Partitur aufräumen für Komponisten nach Karim Ondo

Befolgen Sie die unten aufgelisteten Schritte von Karim Ondo – Ihr Nervenarzt wird schockiert sein! 

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Vorsicht: Spätestens beim letzten Schritt werden Sie weinen müssen!

 

Sie kennen doch sicher alle die tiefe Verzweiflung, die einen Komponisten erfasst, der sein Stück fertiggestellt glaubt, doch beim letzten prüfenden Blick auf die Partitur nur noch Chaos sieht. 

Wie soll das jemals jemand verstehen, geschweige denn spielen? Es trotzdem so lassen? Die meisten Komponisten sind da nicht so entspannt wie Brian Ferneyhough und eine unspielbare Partitur ist für sie keine Option. 

Wenn Sie die folgenden Schritte befolgen, wird sich Ihr Leben radikal ändern. Sie sind verblüffend einfach, doch wurden sie lange Zeit als Geheimnis gehütet – bis Karim Ondo davon erfuhr und beschloss, sie mit der Welt zu teilen!

Ondo, der seit vielen Jahren selbst Komponist ist, schaffte sich der geheimen Methode nach zunächst einen Überblick über seine unordentliche Partitur, indem er Kategorien kreierte.

Dann legt er fest, wie er mit diesen Kategorien verfahren wollte. Herausgekommen ist eine Ordnungsmethode, die jedem Komponisten ein besseres Leben garantiert.

 

Hier ist Karim Ondo an seinem Klavier zu sehen, darauf die Stimme der ersten Geigen aus seinem neuesten Orchesterwerk „Ta-Titi-Tao“.

 

Erster Schritt

Beginnen Sie mit der Kategorie „Pausen“. Überlegen Sie sich, ob Sie Pausen wirklich brauchen. Stücke dauern durch Pausen nur unnötig lange, außerdem sind sie unpraktisch, weil Musiker sich verzählen können. Streichen Sie alle Pausen aus Ihrem Stück weg. Arbeiten Sie diesen Schritt und alle folgenden Schritte jeweils vollständig und sehr konzentriert ab. Kaffeepausen oder das Lesen von klugen Büchern sind während eines Arbeitsschritts verboten, genauso wie es verboten ist, zum Klo zu gehen. Machen Sie keine halben Sachen!

 

Zweiter Schritt

Die zweite Kategorie betrifft die Noten. Da diese Kategorie sehr unübersichtlich ist, schaffen wir zwei Unterkategorien.

A) Sortieren Sie nach Titi-Noten, Ta-Noten und Tao-Noten. Alle anderen kommen direkt in den Müll. Quintolen zum Beispiel sind zwar schön, aber viel zu intellektuell. Wenn Dallapiccola und seine Freunde weg sind, ist das Feld gleich viel übersichtlicher.

B) Eigentlich gibt es ja nur sieben Töne, danach geht es wieder von vorne los. Verschiedene Oktavlagen sind verwirrend, deshalb müssen sie weg. Setzen Sie alles in die eingestrichene Oktave. Merken Sie schon, dass Sie befreiter sind? Natürlich gibt es eigentlich zwölf Töne, aber Halbtöne sind immer so schräg. Deswegen werfen Sie erstmal alles heraus, was nicht in C-Dur vorkommt. Es kommt in eine Sonderkategorie, die nur an gesetzlichen Trauertagen oder bei Beerdigungen herausgeholt werden darf. Wie der Name „Sonderkategorie“ schon sagt, bleibt diese Kategorie damit etwas Besonderes!

 

Dritter Schritt

Nun müssen wir über ein heikles Thema sprechen, was für Sie sicherlich sehr schmerzhaft sein wird, da es mit der Eitelkeit von Komponisten in direktem Zusammenhang steht: Die Kategorie der Vortragsbezeichnungen und Artikulationszeichen. Hand aufs Herz: Wie oft befolgen Musiker die von Ihnen niedergeschriebene Dynamik, Ihre Spielanweisungen, Ihre Akzente? Nie. Deswegen entfernen Sie bitte grundsätzlich die gesamte Kategorie aus Ihren Partituren. Im Zeitalter von Social Media haben Musiker schon genug damit zu tun, mit dem Überfluss an Katzenbildern bei Facebook irgendwie fertig zu werden. Selbst das Ansehen von Pornos ist, wie schon Jürgen von der Lippe es zu diesem sehr elementaren Thema treffend bemerkt hat, zu einer Hölle des Informationsüberflusses geworden, sodass ein Klarkommen damit beinahe unmöglich ist. Es dauert schließlich, bis man sich zwischen „Zwergen-Gangbang“, „Sex mit Seespinnen“ und allen anderen Kategorien entschieden hat. Genauso ist die Auswahl der richtigen Frühstückskonfitüre zu einem völlig überfordernden Unterfangen geworden, bei dem man sich nur falsch entscheiden kann. Also bitte belästigen Sie Ihre Musiker doch in Zukunft nicht auch noch mit überflüssigen Pianissimi oder nervigen Tenutostrichen.

 

Vierter Schritt

Nun kommen wir zur Kategorie der Stimmen. Ist es im 21. Jahrhundert nicht ein bisschen rückständig, wie ein wildgewordener Monarch bestimmen zu wollen, welches Instrument eines Orchesters welche Stimme zu spielen hat? Vielleicht möchte es das ja gar nicht! Wenn die Harfe gerne die Paukenstimme spielen will, dann soll sie das tun dürfen. Denkbar wäre auch, einem Orchester nur ein Particell Ihrer Komposition zu überlassen, sodass jeder sich seine Stimme selber zusammensuchen kann. Noch besser wäre ein leeres Notenpapier für jeden zum Selberausmalen, ohne dass es überhaupt eine zugrundeliegende eigene Komposition gibt. Dabei sind Darstellungen von Vögeln, Häusern, Bäumen und einer lachenden Sonne genauso viel wert wie Titi-, Ta- und Tao-Noten.

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3 Antworten

  1. Peter Babnik sagt:

    Schöner Artikel! Und voll mit interessanten Ideen und Gedanken. Danke! gefällt mir!
    LG Peter

  2. Was habe ich gelacht, danke!

  3. k. sagt:

    Nein, nein, nein, es liegt nicht an Katzenfotos, Pornos oder Marmelade!

    Soll ich ein Geheimnis verraten? Wir Musiker räumen nach dem Raki Mondo Prinzip auf!

    2/3 der Sachen (pro Kategorie) können entsorgt werden, behalten wird nur das, was uns glücklich macht und Freude bereitet.

    So schaffen wir beim Spielen Ordnung im Herzen und schöpfen neue Energie.

    Herzlich, Ihr Magic Score Cleaner