100 Argumente gegen die GEMA-Reform (6)

Teil 6, 51-60
Was bisher geschah:
„U“ und „E“ sollen abgeschafft werden, verkündet die GEMA. Klingt ja erst einmal gut. Bis man versteht, dass das alles nur eine rosarote Brille ist, die man euch aufsetzt. In Wirklichkeit stehen knallharte Geschäftsinteressen dahinter, denen die bisherige Kulturförderung der GEMA ein Dorn im Auge ist. Was sie euch in ihren Werbespots verschweigen: In Zukunft sollen die Fördermittel nämlich drastisch reduziert werden, was allen – U wie E – schaden wird. Und plötzlich gibt es ein neues „E“ – das heißt dann KUK und belohnt zum Beispiel, das man in „Mundart“ singt, oder in „Kulturorten“ spielt, wo man für die „Verzahnung von Text und Musik“ Extrapunkte bekommt. Klingt erstaunlich nach Applaus von der falschen Seite, hat sich aber die GEMA ausgedacht, und ihr – Du und ich und wir alle – müssen am 14. und 15. Mai in München dagegen stimmen. Außer ihr wollt, dass euch in Zukunft Gremien aus lauter 60-jährigen sagen, was innovativ ist und was nicht.
51. Unangemessene Macht für den Aufsichtsrat Eine der unterschätzten Auswirkungen der Reform ist der Machtzuwachs des Aufsichtsrats in Fragen der Verteilung. Die Frage ist, ob wir das wirklich wollen, vor allem weil es in der Vergangenheit belegte Fälle von Befangenheit und äußerer Beeinflussung gab. Auch jetzt spricht der Aufsichtsrat ganz offen von „Druck von außen“, lässt aber immer nur sehr vage anklingen, wer das eigentlich ist. Es ist gut, dass es einen Aufsichtsrat gibt, es ist gut, dass dieser immer wieder neu gewählt wird, aber es ist nicht gut, wenn seine Macht immer mehr wächst und es immer weniger Kontrollinstanzen gibt. Schon jetzt hat der Aufsichtsrat dafür gesorgt, dass die Reform unter Ausschluss der Mitglieder vorbereitet und formuliert wurde.
52. Die GEMA behauptet, E- und U-Musik wären bei anderen Verwertungsgesellschaften größtenteils abgeschafft. Das stimmt nicht. So kennt zum Beispiel die PRS (England) einen „Live-Classical“-Tarif für klassische Aufführungen, der ganz anders funktioniert als die anderen Tarife. Die ASCAP (USA) hat ein eigenes Anmeldungssystem speziell für klassische Musik, das ähnlich wie bei uns funktioniert. Dass es im Ausland meistens „classical music“ und nicht „E-Musik“ heißt nicht, dass es keine Unterscheidungen gibt, ganz im Gegenteil. Auch die VG Wort unterscheidet zwischen „wissenschaftlichen“ und anderen Texten, und das auch mit gutem Grund. „E“-Musik ist ein Äquivalent zu „wissenschaftlichen Texten“, hier gibt es viele Parallelen. Und ja, auch bei der VG Wort ist die Definition oft schwierig, aber es wird immer wieder neu mit Grund darum gerungen.
53. Die Reform arbeitet mit Klischees, die schon längst überholt sind „E fühlt sich wertvoll und nicht unterhaltend, U wird als wertlos diskriminiert“…diese ollen Kamellen werden ins Feld geführt, um Veränderungen einzuführen, deren sachliche Begründung und Notwendigkeit nicht ausreichend dargelegt sind. Die Mehrheit der E-Komponist:innen lehnt diese Klischees entschieden ab!
54. Für den größten Teil des Repertoires sind die bisherigen Verteilungspläne U und E angemessen und gerecht. Förderungswürdiges Repertoire aus U kann mit den bereits jetzt (!!!) bestehenden Regelungen gestützt und dem „Markt“ entzogen werden. Auf besonderen Antrag werden solche Werke wie E-Musik behandelt und auch aus dem E-Inkasso bezahlt, d.h. die E-Musik subventioniert an dieser Stelle schon jetzt auch U-Musik.
55. Nicht die E-Musik, sondern das in U geltende Inkassoprinzip ist der Grund für die mangelnde Fördermöglichkeiten für Nischenrepertoire und Newcomer in U. Die Einführung einer am Solidaritätsprinzip orientierten Verteilung in U könnte Abhilfe schaffen, dazu braucht es aber keine Reform der E-Musik.
56. Es wird Auswirkungen auf die Sozialkasse geben Davon profitieren eigentlich nur die, die nichts von der Sozialkasse bekommen, weil sie schon genug verdienen. Für einen Großteil der GEMA-Mitglieder stellt die Sozialkasse aber eine wichtige Sicherung dar. Wir sollten in der GEMA den Mittelstand stärken und nicht schwächen! Die GEMA räumt dies selbst ein und warnt uns vor „modellbedingten Folgeanpassungen“. Da sollte man hellhörig werden!
57. Rechtenachfolger:innen in U und E sollen keine Wertungsgelder mehr bekommen – ist das wirklich so toll? Da man praktischerweise genau diesen Rechtenachfolger:innen die Stimme entzogen hat, können sie sich nicht mehr dagegen wehren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es zahlreiche Stiftungen des öffentlichen Lebens gibt (für U und E), die von solchen Geldern existieren. Und vielleicht würde man sich selbst freuen, wenn die eigenen Nachkommen eine Zeit lang von den ja nicht aus dem Nichts kommenden und hart erarbeiteten GEMA-Wertungsgeldern profitieren könnten. Wenn hier zu viele Gelder ausgeschüttet werden nach Ansicht der Gemeinschaft, könnte man die Summen begrenzen und sie mehr auf das aktuelle Tantiemen-Aufkommen beziehen, aber sie ganz zu streichen ist eine radikale und zu harte Maßnahme, die viele negativ betreffen wird.
58. Die Reform gefährdet die Freie Szene und kleine Veranstalter Da nun der Aufführungsort eine Rolle bei der Verteilung von Förderungen spielt („KUK“-Punkte), werden kleinere Veranstaltungsorte und lokale Festivals, die häufig vor allem U-Musik präsentieren, enorm unter Druck geraten. Wenn die Ausschüttungen für Künstler:innen an einigen dieser Orte sinken, können diese an Attraktivität verlieren oder sogar eingehen, was die Live-Musikszene insgesamt schwächen würde. Auch hier zeigt sich, wie unglücklich es ist, wenn die GEMA plötzlich über die Relevanz von Aufführungsorten entscheidet.
59. Die Reform gefährdet die kulturelle Infrastruktur unseres Landes insgesamt Verlagssterben, Reduktion von Attraktivität bestimmter Spielorte, Marginalisierung von Kirchenmusik, Jazz und genreübergreifender Sparten, die trotz schöner Worte nicht gut von den neuen Förderkriterien abgebildet werden, die Entwertung von Hochschulausbildung, das Ausbluten des Mittelstands, die unangemessene Einmischung der GEMA in den kulturellen Diskurs, das Abtöten von Innovation in U und E durch die komplette Vernichtung einer bisher wichtigen und von der GEMA immer wieder verteidigten Kategorie…all dies wird massive Auswirkungen auf das Musikleben in Deutschland haben, die die Reformbetreiber anscheinend weder verstehen noch wirklich einkalkuliert haben. Hier sind klügere Ansätze gefordert als die vorliegenden.
60. Hinter der Reform steht nicht die Mehrheit der GEMA-Mitglieder, denn dazu hätten paritätisch die von der Reform betroffenen Sparten in den Reformprozess einbezogen werden müssen, was aber nicht geschah. Es wird aber versucht, Größenverhältnisse (9,4% E gegenüber 90,6% U) zu missbrauchen, um populistisch Stimmung gegen eine Minderheit zu machen. Wer davon profitiert? Nicht etwa die normalen Mitglieder, sondern finanzstarke Stakeholder, zum Teil aus dem Ausland.
(tbc)
Komponist