Warum ich als Präsident des DKV nicht zurücktrete

Warum ich als Präsident des DKV nicht zurücktrete
In den letzten Wochen gab es mehrere Statements aus dem Kreis der DKV- Fachgruppen VERSO und DEFKOM, die sich einen Rücktritt von mir als Präsidenten wünschen. Hierbei wurde auch deutlich formuliert, man würde sonst den DKV verlassen wollen und Mitgliedern den Austritt empfehlen. Ein Bezug zum Scheitern der Reform wurde verneint, jedoch wurde in all diesen Texten ausschließlich mein Verhalten im Umfeld der Reform thematisiert.
Ich nehme jegliche Kritik immer sehr ernst und habe intern mehrfach das Gespräch darüber angeboten. Vergangene Woche wurde mir von einigen Vorstandsmitgliedern des DKV eine Deadline über die Entscheidung zum Rücktritt gegeben, die am Dienstag um 18:00 auslief. Ich habe mich nach gründlicher Überlegung entschieden, nicht zurückzutreten, gerade weil mir das Wohl des Verbandes am Herzen liegt. Am nächsten Tag wurde bekannt, dass Charlotte Seither als einzige E-Komponistin nicht mehr dem Aufsichtsrat der GEMA angehören wird, was schon einige Zeit vorher entschieden wurde, aber erst am Tag nach meiner Deadline bekanntgegeben wurde. Ob dies eine zufällige oder beabsichtigte Koinzidenz ist, kann ich nicht beurteilen.
Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift haben unsere Vorstandsmitglieder Hans Ströer, Micki Meuser und Ralf Weigand (die beiden letzteren sind Aufsichtsratsmitglieder der GEMA und waren direkt an der Erstellung der Reform beteiligt) noch nicht bekanntgegeben, ob sie ihren Worten Taten folgen lassen und den Verband verlassen werden. Ich habe ihnen gegenüber mehrfach wiederholt, dass es ein stärkeres Zeichen für den Verband wäre, eine friedliche Lösung zu suchen, und bin weiterhin zur Zusammenarbeit mit ihnen bereit. In dieser Hinsicht habe ich mich schon direkt zur DEFKOM geäußert, an dieser Stelle kann ich diesen Wunsch auch gegenüber den Vertretern von VERSO noch einmal wiederholen und mein Bedauern darüber ausdrücken, wenn sie den Verband verlassen würden.
Da immer wieder betont wurde, dass ein Rücktritt allein wegen meiner Person unumgänglich sei, möchte ich hier einige Dinge klar stellen:
- Es ist korrekt, dass ich dem Antrag 22a gegenüber kritisch war. Dies war ich aber erst ab dem Moment, als er im Detail vorgestellt und damit beurteilbar wurde, vorher habe ich mich in keiner Weise negativ dazu geäußert, weder öffentlich noch privat, da ich fand, dass man der Reform eine Chance geben sollte.
- Es ist korrekt, dass ich in Interviews und öffentlichen Äußerungen ab einem bestimmten Punkt die Reform kritisiert habe. Soweit es mir möglich war, habe ich hierbei aber immer betont, dass dies meine eigene Meinung, nicht die des ganzen Verbandes ist. Ich habe auch immer erwähnt, dass Vorstandsmitglieder des DKV hinter der Reform stehen und es hierüber unterschiedliche Meinungen gibt.
- Ich habe kein einziges Mal ein kritisches Statement „im Namen des DKV“ gegen die Reform abgegeben, sondern immer differenziert, dass es sich um meine eigene Einschätzung handelt.
- Ich stelle fest, dass es nirgendwo in der Satzung des DKV einen Passus gibt, der dem Präsidenten verbietet, eine kritische Position zu einem GEMA-Antrag zu haben. Umgekehrt habe ich auch die Meinung von Befürworter:innen der Reform kein einziges Mal diskreditiert oder zensiert, sondern es ausdrücklich begrüßt und unterstützt, wenn jede Meinung frei formuliert werden konnte.
- Es ist korrekt, dass ich mich in der öffentlichen Diskussion auch satirischer Mittel in Social Media bedient habe. Satire und Ironie sind normale Mittel in einer politischen Diskussion, sie sind in einer Demokratie ausdrücklich erlaubt und gesetzlich von der Meinungsfreiheit geschützt. Da der Antrag 22a direkte Auswirkungen auf die Kulturpolitik in Deutschland gehabt hätte, war der Grund für eine politische Diskussion in der Öffentlichkeit gegeben.
- Mir wurde vorgeworfen, ich hätte die GEMA diskreditiert oder den Aufsichtsrat persönlich angegriffen. Das ist falsch – Kritik ist keine „Diffamierung“ – Diffamierung ist die Verbreitung von Unwahrheiten. Nach meinem besten Gewissen habe ich keine Unwahrheiten verbreitet, sondern jeweils einzelne Aspekte der Reform kritisiert bzw. ironisch überhöht. Auch habe ich kein einziges Mal Aufsichtsratsmitglieder persönlich adressiert oder in irgendeiner Form diffamiert oder angegriffen.
- Meine Artikelserie „100 Argumente gegen die GEMA-Reform“ enthält nach meinem besten Gewissen keine „Unwahrheiten“. Tatsächlich ist nur ein kleiner Teil der Argumente von mir so formuliert, der Großteil besteht aus Zitaten verschiedenster Diskussionen über die Reform, die ich mit DKV-Mitgliedern sowohl aus E- wie auch der U-Musik geführt habe.
- Mir wurde vorgeworfen, ich hätte mich mit meiner Kritik an der Reform direkt gegen die U-Musik und damit gegen Mitglieder meines eigenen Verbandes gewendet. Das ist falsch. Ich habe in jeder meiner öffentlichen Äußerungen und Interviews immer wieder betont, dass ich die Ausgangslage, die zur Reformidee geführt hat, äußerst ernst nehme und mir auch die Anliegen von U in der Sache besonders wichtig sind. Ich habe auch immer wieder betont, dass ich es richtig finde, eine genreoffenere Förderung zu ermöglichen und die Situation für U-Kolleg:innen zu verbessern. In meinen Redebeiträgen bei der Versammlung habe ich hierzu konkrete Vorschläge gemacht, auch habe ich einen Antrag unterstützt, der eine Neuformulierung der Reform gemeinsam mit Vertretern aus U anstrebte. Für diesen Weg stehe ich auch weiterhin ein – mir sind die Belange von VERSO und der DEFKOM genauso wichtig, wie die aller anderen Fachgruppen. Als Präsident muss ich immer dann reagieren, wenn eine Fachgruppe in irgendeiner Form in ihrer Existenz bedroht wird, es ist für mich dabei vollkommen unerheblich, um welche Sparte es sich handelt. Nach meinem besten Gewissen stellte der Antrag 22a eine solche Bedrohung dar, daher war ich verpflichtet zu handeln.
- Mir wurde vorgeworfen, ich sei bei meiner Kritik an der Reform „parteiisch“ für die E-Musik gewesen. Das ist sachlich nicht richtig, denn bei der Analyse der Reform kamen für mich viele negative Aspekte von 22a für die U-Musik zutage, besonders für die U-Sparten, die an der Grenze zu E sind, zum Beispiel Jazz. Auch habe ich immer wieder die Intransparenz der Geldverteilung innerhalb der Reform kritisiert, die nach meiner Einschätzung auch negative Auswirkungen für U gehabt hätte. Es muss grundsätzlich möglich sein, solche Probleme zu benennen, ohne dabei gleich als „parteiisch“ abgestempelt zu werden.
- Ich stelle fest, dass die Reform zuerst von der Verlegerkurie abgelehnt wurde und im Vorfeld auf massive öffentliche Kritik durch eine Vielzahl bedeutender Institutionen stieß, wie es sie in der Geschichte der GEMA noch nie gab. Diese Kritik wiederholte unabhängig von meinen eigenen Aktivitäten immer wieder den Wunsch, die Reform im gemeinsamen Austausch mit allen Genres zu verbessern und zu einem guten Ergebnis zu bringen. Soweit ich beurteilen kann, wurde dieser Wunsch ignoriert und stattdessen von GEMA wie auch Aufsichtsrat signalisiert, dass man die Reform auf jeden Fall durchbringen wolle, auch gegen die ausgedrückten Sorgen und vielfache Kritik vieler Menschen innerhalb und außerhalb der GEMA. Mein Eindruck ist, dass gerade dieses „Mauern“ der Hauptgrund für die später von manchen als Eskalation empfundene Situation war und es begrüßenswert wäre, wenn es im nächsten Jahr anders kommt.
- Nachdem die Reform gescheitert ist, habe ich in allen öffentlichen Äußerungen betont, dass es jetzt meine Hoffnung ist, gemeinsam mit dem DKV in eine friedliche und konstruktive Diskussion mit der GEMA einsteigen zu können. Gegenüber meinem Vorstand habe ich betont, dass ich meine öffentliche Person hier gerne positiv einbringen würde, um eine solche Diskussion mit PR zu unterstützen. Hierfür stehe ich mit meinem Wort ein, Voraussetzung dafür ist natürlich, dass diese friedliche Diskussion gewünscht ist, was ich nach wie vor hoffe. Hierzu gibt es aber bisher keinerlei Signale, weder von der GEMA, noch von den Vorstandsmitgliedern des DKV, die auch im Aufsichtsrat sind.
- Ich stehe auch dafür ein, dass der DKV eine vermittelnde Rolle bei der Neuaufstellung einer Reform einnehmen kann. Hierbei ist es für mich wichtig, dass alle Fachgruppen bei diesem Prozess beteiligt werden. Alle Perspektiven auf die Reform sind wichtig und man muss alle Argumente ernst nehmen, sie aber auch auf ihre konkreten Auswirkungen hin möglichst transparent untersuchen können. Ich hoffe sehr, dass die GEMA uns bei diesem Weg unterstützt, wozu auch gehören würde, dass man auch Kritik und andere Positionen zulässt, ansonsten ist es keine Diskussion.
Ein paar weitere im Raum stehende und wiederholt formulierte Vorwürfe möchte ich mit Klarstellungen adressieren:
- Als Mitglied u.a. des Programmausschusses E-Musik wurde ich ab Juni 2024 zu keiner einzigen Sitzung geladen, auf der man sich über die Reform hätte austauschen können. Vielfach wurde behauptet, ich sei trotz Einladung nicht erschienen, das ist falsch. Die fehlenden Einladungen geschahen zu einem Zeitpunkt, als ich kein einziges kritisches Wort über die Reform verloren hatte und mich auch nicht dazu positioniert hatte. Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt, es gab keinerlei Konflikte zu diesem Zeitpunkt. Auch eine Einladung zur erweiterten Verteilungsplankommission blieb aus, obwohl ich als Vertreter der FEM normalerweise dazu geladen worden wäre. Als nach wie vor gelisteter Sachverständiger bekomme ich zur Zeit keinerlei Informationen mehr von der GEMA.
- Nach einem Schreiben von mir an die Mitglieder des DKV wurde der Vorwurf laut, ich hätte einen „Nazivergleich“ verwendet. Ich habe umgehend eingeräumt, dass ich einen solchen Vergleich nie intendiert hatte und habe mich für das für manche anscheinend missverständliche Zitat aus einer GEMA-eigenen Publikation des Autoren Albrecht Dümling ausdrücklich entschuldigt. Diese Entschuldigung habe ich bei der OMV vor der GEMA-Versammlung wiederholt. Der Autor Albrecht Dümling hat kurze Zeit später eine fast identische Formulierung in seinem FAZ-Artikel zur GEMA-Reform verwendet, um auf die historische Dimension der GEMA-Reform hinzuweisen (ohne mit mir darüber in Kontakt zu sein). Ich stelle fest, dass ihm kein „Nazivergleich“ unterstellt wurde und dieser Vorwurf auch jetzt – ein halbes Jahr später – nicht gegen ihn immer wieder laut wird, so wie es bei mir der Fall ist. Ich würde begrüßen, wenn man meine Entschuldigung zur Kenntnis nimmt und feststellt, dass ich diese Formulierung bei der Diskussion um die Reform kein einziges Mal wiederholt habe und dies auch in Zukunft nicht vorhabe. Der immer wieder laut werdende Vorwurf gegen mich erzeugt aber den Eindruck, ich würde mich nach wie vor so äußern. Das ist nicht richtig.
Gezeichnet
Moritz Eggert
Präsident des DKV
Komponist