Vier Fragen an Nike Wagner
Vier Fragen an Nike Wagner
Liebe Nike Wagner,
Sie werden Verständnis haben, dass ich mich öffentlich an Sie wende, denn ich muss leider davon ausgehen, dass Sie ohnehin alles, was ich an Sie schreibe, weiterleiten.
Inzwischen gab es ja einigen Wirbel über diese Affäre, aber bisher gibt es von Ihnen nur ein vages Statement dazu (über das sich viele wundern), und keinerlei Versuch einer Kontaktaufnahme oder Entschuldigung bei mir. Das macht mich sehr traurig, wenn ich so betrachte, für was sie sich normalerweise einsetzen, für was Sie stehen und was ich an Ihnen bewundert habe. Habe ich mich so in Ihnen getäuscht, als ich Ihnen leichtsinnig den Wunsch zu einem Gespräch übermittelte? Denn nichts anderes war meine Mail – das, was darin über Ihren engen Freund Siegfried Mauser stand, kann man in jeder Zeitung lesen, und war nun wahrlich nichts Neues, aber es kann natürlich sein, dass Sie diese Artikel nicht kennen oder einfach ausgeblendet haben, darüber kann ich nur spekulieren.
Gerade eben bekamen Sie das Bröckemännche verliehen, eine Bonner Auszeichnung, und es wurde gewürdigt, dass Sie sich für die “Freiheit der Kunst” einsetzen. Frau Pfeiffer-Poensgen brachte zum Ausdruck, dass Sie der “Stadt Bonn wohltun”.
Ich selber habe im schönen Bonn nächstes Jahr viel zu tun, und wir werden uns da sicherlich über den Weg laufen bei meinen zwei Projekten mit dem Beethovenorchester und der Oper Bonn. Aber wenn ich über den Bröckemännche-Preis lese, fällt mir nur eines ein: Sie, Frau Wagner, haben mit Ihrem Handeln meine Freiheit missachtet und mit Füßen getreten, und der Stadt Bonn wird es auch nicht “wohltun”, wenn Sie einem im Kontext der Beethovenfestlichkeiten arbeitenden und sicherlich öfter in Ihrer Stadt weilenden Komponisten wie mich komplett schneiden und ein Gespräch verweigern. Bei den Festreden wurde Ihr “Mut” gelobt, warum sind Sie jetzt so mutlos mir gegenüber?
Über Ihr knappes und wenig erhellendes Statement zum Thema “metoo” und Mauser (in dem Sie nicht im Geringsten auf die Mailaffäre eingehen, obwohl das jeder erwartet hätte) kann man endlos rätseln. Ist es eine Art Distanzierung von Mauser? Oder wieder auch nicht? Sind Sie noch in Kontakt mit ihm und versorgen ihn weiter mit Informationen?
Noch seltsamer ist Ihr damit verbundenes Statement über #metoo. Einerseits wollen Sie “metoo” anerkennen, aber es interessiert Sie nach wie vor nicht im Geringsten, was eigentlich wirklich vorfiel in München, was in drei langen Gerichtsverhandlungen mit dutzenden von Zeugen detailliert durchanalysiert wurde und in drei Schuldsprüchen endete? Stehen Sie weiterhin zu Ihrer unseligen Behauptung, das sei ja alles nur eine “Intrige”, ohne auch nur die geringsten Details über die Vorgänge zu kennen, außer dem, was Ihnen vielleicht Mauser erzählt hat? Können Sie wirklich guten Gewissens sagen, dass Sie genaue Kenntnis von den verhandelten und verurteilten Straftaten sowie den Interna der Münchener Musikhochschule haben, dass Sie einfach ein solches Pauschalurteil treffen können? Sind Sie sich wirklich absolut sicher, dass sich Ihr Freund Mauser stets tadellos und korrekt verhalten hat und alles genauso ist, wie er es Ihnen vermutlich geschildert hat? Und wenn schon nicht mit mir, haben Sie je mit unserem Hochschulpräsidenten gesprochen, der sich auch an Sie aus Entsetzen und Unglauben über Ihre Statements gewendet hat?
Für alle Opfer sexueller Gewalt muss Ihr Schweigen wie eine Verhöhnung und Respektlosigkeit wirken. Das tut der Stadt Bonn nicht „wohl“, vor allem nicht den Menschen in dieser Stadt, die vielleicht selber sexuelle Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung erlebt haben, und gegen eine Mauer des Schweigens, der Ignoranz und des Kleinredens ankämpfen mussten – es muss verletzend sein, wenn die Leiterin des Beethovenfestes (das mit seinem Namen für Kultur, Toleranz, Offenheit und den von Beethoven stets beschworenen Geist der Aufklärung steht) sich zu solchen Taten nur scheinbar und ohne echte Authentizität distanziert und mit Tätern anscheinend weiterhin gemeinsame Sache macht.
Daher bitte ich Sie noch einmal herzlich: sprechen Sie mit mir! Oder beantworten Sie wenigstens den Bonner Bürgern und mir folgende Fragen, über die bisher auch Ihr Datenschutzbeauftragter sowie die Datenschutzbeauftragte von NRW schweigen (ich hoffe, dieses Schweigen hat damit zu tun, dass die Dinge gerade detailliert untersucht werden, wenn nicht, wäre das ein Skandal). Wenn Sie den Geist der Aufklärung beschwören, helfen Sie doch bitte bei der Aufklärung.
Die Fragen sind folgende:
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Haben Sie weitere Mails anderer Personen, die an Sie im Sachen Mauser z.B. geschrieben haben, weitergeleitet? Meine Mail wird sicher nicht die einzige sein, die Sie wegen ihm erreicht hat, da bin ich eigentlich sicher.
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Warum haben Sie die Mail erst einen Monat später an Mauser weitergeleitet, und warum mussten Sie dazu Ihren Beethovenfest-Account nutzen, obwohl ich Ihnen privat schrieb? Hatten Sie vorher schon darüber Kontakt mit Mauser?
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Was genau ist die Vereinbarung mit dem verurteilten Sexualstraftäter Siegfried Mauser, auf die Ihre Formulierung „wie vereinbart“ schließen lässt? Besteht diese Vereinbarung weiterhin und wird er weiterhin mit Informationen durch Sie versorgt? Und wenn ja, zu welchem Zweck?
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Auf welchen Informationen und Kenntnissen beruht Ihre Behauptung, die Anklagen gegen Mauser seien in Wirklichkeit eine „Intrige“ der Münchener Musikhochschule? Bitte nennen Sie Ihre Quellen und stellen Sie schlüssig dar, aufgrund welcher Informationen Sie zu dieser Analyse kommen.
Ich denke nicht nur ich sondern auch die Bonner Bürger sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen haben ein Recht auf Beantwortung dieser Fragen. Wenn Sie weiterhin dazu schweigen, ist das zwar auch eine Antwort, aber diese Art von Antwort tut weder Ihnen noch dem Beethovenfest sehr „wohl“ und bestätigt das, was im Moment für jedermann wie Vertuschung und Aussitzen wirkt.
Ich hoffe weiterhin auf Antwort,
Mit freundlichen Grüßen,
Moritz Eggert
Komponist
Das Beethovenfest hat 2018 Siegfried Mauser ausgeladen. Dafür war Mikhail Pletnev in der Eröffnungswoche dabei. Man kann natürlich den Standpunkt vertreten, dass die beiden unterschiedlich behandelt werden sollten, weil Pletnev nicht verurteilt wurde, Mauser hingegen schon. Aber auch eine solche Einladung kann bei Betroffenen sexueller Gewalt für ein mulmiges Gefühl sorgen, signalisiert man damit doch, dass man „Aufklärung“ einseitig nur im Sinne von sexueller Freizügigkeit, Unschuldsvermutung und Absage an „Lynchjustiz“ meint und somit Opfer zum Problem machen, oder aber auch und Gewalt als „Schicksal“ deklarieren.
Faszinierend ist, dass Beethovens Musik alle anzusprechen scheint, sowohl Täter als Opfer. Vielleicht weil die Musik sowohl die Menschen in ihren Nöten berührt als auch eine Erlösung bzw. eine Befreiung in Aussicht stellt. Beethoven war selber menschlich bestimmt auch nicht einfach, ich möchte nicht unbedingt seine Nachbarin gewesen sein, seine Musik hat aber auf mich stets eine bereinigende Wirkung. Nur darf man nicht hinter der Wirkung der Musik verstecken und hoffen, dass alles sich von alleine reinigt. „Alle Menschen werden Brüder“ heißt es in der 9. Symphonie. Die „Freude“, die die Menschen verbindet, muss der Mensch allerdings erstmal schaffen.
Von einer Intendantin eines Beethovenfestes wünsche ich mir, dass sie mit der Position verantwortungsvoll umgeht. Die Zeit, wo das Vertuschen von Sexualdelikten zum guten Ton gehörte, sollte endlich vorbei sein.
Fraglich ist, ob eine einstweilige Verfügung gegen Herrn Eggert überhaupt Rechtsbestand hat.
„Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. “ (LAG Mainz, Urteil v. 22.01.2015, Az.: 3 Sa 571/14)
In dieser Urteilsbegründung handelt es sich um den Fall eines Oberarztes, der seinen Chef als ein „autistisches krankes Arschloch“ in einem SMS an seine Kollegin bezeichnete. Das SMS wurde umgehend an den Chef weitergeleitet. Daraufhin wurde dem Oberarzt eine Kündigung ausgesprochen. Vor Gericht aber wurde dem Oberarzt Recht gesprochen. Die Kündigung war also insofern unwirksam. Ähnlich verhielt es sich auch mit der Email- Affäre des Herrn Eggert mit Frau Wagner.
E-Mails unterliegen auch dem Briefgeheimnis (OLG Karlsruhe 10.01.2005, 1 W 152/04).