Statement zur anstehenden GEMA-Reform
Das folgende Statement wird heute durch Iris ter Schiphorst bei der Infoveranstaltung der GEMA zur anstehenden GEMA-Reform verlesen, bei der ich wegen einer Konzertverpflichtung nicht persönlich anwesend sein kann.
Grundsätzlich sieht der DKV sich als Partner der GEMA. Gerade deswegen bin ich verpflichtet, die bisherige Kommunikation der GEMA in dieser Sache deutlich zu kritisieren. Wenn die GEMA sich als Solidargemeinschaft versteht, kann es nicht angehen, dass genau das Genre, um dessen Zukunft es hier geht, nicht in die Entscheidungsprozesse einbezogen wird, deren Fahrplan hier jetzt verkündet wird. Wir müssen Teil dieses Prozesses sein und fordern dies hiermit dezidiert.
Zahllose E-Komponierende haben sich mit Ideen und Vorschlägen für eine Reform auf Aufforderung der GEMA hin gemeldet. Im Laufe dieses Prozesses kam es zu erstaunlich vielen vermeidbaren Pannen. Und es ist nicht zu abzusehen, dass in der angekündigten Reform auch nur irgendeiner dieser Vorschläge aufgenommen wird. Das gibt dem Ganzen den Charakter einer Alibi-Veranstaltung. Besonders problematisch ist, dass zahllose Fragen zur Abrechnung und zu den Hintergründen der Reform nicht beantwortet wurden, obwohl sie konstruktiv von uns gestellt wurden.
Dass diese Reform Gräben aufzureißen droht, ist unnötig, denn als Komponierende schätzen wir die GEMA. Dass sie wichtig für den Erhalt von Musik sein soll, die vornehmlich für eine kulturelle und nicht für eine kommerzielle Verwertung komponiert wird, ist im Sinne ihrer Gründer. Dass dies in jeder Zeit neu gedacht werden muss, ist uns bewusst, daher bemühen wir uns seit vielen Jahren hier Vorschläge einzubringen, leider ohne jeglichen Widerhall.
Was nun droht, ist eine solch radikale Umwandlung des bisherigen Systems, dass es die Existenz der E-Musik an sich gefährdet. Schon bei der Ankündigung der Reformen heute war von einem „Ausgleichsfonds um Härten zu verringern“ die Rede, was schon Schlimmstes ahnen lässt, denn das heißt, dass den Initiatoren dieser Reform diese Härten sehr wohl bewusst sind. Dieser Fond läuft 2028 aus, und dann schlagen die Konsequenzen der Reform voll ein. Wie es bei Inkasso-Abrechnung und einem drohenden Wegfall der E-Wertung (die z.B. im Jahr 2022 nur 1,3 Prozent der Gesamterträge der GEMA ausmachte) es in Zukunft jemals möglich sein soll, irgendwann einmal ordentliches Mitglied zu werden, bleibt eine unbeantwortete Frage. Schon jetzt sind es viele bedeutende Kolleginnen und Kollegen nicht. Würde Johann Sebastian Bach in diesem neuen System wirken, er wäre bei der GEMA ein kleines Licht, ohne jede Chance auf ordentliche Mitgliedschaft, da seine Aufführungen allesamt kein Inkasso im heutigen Sinn erbrächten.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Marginalisierung von E in den Machtstrukturen der GEMA erlebt. Einst war gewährleistet, dass E-Komponierende wirklich eine garantierte Stimme im Aufsichtsrat hatten, diese Zeiten sind lange vorbei. Wir wehren uns gegen diese drohende Marginalisierung, und gegen eine fremdbestimmte Orientierung der GEMA, die die ursprünglichen Absichten ihrer Gründer zutiefst verrät. Das Geld, was hier umverteilt werden soll, geht an ausländische Großkonzerne, wozu es keinerlei Zwang gibt.
Die GEMA hätte die Möglichkeit, viel selbstbewusster den Erhalt der E-Musik zu fördern, gerade weil sie im internationalen Geschäft viel mehr zugunsten von Urheber:innen bewirken konnte als andere Verwertungsgesellschaften. Auch in der Frage der Vergütung von KI-Musik wird die GEMA aller Wahrscheinlichkeit nach Vorreiter sein und für bessere Konditionen für Rechteinhaber sorgen als andere. Damit wirkt eines der Hauptargumente für die Reform – nämlich das angeblich drohende Abspringen von gewichtigen Rechteinhabern – wie ein vorgeschobenes Scheinargument. Die GEMA wird auf jeden Fall attraktiv bleiben und hat es nicht nötig, die E-Musik auf die Schlachtbank zu schicken. Wir sind es leid, dass die E-Musik ständig kleingeredet wird – sie trägt mit einer nachweislich wachsenden Anzahl von Liveaufführungen maßgeblich zum Kulturleben und zur Musikvermittlung bei. Das Motto der GEMA lautet: „Musik hat ihren Wert“, und um einen solchen nachhaltigen Wert geht es bei der E-Musik unbedingt.
Eine der Ideen der Reform ist es, die bisher inhärent im System der Wertung eingebaute Kulturförderung abzuschaffen und zu einer Art Fonds umzuwandeln, der frei verteilt werden kann. Eine der großen Stärken des alten Systems ist aber, dass es fördert, ohne ästhetische Kriterien bemühen zu müssen. Ist es die Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft, zu entscheiden, was „in“ und was „out“ ist, was „gehoben“ und was „gewöhnlich“ ist, sowohl in anspruchsvoller als auch populärer Musik? Es wäre eine schreckliche Vorstellung, die GEMA als Geschmacksinstanz von Musik zu sehen, von deren Tantiemen sie dann selbst profitiert.
Was an einer Musikhochschule oder einem Konservatorium unterrichtet wird, dient auch dem Erhalt eines wichtigen kulturellen Erbes, nämlich der Fähigkeit, auf gehobenem Niveau Noten lesen, schreiben und erfinden zu können. Das sind spezialisierte Studien von großer Komplexität, in die junge Menschen Jahrzehnte von Kindesalter an investieren müssen. Dies mit den Mitteln einer Verwertungsgesellschaft zu fördern ist fraglos Förderung von Kultur und Bildung, die zunehmend unter Beschuss von populistischen Kräften sind. Hier muss die GEMA dagegenhalten, nicht nachgeben. Die Förderung der E-Musik in die Tonne zu kippen, hieße unsere gesamte Musikgeschichte zu verraten, die unser Land besonders auszeichnet.
Aufgrund all dieser berechtigten Sorgen und offenen Fragen muss E in den Reformprozess mehr einbezogen werden, als es bisher geschah. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Sparten sollten gewichtig besetzte Arbeitsgruppen entstehen, die uns E-Komponierenden die Möglichkeit geben, den Reformprozess – gegen den wir uns keineswegs grundsätzlich stellen – aktiver mitzugestalten, als es bisher der Fall war, nicht nur als Zaungast oder Stichwortgeber. Nur dann werden wir ihn mit unserer Stimme mittragen, sonst nicht.
Die GEMA sollte den Unmut und Widerstand sowie die wachsenden kritischen Stimmen von bedeutenden Institutionen aus der Kulturszene sehr ernst nehmen, wenn sie nicht massiven Imageschaden erleiden will.
Wenn über E entschieden wird, muss E auch wirklich mit am Tisch sitzen, und nicht nur vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wir sind jederzeit bereit, uns einzubringen, das geht aber nur, wenn uns die Möglichkeit dazu gegeben wird.
Moritz Eggert, Präsident des DKV
Komponist