wunderbaren tsangaris-momente, die man sonst erleben darf und deren funke diesmal nur gelegentlich auf das publikum übersprang, dass dafür das orchester mit ihnen überreich beschenkt war. man gönnt es ihm.
dass ein orchester selbst nicht wüsste, was gut für es ist, das möchten wir jetzt nicht unterstellen. das wäre dann ja wirklich der beweis, dass ein sinfonieorchester genauso überflüssig ist wie beispielsweise „opel“. an diese insolvenz wollte ja auch niemand so recht glauben.
Musikjournalist, Dramaturg