Später Abschied von Mark Foster

Später Abschied von Mark Foster

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Schon vor einigen Wochen habe ich vom Tod des australischen Dirigenten, Pianisten und Komponisten Mark Foster erfahren, einem von mir sehr geschätzten Kollegen, mit dem ich mehrmals sehr nette gemeinsame Produktionen hatte, vor allem am Opernhaus in Luzern.

 

Ich weiß leider nicht, was genau geschehen ist – er starb schon mit 66, viel zu früh. Den meisten unserer Leser dürfte der Name Mark Foster wenig sagen, da er in Deutschland seit vielen Jahrzehnten kaum aktiv war, sich aber immer wünschte, es mehr zu sein. Es gibt einen einzigen knappen Nachruf[https://slippedisc.com/2023/09/death-of-an-australian-conductor-in-france/] im Netz, eigentlich nur eine Erwähnung, mehr nicht. Man erfährt nichts über die Person von Mark Foster, nichts über seine künstlerische Arbeit.

 

Ein Tod wie der von Mark Foster bringt mich ins Grübeln. Selbstverständlich gehörte er nicht zu den weltbekanntesten Dirigenten, sonst würden wir jetzt allerorten Würdigungen lesen. Aber er war eben auch alles andere als ein erfolgloser Dirigent, stets aktiv, Opern dirigierend, komponierend. Er hat am Anfang seiner Karriere u.a. Barenboim assistiert, war gut mit Peter Eötvös befreundet, hat ein Neue-Musik-Ensemble gegründet (in Lyon), weltweit Auftritte mit angesehenen Orchestern gehabt und zuletzt die Philharmonie von Nizza geleitet. All dies kann man hier nachlesen.

 

Ich habe Mark als äußerst fleißigen, fast hyperaktiven Menschen in Erinnerung. Immer leicht nervös, kettenrauchend, immer begeisterungsfähig, hochintelligent, witzig, ein bisschen schräg. Was ihn auszeichnete war eine große Kollegialität. So setzte er sich zum Beispiel sehr selbstlos für meine Musik ein, orchestrierte meine Partituren um, um sie an kleineren Häusern aufführen zu können, und empfahl sie, wo immer er konnte. Dies tat er nicht nur für mich, sondern für jede Art von Musik, für die er sich begeistern konnte. Sich selbst pries er nicht an, er hatte nichts Angeberisches oder Selbstverliebtes an sich.

 

Seiner eigenen Musik stand er kritisch gegenüber. Obwohl er sicher hochtalentiert war, hatte ich immer das Gefühl, dass er sich in Arbeit für andere stürzte, um selbst nicht komponieren zu müssen, denn seine hohen Ansprüche gegenüber der Kunst lähmten ihn auch. Er sprach offen über diese Frustrationen und auch seine Sehnsucht, unbefangener und kreativer zu sein. Dies hätte in Missgunst oder Eifersucht ausarten können, das war aber einfach nicht seine Art. Jegliches karrieristische Taktieren war ihm fern, er war auch kein Ellbogenmensch. Vielleicht verlief seine Karriere deswegen auch nicht spektakulär, aber es war definitiv eine erfolgreiche Musikerkarriere, er konnte von seiner Arbeit leben und eine Familie ernähren.

 

Was uns unter anderem verband war, dass wir beide bei Killmayer studiert hatten (dessen Musik er sehr schätzte und die er oft aufführte). Einmal war er auch wegen einer gemeinsamen Arbeit tagelang bei uns zu Gast, was aufgrund seines ständigen Redebedarfs nicht unanstrengend war. Wir waren sehr froh, damals einen sehr großen Balkon zu haben, den er ausgiebig zum Rauchen nutzte, wir wären sonst ganz sicher an seinem Zigarettenrauch erstickt, er rauchte mindestens drei Packungen am Tag.

 

Auch wenn wir nicht miteinander arbeiteten, hielt er immer den Kontakt und rief in regelmäßigen Abständen an. Ich versuchte ihn immer zu empfehlen, aber ohne die Macht einer Agentur und meinen eher auf die Neue-Musik-Szene beschränkten Kontakte konnte ich leider nicht so viel für ihn tun, wie er sich erhoffte. Mit der Zeit merkte ich, dass seine Anrufe sich im Ton veränderten. Es gab immer wieder wirre Momente und seltsame Wiederholungen. Einmal redete er stundenlang am Telefon auf mich ein und erzählte mir von einem Musical, an dem er gerade arbeitete und dass sein bestes Werk werden würde, aber all das hatte er mir ein paar Tage vorher schon einmal erzählt. Irgendetwas schien nicht zu stimmen.

Da er kein E-Mail benutzte (dies erledigte immer sein Sohn) war die Kommunikation mit ihm immer schwieriger, irgendwann brach der Kontakt ab, bis zu dem Moment, als ich von seinem Tod erfuhr. Ich habe keine Ahnung, ob das Vorzeichen irgendeiner Krankheit waren, aber es schien ein bisschen so.

 

Warum ich das alles erzähle? Wie ich schon beschrieben habe, war Mark niemand der besonders im Rampenlicht stand. Aber Menschen wie Mark Foster sind genau die, die den Laden am Laufen halten. Sie machen die Arbeit im Opernhaus, wenn der GMD gerade auf Tour ist. Sie korrepetieren die Sänger:innen selbst, wenn die Korrepetitoren überlastet sind. Sie sitzen bis spät nachts in der Kantine und tragen Striche ein, weil der Konzertmeister überlastet ist. Sie bekommen nie den meisten Applaus, werden in Kritiken selten erwähnt, aber sind genau die, die im Gegensatz zu zum Beispiel einem Gergiev immer pünktlich zu den Proben erscheinen und wirklich vorbereitet sind, die ein perfektes Handwerk haben, ohne dies zur Schau stellen zu müssen. Früher nannte man das „Kapellmeister alter Schule“, ein Begriff, der heute schon fast antiquarisch zu nennen ist.

 

Ich finde, dass wir öfter über Menschen wie Mark reden müssten. Der Betrieb wird nicht nur von den Stars gemacht. Überall leisten fantastische Musiker:innen ihre Arbeit, oft still, von der Öffentlichkeit unbemerkt, den widrigen Umständen trotzend ohne zu jammern. Sie sind genauso wichtig für den „Betrieb“ wie die Barenboims und Thielemanns, aber im Gegensatz zu diesen werden sie kaum wahrgenommen.

 

Es ist absolut klar, dass nur wenige im Rampenlicht stehen können. Es ist nicht genügend Platz für alle. Aber ich finde es wichtig, dass wir auch denen aus der „zweiten Reihe“ denselben Respekt gegenüber bringen wie den Stars. Die Musikwelt braucht auch die Mark Fosters, um zu funktionieren. Ohne sie geht es nicht.

 

Mark bekam wenig Belohnung, wenig Widerhall für das, was er tat. Aber gerade deswegen sieht man auch, dass die Musik an sich Belohnung für ihn war, und er seine Energie nie aus der Selbstdarstellung bezog. Dafür müssen wir Menschen wie ihm höchsten Respekt zollen, denn wir können von ihnen lernen.

 

Ich vermisse ihn, und bin traurig, dass ich nicht noch einmal mit ihm sprechen konnte. Dann hätte ich ihm genau dies gesagt.

 

Moritz Eggert

 

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