Die Reform muss reformiert werden – ein offener Brief (nicht nur) an die Mitglieder des DKV
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Da mich viele von euch gebeten haben, zu den jetzt stattfindenden Informationsveranstaltungen der GEMA (Morgen zum Beispiel für die außerordentlichen Delegierten) ein paar Worte zu sagen, möchte ich dies gerne tun. Es sind persönliche Worte, die nicht für den ganzen Vorstand sprechen können. Sie stellen kein offizielles Statement des DKV dar.
In den letzten Wochen hat sich die vorgeschlagene GEMA-Reform in diversen Veranstaltungen auf eine Weise präsentiert, die erstaunlich unprofessionell wirkt. Auf Schautafeln werden unterschiedliche Begriffe verwendet, Statistiken werden mit falschen oder unklaren Zahlen präsentiert, der Umgang mit Fragen und Kritik wirkt unsouverän bis hin zum Stummschalten unliebsamer Kommentare. Man hat den Eindruck, dass die GEMA hier improvisiert und Sympathien für ein Vorhaben erzeugen will, das nicht genug durchdacht wurde und für das man nun dennoch einen generellen Freischein will. Noch nie in der Geschichte der GEMA wurde eine so dramatische und umfassende Satzungsänderung vorgeschlagen, bei der man gleichzeitig komplett im Dunkeln über die wahren Konsequenzen gelassen wird.
Was mich dabei wundert: Es wäre nun wirklich ein leichtes gewesen, Vertretende unserer verschiedenen Interessengruppen im Vorfeld in den Reformprozess auf eine Weise einzubeziehen, die eine Akzeptanz erzeugt hätte. Das dauert vielleicht länger und geht nicht so schnell wie vielleicht gerade gewünscht, hätte aber dann den Vorteil, dass es demokratisch und nachhaltig wäre und alle mit im Boot sind.
Dass dies nicht geschehen ist, sollte uns zu denken geben, auch die seltsame Geheimniskrämerei der GEMA, die hier eher agiert wie ein Konzern, nicht wie ein Verein (was sie nach Paragraf 22 BGB ist). Presseanfragen werden nicht beantwortet, was unnötiges Misstrauen in der Öffentlichkeit weckt und das leider oft schlechte Image der GEMA eher verstärkt als mildert. Anstatt auf eine transparente und verbindliche Art Sympathien für die Reform zu erzeugen, gibt es vage Versprechungen und überzogene Vorwürfe gegen Kritiker, was nur Zwietracht sät und nicht konstruktiv ist.
Wir müssen verstehen, dass das gesamte Reformvorhaben so gestaltet ist, dass es von dem eigentlichen Punkt ablenken soll, um den es in Wirklichkeit geht. Die Debatte um die Reform der E-Musik ist nur ein Scheingefecht, in Wirklichkeit geht es um die Abschaffung des 10% Abzugs für soziokulturelle Zwecke, die allen Genres gleichermaßen zugutekommt. Dies würde weniger für alle bedeuten. Die Umverteilung durch die Reform würde dies nicht abmildern, auch wenn euch das jetzt so dargestellt wird. Hierzu muss man nur die 1,3% Gesamtverteilung an die E-Musik zu den genannten 10% in Bezug bringen. Aus weniger kann nicht mehr werden, so viel ist sicher.
Die GEMA betont gerne, dass sie in ihrer Verteilungsstruktur nicht mehr mit anderen Verwertungsgesellschaften kompatibel ist und Angst hat, den Anschluss zu verlieren. Viele dieser Probleme – veraltete bürokratische Vorgänge, sinnloser Verwaltungsaufwand an falschen Stellen – sind aber hausgemacht und haben nicht im Geringsten irgendetwas mit E und U zu tun. Es wird also ein Pflaster an einer Stelle angelegt, an der gar keine Wunde ist.
Dass die GEMA mit ihren Verteilungsprinzipien im internationalen Vergleich eine Art „gallisches Dorf“ ist, ist keineswegs eine Schwäche, sondern kann zur Stärke werden, wenn wir alle solidarisch an einem Strang ziehen. Die GEMA sollte sich nicht dafür schämen, „anders“ zu sein, sondern es als Chance und Alleinstellungsmerkmal sehen. Dass die GEMA oligarchischen Tendenzen der Global Players in der Musikwelt immer wieder auch Widerstand geleistet hat, macht sie sympathisch, nicht unsympathisch. Sie ist Vorreiter in vielen Dingen, und kann dies weiterhin bleiben, wenn sie die Anstrengungen in die richtige Richtung lenkt, zum Beispiel mit verschärften und meiner Ansicht nach überaus berechtigten Forderungen an KI-Konzerne.
Ein Reformvorhaben ist an sich eine gute Sache, denn es ist in unser aller Interesse, dass die GEMA Geld einspart und effizienter agieren kann. Dies geht aber nur, wenn wir mit Vertretern aller Genres einbezogen werden, mit den Experten der GEMA an einem Tisch sitzen und einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten, mit dem alle glücklich sind. Ansonsten ist diese Reform ein Diktat mit ungewissem Ausgang.
Mehr Gerechtigkeit und Vereinfachung in der Verteilung sind möglich. Ich persönlich sehe große Chancen darin, die Abrechnung von Livekonzerten generell mehr zu begünstigen und damit dafür zu sorgen, dass wieder mehr Geld bei den individuellen Urheberinnen und Urhebern landet. Wir brauchen ein System, das durchlässiger ist als bisher. Wir brauchen ein System, bei dem wir nicht unterschiedliche Musik gegeneinander ausspielen müssen, dabei aber auch deren Eigenheiten anerkennen und fördern.
Es ist abzusehen, dass KI- und elektronisch produzierte Musik den Markt in Zukunft dominieren werden, daher macht es Sinn, genau das Gegenteil davon – Livemusik – besonders zu begünstigen, denn das kommt der Musikszene in unserem Land insgesamt zugute, nicht nur Komponierenden. Damit würde die GEMA ihren Kulturauftrag glänzend erfüllen, vielleicht sogar irgendwann einmal ohne Werkausschuss und ohne die altmodischen Begriffe U und E oder das neu angedachte und äußerst unglücklich benannte KuK (ob das nun „Kunstmusikkonzert“ oder „Kulturkonzert“ heißt, wissen die Macher der Reform glaube ich selbst nicht so genau, vielleicht dachten sie auch an Sisi).
Mir ist bewusst, dass man sich mit Kritik jeglicher Art immer in die Schusslinie begibt. Ich bin bereit, das auszuhalten. Zu einer Streitkultur gehört auch, dass es intern auf Vorstandsebene des DKV unterschiedliche Meinungen gibt und man dennoch versucht einen Konsens zu finden.
Dass ich nicht Teil des GEMA-Aufsichtsrats bin, sehe ich hier als Vorteil, denn dadurch bin ich frei von jeder Vermischung von Interessen auf der politischen Ebene. Ich habe keinerlei verborgene Agenden, keinerlei geheime Eigeninteressen. Wenn ich sage, dass mir die Zukunft der Komponierenden aller Genres in diesem Land ein Anliegen ist, dann meine ich dies aus vollem Herzen. Einen Freischein für diese unfertige Reform werde ich daher nicht geben, weil ich das euch gegenüber verantwortungslos fände.
Ich würde mich freuen, wenn wir jetzt einen klaren Kopf bewahren und zusammenstehen. Unbequemes jederzeit anzusprechen, empfinde ich als Verantwortung, ebenso mich nicht zum willfährigen Gehilfen von Ideen zu machen, die das verraten, was die GEMA ausmacht. Das – und nur das – meine ich, wenn ich von einer historischen Dimension spreche, die bei einem solchen Reformvorhaben der Hintergrund ist.
Der DKV ist der GEMA freundlich gesinnt, darf aber auch nicht zur Marionette der GEMA werden. Wir sind ein unabhängiger Partner mit Wunsch zum Diskurs auf Augenhöhe. Dieser Diskurs sollte ohne Taktieren im Hinterzimmer und Ablenkungen auskommen. Er sollte im Offenen stattfinden.
Krisen sind auch Chancen. Chancen, miteinander zu reden, Chancen, unterschiedliche Positionen zusammenzubringen. Hierzu bin ich jederzeit und weiterhin bereit. Meine Hoffnung ist, dass sowohl die GEMA als auch der DKV aus dieser Diskussion gestärkt hervorgehen. In Fairness, Respekt und Solidarität.
Euer Präsi
Moritz Eggert
Komponist