Vorschläge für eine Reform innerhalb der GEMA
Vorschläge für eine Reform innerhalb der GEMA
Die GEMA hat in der letzten Sitzung zu Vorschlägen zu einer Reform der E-Wertung und Abrechnung aufgerufen. Dies sind die Vorschläge, die ich an die GEMA sende und hiermit öffentlich mache.
Vorrede:
Wir müssen uns klar machen, dass die lauter werdenden Stimmen zu einer Reform der E-Musik innerhalb der GEMA nicht daher kommen, dass mit der E-Musik etwas „nicht stimmt“. Auch wenn wir alle unglücklich mit dem Begriff „E-Musik“ sind und diesen als zunehmend anachronistisch und exklusiv empfinden, ist der soziokulturelle Auftrag der GEMA etwas, das sie auszeichnet, das sie hervorragend erledigt und der grundlegend richtig und wichtig ist.
Wenn ein zunehmender Druck von ausländischen Lizenzinhabern nun dazu führt, dass die E-Musik innerhalb der GEMA in die Tonne gekippt wird, so hieße das zu kapitulieren vor einer zunehmend kommerzialisierten Welt, die der individuellen Leistung von Urheber:innen generell (U wie E) immer weniger Respekt entgegenbringt. Wir Urheber:innen ziehen schon lange den Kürzeren – im Streaming wie bei der nun aufkommenden KI-Musik. Gerade deswegen sollten wir das, was unter dem komplizierten Begriff E-Musik innerhalb der GEMA existiert, als Think-Tank für Ideen hegen und pflegen, anstatt es kaputt zu reformieren.
Dass das Aufkommen der E-Musik im Vergleich zur Ausschüttung gesunken ist, ist nicht die Schuld der Komponierenden, und das Missverhältnis bedeutet auch nicht, dass die E-Musik „überbewertet“ ist. Die Höchstverdiener der E-Musik verdienen lächerliche Summen gegenüber den Höchstverdienern der U-Musik. Wir neiden dies den Kolleginnen und Kollegen nicht im Geringsten, wollen aber auch nicht marginalisiert werden, nur weil das, was wir machen, seine Wichtigkeit nicht durch einen kommerziellen Erfolg bekommt.
Die folgenden Reformideen würden zur Entspannung der Lage einen Beitrag leisten und uns gegen die Drohungen von Lizenzinhabern von außen wappnen. Auch wenn sicherlich nicht alle auf einmal umgesetzt werden können, ist es mir dennoch ein Anliegen, sie grundsätzlich zur Diskussion zu stellen, da wir als GEMA (und wir sind eine Solidargemeinschaft) alle davon profitieren können.
VORSCHLAG 1:
DIE E-MUSIK-WERTUNG UND ABRECHNUNG BLEIBT SO WIE SIE IST, WIRD ABER INKLUSIVER
Von Seiten der Komponierenden der E-Musik ist nichts grundsätzlich falsch mit der E-Musik-Abrechnung. Sie funktioniert ziemlich hervorragend. Die Probleme der letzten Jahre haben eher damit zu tun, dass immer wieder Dissens darüber herrscht, was eigentlich E ist. Von einer akademischen Perspektive lässt sich E relativ leicht definieren. Eine Ausbildung als Komponist:in im Rahmen eines Studiums ist ein sehr selektiver Prozess mit vielen Hürden und verlangt von den Studierenden auch eine langfristige Investition in ein langes Studium, das sogar bei den Erfolgreichsten unserer Branche nur im besten Fall erst nach Jahrzehnten in eine Situation mündet, in der man tatsächlich von Kompositionsaufträgen leben kann. Wir erkennen aus dieser Perspektive sehr schnell, was E ist und was nicht.
Wir sind uns aber ebenso einig, dass der Begriff E zu engt gefasst ist, dass es auch in U und außerhalb des akademischen Raums Werke gibt, die neue ästhetische und vor allem nachhaltige Ideen beinhalten, die den unseren nicht im Geringsten nachstehen. Diese zu definieren ist aber unglaublich schwer und oft erst nachträglich zu beurteilen.
So ist zum Beispiel das erste Album der Beatles definitiv „U“ nach dieser Überlegung, das „Weiße Album“ aber ebenso definitiv „E“ in seiner Nachhaltigkeit. Es müsste der U-Musik gelingen, hier Kriterien zu erstellen, die E als Konzept inklusiver machen. Von E-Perspektive spricht nicht im Geringsten etwas dagegen, denn wir freuen uns, wenn die E-Einnahmen wieder in ein besseres Gesamtverhältnis kommen. Ein sogenannter „K-Faktor“ ist hier eine grundsätzlich gute Idee, aber es liegt an der U-Musik, hier die Kriterien zu erweitern, wir als E würden das sehr begrüßen.
VORSCHLAG 2: GROSSES RECHT WIRD ÜBER DIE GEMA ABGERECHNET
In einigen wenigen Ländern (zum Beispiel Belgien) existiert dies und funktioniert auch. Sowohl Bühnenwerke als auch konzertante Werke werden über die nationale Verwertungsgesellschaft abgerechnet.
Wenn dies in Deutschland auch so wäre, würde dies nicht nur der E-Musik, sondern der gesamten GEMA, also auch U, enorm zugutekommen.
Faktisch ist es so, dass viele bedeutende E-Komponierende in der GEMA keinerlei Rolle spielen, weil ihr Werk hauptsächlich musiktheatralisch ist. Wenn ihr Schwerpunkt auf zum Beispiel Musiktheater oder Kinderoper ist, werden sie nie oder nur sehr schwer ordentliches Mitglied und tragen zu den Gesamteinnahmen der GEMA nichts bei, obwohl sie viele Aufführungen haben, die auch viele Menschen erreichen. Noch schlimmer: die meisten jungen Komponierenden wissen gar nicht, dass so etwas wie Großes Recht überhaupt existiert, und werden von z.B. Opernhäusern entweder mit kleinen Pauschalen oder gar nicht für die Rechte bezahlt, die ihnen eigentlich zustehen. Es findet in Deutschland eine unglaubliche Menge von musiktheatralischen Aufführungen statt, bei denen keinerlei Tantiemen ausgezahlt werden, was eigentlich ein Unding ist. Würden Musiktheaterwerke aller Genres (also auch Musicals) berücksichtigt, wäre der E-Anteil daran sehr groß, vermutlich sogar größer im Vergleich zu konzertanten Aufführungen U und E.
Mir ist bewusst, dass Verlage und Agenturen ein Interesse haben, die Tantiemenverhandlungen selbst zu führen und hier keine festen Margen zu haben. Aber gerade kleinere Agenturen und Verlage würden immens davon profitieren, wenn es hier feste Sätze und Verpflichtungen gäbe.
Und schließlich stellt sich die grundsätzliche Frage: wenn es in anderen Ländern eindeutig funktioniert, warum soll es dann bei uns – dem Land mit den weltweit meisten Musiktheatern – nicht funktionieren? Das Missverhältnis E zu U würde sich mit einer solchen Maßnahme eindeutig in Richtung E verbessern.
VORSCHLAG 3: NEUE KATEGORIEN, N und U/E+
Eines der Hauptprobleme für besonders Deutsche Musik in sowohl U als auch E ist, dass Veranstalter immer wieder lieber nicht GEMA-vertretenes Repertoire programmieren, weil sie keine Lust haben, Gebühren zu zahlen. Auch wenn dies oft ein vorgeschobenes Argument ist, gibt es dennoch auch die kleinen Veranstalter, Sender, Podcaster und Filmproduktionen, die mit viel Risiko jungen Bands oder Komponierenden eine Bühne bereiten wollen, aber nur gerade so über die Runden kommen.
Warum also nicht eine Kategorie „N“ für „Nachwuchs“, die anders abgerechnet wird als die schon etablierte Musik? Was „Nachwuchs“ ist, lässt sich in sowohl U als auch E sehr leicht definieren, und beide Sparten würden enorm davon profitieren, wenn Veranstalter/Programmverantwortliche weniger für die Verwendung ihrer Werke zahlen müssten, die N-Urheber:innen aber dieselben Einnahmen über die GEMA bekämen, wie bisher üblich.
Um die dadurch entstehenden Einnahmeeinbußen aufzufangen, muss auf der anderen Seite eine Kategorie E/U+ für besonders etablierte Künstler:innen geschaffen werden. Nach dem alten kapitalistischen Prinzip, dass etwas, das besonders begehrt ist, dann auch mehr kostet, wäre es z.B. kein Problem, von Veranstaltern erheblich mehr GEMA für Konzerte zu verlangen, bei denen sie auch automatisch viele Tickets verkaufen. Und ein Sender entscheidet sich vielleicht dafür, mehr Nachwuchs aus Deutschland zu senden, wenn zum Beispiel das Senden von Elton John mehr kostet als das Senden eines Songs einer jungen Band oder Songwriterin.
Diese Kategorien sollten natürlich nicht permanent sein – ab einem bestimmten Aufkommen oder zum Beispiel der ordentlichen Mitgliedschaft ist man nicht mehr „Nachwuchs“, und ab einer bestimmten Wertung/Aufkommen wird man zu E/U+.
VORSCHLAG 4: 5% der Wertung gehen automatisch an soziokulturelle Zwecke
Dieser zugegebenermaßen radikale Vorschlag wäre es dennoch wert, ihn einmal durchzuspielen. Der Grund ist folgender: bei langjährig erfolgreichen Mitgliedern der GEMA in sowohl U als auch E steigt die Wertung aufgrund vieler Faktoren stetig an, sodass sie irgendwann die Haupteinnahmen darstellen können. Dies könnte auch weiterhin so bleiben, da damit langjährige Karrieren und die Erzeugung eines hohen Aufkommens damit belohnt werden. Um der GEMA aber mehr Spielraum in der Verteilung ihrer Finanzen zu geben, könnte es eine gute Idee sein, grundsätzlich 5% von der Wertung (U und E) in einen Fond für soziokulturelle Zwecke zu geben.
5% ist ein Satz, der niemandem wirklich schaden würde – Nach dem Solidarprinzip der GEMA hätte dies zur Folge, dass Kolleginnen und Kollegen mit nur einem geringen Wertungsaufkommen wenig, Kolleginnen und Kollegen mit einem hohen Wertungsaufkommen mehr zu diesem Fond beitragen. Die GEMA wiederum hätte dann mehr Spielraum für die gezielte Kulturförderung, die wiederum allen Mitgliedern zugutekommen würde. Man kann sich das Ganze als eine Art kleine „Steuer“ vorstellen, die allen nützt und für das Gemeinwohl sorgt.
Es sind auch andere Modelle der Wertungsreform vorstellbar, wie sie zum Beispiel bei Versicherungen üblich sind. Wer freiwillig auf zum Beispiel Wertung verzichtet, könnte Tantiemen nach einem besseren Schlüssel abgerechnet bekommen und umgekehrt. All dies käme dem Aufkommen der GEMA insgesamt zugute.
VORSCHLAG 5: EINE GRUNDSÄTZLICHE KI-ABGABE VON DEN KI-KONZERNEN EINFORDERN, DIE SOZIOKULTURELLEN ZWECKEN IN DER GEMA ZUGUTE KOMMT
KI-Nutzungen betreffen alle Genres und U und E gleichermaßen. Man muss immer wieder betonen, dass KIs keineswegs erfinden, sondern von Menschen erfundene Ideen amalgamieren und variieren. Wir sind immer noch die Urheber:innen, aber die KI-Konzerne bereichern sich an unser aller Ideen.
Da die – ich sage mal ganz bewusst „geklauten“ – Anteile von Urheber:innen in einer KI-Komposition nicht mehr individuell zu identifizieren sind, wird es der einzige Weg sein, von KI-Konzernen eine grundsätzliche hohe prozentuale Abgabe ihrer Einnahmen an die Verwertungsgesellschaften zu verlangen. Die GEMA könnte hier aufgrund ihrer international großen Bedeutung Vorreiter sein (und ist es schon, verschiedene Klagen der GEMA stehen kurz bevor). Dies würde nicht nur Urheber:innen, sondern auch Labels, Verlagen und weiteren Rechteinhaber:innen zugutekommen, an die grundsätzliche Anteile dieser Einnahmen fließen sollten. Ein nicht geringer Teil dieser Einnahmen sollte aber der GEMA frei zur Verfügung stehen für soziokulturelle Zwecke – entweder als Puffer für die Wertung oder auch für die freie Förderung von zum Beispiel Nachwuchsfestivals und Kulturveranstaltungen. Der Raub unser aller Kreativität könnte mit einer solchen Maßnahme in einen Segen umgewandelt werden und würde auch das Verhältnis KI und Mensch entspannen, auch im Hinsicht einer positiv kreativen Nutzung von KIs durch uns selbst. Dies muss auch im Interesse der KI-Konzerne sein, denn deren größte Angst ist es, dass die KI nur noch von KI lernt und jeglicher menschliche Input fehlt. Wir können diesen Input unter fairen Bedingungen liefern, wollen aber dafür auch einen nicht zu kleinen Lohn bekommen.
Wir Menschen haben KIs geschaffen, damit sie uns dienen und unsere Möglichkeiten erweitern. Dazu brauchen die KIs unseren kreativen Input. Dieser Input muss aber gewährleistet und finanziell unterstützt werden, das Geld muss bei uns Urheber:innen ankommen, nicht bei den Zweitverwertern.
Moritz Eggert, Präsident des Deutschen Komponist:innenverbandes
Komponist
Das sind wirklich interessante Gedanken!
Eine Ergänzung aus Interpretensicht – denn bei E gibt es mehr Trennung zwischen Komponisten und Interpreten/Aufführenden, die GEMA-technisch zusammen mit Hörern und Veranstaltern „Musiknutzer“ bezeichnet werden – zum Vorschlag 3 und ein wenig auch zum Vorschlag 1:
„Eines der Hauptprobleme für besonders Deutsche Musik in sowohl U als auch E ist, dass Veranstalter immer wieder lieber nicht GEMA-vertretenes Repertoire programmieren, weil sie keine Lust haben, Gebühren zu zahlen. Auch wenn dies oft ein vorgeschobenes Argument ist, gibt es dennoch auch die kleinen Veranstalter, Sender, Podcaster und Filmproduktionen, die mit viel Risiko jungen Bands oder Komponierenden eine Bühne bereiten wollen, aber nur gerade so über die Runden kommen.“
Bei kleinen Veranstaltern ist das Geld zwar ein Problem, dafür gibt es eigentlich bereits jetzt die Härtefall-Regelung bei GEMA für Veranstaltungen mit wenig Einnahmen. Das muss man aber beantragen, was die vielfach ehrenamtlich Engagierenden der kleinen Veranstalter nicht hinbekommen. Auch deshalb heißt es oft „kein Geld“, insbesondere wenn der Veranstalter denkt, dass ein Neues Werk die Leute davon abhalten würden, ins Konzert zu kommen. Wenn ein Künstler oder eine Künstlerin trotzdem GEMA-pflichtige Werke spielen wollen, muss er oder sie heute auch mal die GEMA selber zahlen und die Anmeldung selber machen (der Zwischenschritt war, dass der Veranstalter in solchen Fällen die GEMA-Gebühren vom Honorar abgezogen hat).
Das ist natürlich nicht wirklich OK, denn der Konsens in der Branche ist eigentlich, dass der Veranstalter die GEMA-Gebühr zahlt (wie auch die Klavierstimmung, falls ein Flügel zum Einsatz kommt). Passiert aber ab und an in der Praxis, und zwar zunehmend. Dann hat der aufführende Musiker die Wahl, ob er GEMA-pflichtige Werke einstudieren will, diese Werke öffentlich spielen will, dafür die GEMA-Gebühr zahlen will, und die Anmeldung machen will (und dafür noch als „Musiknutzer“ betitelt werden will). Selbst wenn er das alles machen will, gibt das Anmeldeformular diese Konstellation nicht wirklich her, weil sie nicht vorgesehen ist. (Vorgesehen ist, dass der Veranstalter sich um die GEMA-Anmeldung kümmert und die Gebühr zahlt, und dass die aufführenden Musiker höchstens für Einreichung des Programms zuständig sind).
Ich denke, die Unterscheidung zwischen E und U wird auch deshalb schwieriger, weil auch die Aufführungsformen kreativer werden. Es gibt ja E-Konzerte, die vom Programm eindeutig E sind, aber keine Bestuhlung vorsehen. Kleine Veranstalter sind da bei der GEMA-Anmeldung überfordert.
Will sagen: etwas mehr Benutzerfreundlichkeit des Anmeldeportals würde auch helfen. Zwar nicht bei der Verteilung unter Urhebern und Konflikten zwischen U und E Komponisten, aber grundsätzlich, um mehr neue Werke (vor allem neue E Werke) ans Publikum zu bringen, jenseits von großen Konzerten und Neue Musik Festivals.