100 Argumente gegen die GEMA-Reform (10. und letzter Teil)

Was bisher geschah:
In nur wenigen Tagen werden die Weichen gestellt – wollen wir eine GEMA die sich modernisiert und dabei die Belange ihrer Mitglieder ernst nimmt, um einen allen vermittelbaren Konsens zu erreichen (Antrag 22b)?
Oder wollen wir eine GEMA, die auf Teufel komm raus ein unfertiges und ungerechtes Projekt durchzieht, gegen den Willen eines gewichtigen Teils ihrer Mitglieder und allen laut geäußerten Bedenken der wichtigsten musikalischen Institutionen sowie der Öffentlichkeit dieses Landes zum Trotz? (22a)
Leider werden nur wenige Menschen darüber entscheiden können. Ich kann nur hoffen, dass sie richtig wählen.
91. Die Revolution frisst ihre Mütter und Väter Es ist erstaunlich, wie schnell vergessen wird, woher viele Ideen in der Pop-Musik ursprünglich kommen. Ohne die Arbeit der vielen Pioniere der E-Musik z.B., die in elektronischen Studios an den Grundlagen der Musikelektronik arbeiteten, gäbe es kein Sampling, keine analogen wie digitalen Synthesizer, kein Ableton und kein ProTools. Die gesamte Technologie der heutigen Musikproduktion basiert auch auf der Arbeit von Komponistinnen und Komponisten wie Delia Derbyshire, Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez und und und…alles E-Komponierende. Wer meint, dass das jetzt alles der letzte Stand für immer sein wird, vergisst, dass auch heute die E-Musik weiterhin der Bereich ist, in dem innovative Ideen entstehen. Wir sollten diesen Bereich daher nicht so schwächen, dass er sich nie wieder erholen kann.
92. Wenn Veranstalter oder Sachbearbeiter schlampig arbeiten, werden Komponierende härter als bisher bestraft Siehe Seite 85-GO.FKF §4.Abs.3 : „In Zweifelsfällen erhält das Werk die Punktzahl 1“. Wenn also unklar ist, ob 18 oder 19 Instrumente, wird einfach aus 10 oder 20 die Punktzahl 1. Das zeigt den ganzen Unsinn der Stufeneinteilung von KUK.
93.Es wird zwar immer behauptet KUK nehme auch an der Wertung U teil, aber de facto sind die Hürden extrem hoch Wie viel Anteil hat KUK an der Wertung U und was ist mit den ehemaligen E-Leuten, die in U landen? Diese Frage wird im Antrag nicht beantwortet. Warum gibt es bei 12 Mitgliedern im Wertungsausschuss nur ein einziges KUK-Mitglied, und das darf dann nur entscheiden, wenn es um KUK-Werke geht? Diese Frage kann man sich selbst beantworten.
94. Die GEMA besteht den Faktencheck nicht mit der Behauptung, alle anderen Verwertungsgesellschaften hätten den Unterschied zwischen E und U abgeschafft, bis auf die AKM (Österreich) Es gibt noch mehrere weitere, z.B. Slowenien. Das ist aber anscheinend nicht wichtig genug. Auch haben die Verwertungsgesellschaften, die E und U abgeschafft haben, zum Teil immer noch eine wesentlich bessere Förderung von zeitgenössischer Musik als die GEMA sie nach der Reform plant. In anderen Verwertungsgesellschaften sind E-Komponierende auch wesentlich stärker vertreten als hierzulande, die Reform will dagegen die Präsenz von E (dann KUK) sogar noch zusätzlich einschränken und es damit aus den Entscheidungsprozessen ausschließen.
95. Andere Verwertungsgesellschaften machen einiges ganz gut, die GEMA kopiert aber nur das, was sie schlechter machen Die ASCAP kennt zum Beispiel eine Kollektivverteilung nach Punktwert für alle Genres, die speziell Livemusik nach Besetzungsgröße bevorzugt, genau wie bei uns in E, nur für alle. Die PRS reserviert 10% für „classical music“, ohne Verpflichtung zu „Mundart“ oder „Verzahnung von Text und Musik“, Warum soll man nur Schlechtes von anderen kopieren, die sinnvollen Ideen aber ignorieren? Wir wiederholen: eine bessere Reform ist möglich, man muss sich nur umschauen und sie klug angehen.
96. Die zeitgenössische Musik im Niedergang? Von wegen…Es gibt ja gottseidank auch andere Quellen, zum Beispiel Bachtrack.de, eine der international bedeutendsten Plattformen für klassische Musik. Wir zitieren: „Ein bemerkenswertes Ergebnis der letzten zehn Jahre ist die stetige Zunahme der Programmgestaltung mit Musik von lebenden Komponist*innen. Seit 2013 ist der Anteil der zeitgenössischen Musik in unseren Programmen weltweit von etwa 6% auf 14% gestiegen (in Deutschland von ca. 4,8% 2013 zu ca. 11,5% in 2023) Dieser Trend spiegelt sich in vielen einzelnen Ländern wider: im Vereinigten Königreich von 6% auf 15% und in den USA von 7,5% auf 20%.“ (https://bachtrack.com/de_DE/classical-music-statistics-2023) Wie das mit der Behauptung der GEMA zusammengeht, dass es abwärts geht, zeigt, wie manipulativ hier argumentiert wird. Es kann nicht sein, dass nachweislich MEHR zeitgenössische Musik gespielt wurde als jemals zuvor und es dafür keine Einnahmen gab. Erfreulich ist übrigens auch die Entwicklung der Frauen in der E-Musik – unter den 100 meistgespielten zeitgenössischen Komponierenden waren 30 Frauen (zum Vergleich in der Filmmusik: 9,4%).
97. Man führt „KUK“ als Ersatz für E ein, und sorgt dann dafür, dass niemand aus dem vormaligen E darüber entscheidet – was soll das denn? Im Fokus-Kultur-Ausschuss sitzen 3 Komponierende, 3 Verleger und 2 Textdichter:innen – nur zwei davon „KUK“. Es stehen also 2 KUK-Mitgliedern 3 Nicht-KUK-Mitgliedern gegenüber, in einem Ausschuss, der sich nur mit KUK beschäftigt. Na, dann mal Prost!
98. Musik hat ihren Wert, aber die GEMA erkennt ihn nicht Man kann sich die GEMA wie einen Obstladen vorstellen. Auch ein Obstladen bekommt nicht alle Früchte auf dieselbe Weise, manche sind aufwändiger zu züchten oder müssen anders behandelt werden. Es ist ein Blödsinn zu sagen, dass alle Früchte gleich sind, manche müssen anders gelagert werden, manche sind robust, manche brauchen Unterstützung. Eine erfolgreiche Obstverkäuferin ist sich dieser Unterschiede bewusst und findet eine gute Balance, um ihr Angebot möglichst vielfältig zu halten. Die GEMA ist keine gute Obstverkäuferin, wenn ihr die individuellen Belange ihrer Ware gleich sind und sie alles über einen Kamm schert.
99. Alle Kriterien, die als Grund für die Reform genannt werden, kann man vielfach potenziert in der U-Musik finden Ungerechte Wertung? Check. Undurchsichtige Verteilung in den Segmenten? Check. Großverdiener, die in keinem Verhältnis zum Mittelstand stehen? Doppelcheck. Gefährdung des Repertoires durch drohende kommende Verluste von Rechten? Doppeldoppeldoppelcheck (KI-Musik). Wenn die GEMA ihrer eigenen Argumentation folgen, hätte eine U-Reform die höchste Dringlichkeit. Warum gibt es eigentlich keine U-Reform?
100. Seid froh, dass es E-Musik gibt, sonst hättet ihr alle in den letzten Jahren weniger verdient Klingt falsch? Ist es nicht. Bei all dem Gerede von angeblicher „Quersubventionierung“ trotz komplett getrennter Töpfe – wisst ihr, was eines der Hauptargumente für die 10% SozKult-Abgabe in den letzten Jahrzehnten gegenüber dem Ausland war? Die Existenz der E-Musik. Gäbe es keinerlei E-Musik, wären die 10% SozKult-Abgabe nie und nimmer so lange zu verteidigen gewesen. Darunter gelitten hätte auch die U-Wertung, die 70% davon bekommt. Die E-Musik hat euch nichts weggenommen, im Gegenteil, ihr habt durch sie verdient!
und noch ein Bonus-Argument:
101. Seid kollegial: wählt Antrag 22b In den letzten Wochen habe ich 100 Argumente gegen die GEMA-Reform aufgezählt. Es gibt noch zahlreiche weitere Argumente. Manche werden dem einen Argument mehr folgen, dem anderen weniger. Einige wird man vielleicht ablehnen, andere nicht. Im Grunde ist das aber egal, denn wenn auch nur ein einziges Argument Sinn überzeugt, wäre das ein Grund, den Antrag 22a abzulehnen und FÜR Antrag 22b zu stimmen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit in den letzten Wochen
Euer
Moritz Eggert
Komponist