Elon Musk vs. Robert Habeck – oder: Wer regiert die (AI)-Welt?

Seit wenigen Wochen haben viele Menschen Spaß an „ChatGPT“. Ein Chat-Roboter, der scheinbar auf alles eine Antwort hat – und mehr noch: selbst Gedichte, kleine Geschichten, Geburtstagsreden, Rätsel und so weiter verfassen kann. Damit lässt sich durchaus mal zwei Stunden Spaß haben (verbringt aber dadurch weitere zwei Stunden seines Tages vor einem Bildschirm). Dabei funktioniert das Ganze nicht nur auf Englisch, sondern auch beispielsweise (allerdings wesentlich fehleranfälliger) auf Deutsch. Man gibt einfach eine „Arbeitsanweisung“ in ein Eingabefeld – und relativ schnell erscheint ein Text; grafisch wie „getippt“ gestaltet, vermutlich, damit dieses Spielzeug ganz typisch den Anschein von (genial schneller) Menschlichkeit vermittelt. Ein Textroboter also, der erstaunlich gut funktioniert, weil er Zugriff auf viele Online-Quellen hat und mit den Informationen (auf den ersten Blick) seriös – ja, fast „konservativ“ (man teste das Ding halt selbst) – umgeht. Gibt man etwas „Heikles“ ein (beispielsweise etwas, in dem der Anfang der Heiligen Schrift in einen leicht erotisch angehauchten Zusammenhang gebracht werden soll), so erscheint – ebenfalls in „getippter“ Schrift – ein Text, in dem kurz erläutert wird, warum man diesen Textwunsch nicht erfüllen kann (beispielweise, weil sich dadurch Menschen verletzt fühlen könnten). So viel Menschlichkeit im Internet? So viel Rücksicht? So viel Achtsamkeit? Mehr als nur das „Eintritt nur für Erwachsene ab 18 Jahren“? Eigentlich toll, oder?

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Nun ist es keine journalistische Meisterleistung, einmal zu schauen, wer eigentlich „ChatGPT“ in die (Server-)Welt gesetzt und finanziert hat. Dahinter steckt das Unternehmen „OpenAI“, das in San Francisco beheimatet ist – und vor allem von Elon Musk und Microsoft finanziert wurde (und wird). Musk und Microsoft: Zwei Protagonisten, die für Menschenfreundlichkeit, Menschenwürde und Moral stehen. Nicht.

Angesichts der narzisstisch-gekränkten Postings, die Elon Musk bei Twitter (seit er Twitter gekauft hat) loslässt, sollte man mehr als skeptisch sein. Ja, für manche Lehrerinnen und Lehrer könnte „ChatGPT“ eine Einstiegshilfe sein, auf Grundschulniveau kleine Tests zu erstellen. Ja, für Menschen, die sich in einer neuen Sprache zurechtfinden wollen, kann („Create a 15 year work anniversary speach for my beloved colleague, pianist and composer Moritz Eggert“) Formulierungen zur Verfügung stellen, die einem erste Orientierung hinsichtlich der Richtigkeit/Adäquatheit der jeweils anzugehenden Aufgabe verschaffen können. Und Rapperinnen und Rapper, die tatsächlich ihre kreativen Eigenleistungen outsourcen wollen, können jetzt mit „ChatGPT“ auf erste Ideen kommen (haben aber ohnehin schon lange „Reimmaschinen“ online benutzt; gut, jetzt geht es halt etwas schneller, weil umfassender). Aber viel mehr liefert die Maschine noch nicht ab. Denn „Schreibe eine Konzertkritik über das Konzert im großen Saal der Berliner Philharmonie am 26. November 2022“ beispielsweise funktioniert nicht. Denn: Der Roboter ist auf einem Stand von 2021, wie er bei solchen Gelegenheiten selbst zu (Chat-)Protokoll gibt.

Elon Musk ist einer der wichtigsten Ermöglicher von „ChatGPT“ – und bei Twitter nimmt er gerade den Weg Donald Trumps. Auch Trump kam nicht „urwüchsig“ aus der Politik, sondern populisierte sich durch (Entschuldigung) bildungsfernen Dreck nach „oben“ (wenn man das Amt des US-Präsidenten derart verorten will). Kein Wissenschaftler, kein Intellektueller, kein guter Mensch einfach. Aber: bis an die „Spitze“ getwittert. Jemand, der nur „Hallo“ auf Twitter schreiben muss – und dafür Reaktionen bekommt. „Egal, was du machst, du bist der Beste!“ „Egal, was es ist, du kannst es schaffen!“ (Einen Scheiß kannst du schaffen!) Derart männlicher Narzissmus basiert fast immer auf gekränkter Männlichkeit, auf den Schaden, den die althergebrachten Dummbatzen da draußen auf ihr Oberdeck bekommen haben; weil die Therapie versagt hat, weil durch Glück und Ekelkapitalismus (sprich: Kapitalismus) irgendeine Summe x dabei hochpladderte, auf das Konto von Dummbatz xy, der nun bei denen, die ihn früher abgehängt haben (oder schöner, liebenswürdiger und glücklicher sind) „Rache“ nimmt. Beispielsweise, indem er gleich das ganze soziale Netzwerk kauft (und damit – wir wissen es alle – Baden gehen wird). Jemand ist an der Spitze angelangt. Die Rache für all die Schmach! Und jetzt geht es los! Jetzt wird jeden Tag nachgelegt! Ja! Dazwischen immer mal ein paar kindliche Emojis. Denn: Hat der narzisstisch-gekränkte Mann mal einen Fehler gemacht, dann hat er es nicht so gemeint, dann albert er das so zur Seite weg – oder findet doch bei Google irgendein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat irgendeines Philosophen, das/der ihm (scheinbar) aus der Patsche hilft.

Kein Teufelswerk also? Ja, aber halt schon gefährlich – würde ich sagen. Elon Musk besitzt das einflussreichste textfokussierte soziale Netzwerk – und jetzt ist er auch noch der (neben Microsoft) wichtigste Geldgeber einer angeblich epochemachenden Text-AI?

Ich dachte, ich frag‘ mal: Ist diese AI eigentlich wirklich „neutral“? (Ja, klar: Kann Wissen „neutral“ sein?) Probieren wir es aus.

Merkwürdig, denn: Wo ist denn das Satirische an dem Gedicht? Ist die KI vielleicht so programmiert, dass sie nur scheinneutrale Ergebnisse generiert, die aber in Wirklichkeit (what ever that means) schaltet und waltet, lenkt und ranked (und zwar am Ende dann nämlich gewinnbringend für die, die dahinterstecken)? Jeder Computer macht nur das, was man ihm gesagt hat. Und vielleicht (bin ich jetzt schon Verschwörungstheoretiker?) ist das Ganze ja so gemacht, dass die Ergebnisse im Zusammenhang mit „ChatGPT“-Geldgeber Elon Musk immer zumindest leicht positiver sind, wenn es darum geht, seine Leistungen zu bewerten? Nochmal: Wo ist hier das Satirische? Zwei kleine „Kritikpunkte“ gibt es: „He’s out of touch“. Da wissen wir: Das Ganze ist so haarsträubend falsch, das glaubt niemand. Elon Musk ist auf (perverse und letztlich völlig langweilige und vorausschaubare) Weise am „Zahn der Zeit“. Außerdem ist Musk (laut der Chat-KI, die er selbst im großen „Stil“ mitfinanziert hat) ein bisschen „twirled“, ein bisschen abgedreht. (Früher wurde gesagt: „Wenn du in einem Bewerbungsgespräch nach deinen Schwächen gefragt wirst, sag, dass du ein bisschen chaotisch bist manchmal. Das verzeiht man dir immer und es ist grundsätzlich eher sympathisch.“).

Machen wir den Vergleichstest. Mit dem Stellvertretenden Bundeskanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) …

Erstaunlich (?): Dieses (in der Tat – schlechte, unrhythmische – satirische) Roboter-„Gedicht“ entwürdigt Robert Habeck (während Musk – trotz des Satire-Wunsches – als „hot“ bezeichnet wird) zunächst einmal von seinem Äußeren her. Eine typische Taktik der Verunsicherung und der Demütigung (denn durch die sympathisch-jungshafte „Witzigkeit“ in Sachen „Bemerkungen über den Look des Gegners“ macht sich der aktive Part in solchen Zusammenhängen kaum angreifbar).

Nach einigen Bashings gegen Habeck wird das „Poem“ kurz vor Schluss doch noch auf eine Weise „sympathisch“: „He’s a man with a heart of gold“. Man weiß, welchen Ruf jemand „genießt“, der in sozialen (Arbeits-)Zusammenhängen als „ein ganz Lieber“ beschrieben wird: etwas zurückgeblieben, nicht der Hellste in Gottes Lampenladen. Und eine sehr ähnliche Demütigung spuckt also auch diese AI aus.

Schon irritierend, oder?

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.