Ein Trauerspiel: Fort- und Weiterbildung für Lehrende an Musikhochschulen
Jeder MitarbeiterInnen-bewusste öffentlich-rechtliche Betrieb bietet seinen Beschäftigten und Verbeamteten aller Dienststufen Fortbildungen an: sei es personen- oder fachbezogen oder alle Arbeits- und Dienstverhältnisse betreffend. Im Sinne des letzteren Punktes heißt das dann „Interkulturelle Kompetenz“, „Achtung und Toleranz“, „Gender Mainstreaming“, etc. Oder für Verwaltungskräfte mit prekärer Klientel im Sozialbereich gibt es „Schwieriger Parteiverkehr“, „Verständlich Formulieren“, „Verständnis für Lebenslagen von Menschen mit psychischen Erkrankungen“, usf.
Wirft man einen Blick auf die Seiten von Musikhochschulen, wie zum Beispiel der Münchener, findet man zwar Fortbildungen, allerdings nur des Schulmusik- bzw. Pädagogikbereichs für an Schulen beschäftigte und verbeamtete Personenkreise. Zudem sind die im Internet öffentlich zugänglichen Informationen bald drei Jahre alt, da die letzte Aktualisierung zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes wohl sich auf 2015 bezieht. Spricht man mit DozentInnen als BerufsanfängerInnen, so haben die zwar im Rahmen ihres Musiktheorie- oder Gehörbildungsstudiums Lehrproben absolviert, mussten sie als Studierende von pädagogischen Instrumentalstudiengängen oder als Schulmusikstudierende Arbeiten im Fach Musikpädagogik verfassen und ebenfalls Lehrproben abhalten. Doch als Lehrbeauftragte, Angestellte oder Verbeamtete des Lehrkörpers der Musikhochschule gibt es außer dem Gespräch mit den KollegInnen oder den Leitenden der Fachschaft oder der Personalvertretung kaum bis keine neutralen Fortbildungsangebote.
Fortbildungen zeichnen sich ja als Foren aus, wo man einmal dem Arbeitsalltag entkommt und sich mit meist nicht im gleichen Team Mitarbeitenden sowie der Kursleitung über eigene Erfahrungen austauschen kann, Feedback für Probleme oder gutes Arbeiten von anderen Profis ähnlicher Institutionen erhält. Gerade wenn es im Gebälk der eigenen Lehranstalt, des eigenen Teams knirscht, kann man einmal ein, zwei, drei oder vier Veranstaltungen lang durchatmen und sich anderweitig rückversichern.
Natürlich kann man das im Extremfall auf eigene Kosten oder mit Kostenübernahme des eigenen Hauses, auf Vermittlung eines Berufsverbandes oder einer Gewerkschaft unternehmen. Am besten ist es natürlich, wenn das auf die spezifischen Seins- und Problemlagen des Personals und des Studienangebots von der die Betreffenden beschäftigenden Musikhochschule zugeschnitten eingerichtet, geplant und durchgeführt wird.
Natürlich müssen an Musikhochschulen Unterrichtende dafür Qualifikationen vorweisen, vorunterrichten. Nur ist das etwas allgemein Selbstverständliches: alle ArbeitnehmerInnen, Honorarkräfte und Verbeamtete müssen im öffentlichen und privaten Sektor immer ihre Qualifikationen vorweisen, sich in und mit Assessments beweisen, Vorstellungsgespräche erfolgreich bestehen.
Was aber passiert danach? In vielen Fällen leider nichts. Im Umgang mit Studierenden und im Vermitteln der Materie Unerfahrene müssen sich das Vermitteln des Stoffes und das im Unterricht angemessene Reagieren selbst beibringen, zehren von ihren eigenen Erfarhungen als Studierende. Sollte im Spezialfall Doktorandenseminar der oder die DoktorandIn besser als das Lehrpersonal rhetorisch begabt sein, hilft die stichhaltigste Kritik nicht. Oder man hat mit begabten, aber psychologisch schwierig zu knackenden Instrumentalstudierenden zu tun – das überstehen beide Seiten nur mit viel Glück.
Oder jenseits von Richtlinien: wie geht man der Situation um, falls erotische Spannung von welcher Seite auch immer Überhand gewinnt. Wie ordnet man Verhaltensweisen von Studierenden anderer Kulturen ein. Oder welche Neuerungen gibt es im eigenem, unterrichteten Fach. Wie bewertet man mündliche Prüfungsleistungen. Wie geht man mit Lehrsituationen z.B. im Kompositionsunterricht um, wenn im Seminar die Studierenden sich gegenseitig ihre Stücke vorstellen sollen und gegenseitig bewerten sollen und das aus welchen Gründen auch immer jemand mit Tränen zurücklässt.
Oder generell: wie vermeidet man heikle, spezifische Momente, so dass auch Kritisieren möglich ist, aber dies im Rahmen bleibt. Wie leitet man als fachschaftsleitende Person ein Team, wie setzt man das Arbeits- und Dienstrecht richtig ein. Oder wie sorgt man für gendergerechtes offenes Arbeitsklima. Ja, man kann das per „learning by doing“ und „try and error“ selbst lernen, muss man in gewissen Masse auch, per kollegialen Austausch oder im Gespräch mit den ChefInnen klären.
Aber wenn die Probleme nicht nachlassen oder sich dadurch das kollegiale Klima oder das in einer Klasse verschlechtert, bleiben am Ende nur harte Massnahmen, wie die Studierenden oder die Dozierenden zu versetzen oder des Hauses zu verweisen. Würde man konsequent ein Fortbildungsangebot von Anfang an einer Beschäftigung, eines Lehrauftrags oder einer Verbeamtung anbieten, würden Probleme vor ihrem Entstehen schon einmal vermittelt, Lösungswege aufgezeigt bzw. nach ihrem Entstehen erst einmal weiche Massnahmen für Durchatmen und vor allem Professionalisierung des Lehrkörpers sorgen.
Und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Dienstherrin wäre besser als nur durch harte oder von Intransparenz gefährdete aussergewöhnliche Lösungen klar und bestens erfüllt. Wie gesagt, scheint in Bayern an den staatlichen Musikhochschulen darin Mangel zu herrschen. Genauso in Berlin, Sachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, etc.
Einzig die Musikhochschule in Würzburg sticht hier hervor. Oder die Musikhochschulen in Saarbrücken, Frankfurt am Main, Köln, Detmold, Freiburg, Hamburg, Weimar, Bremen, Hamburg und Lübeck. Sie schlossen sich als „Netzwerk-Musikhochschulen“ zusammen. Und bieten zu etlichen der o.g. Problematiken des Unterrichtens Fortbildungen an. Ein Auszug aus dem aktuellen Programm: So wird mit „Freispiel“ Improvisation gelehrt, was für viele klassische Ausgebildete, selbst Dozierende, noch mit vielen Fragezeichen versehen ist. Mit „Gleich und fremd zugleich“ wird auf das unterschiedliche Lernen von Männern und Frauen eingegangen. „Mit Kunst des Prüfens“ wird das richtige Bewerten von Prüfungsleistungen vermittelt.
Mit „Gesundheit ist kein Zustand sondern ein Prozess“ sollen Belastungen abgebaut werden, bevor Unterrichtende mit einer Burnout-Diagnose und langer Krankschreibung vor ihrer Musikhochschule stehen. „Lernlabor: Reflexion und Feedbacktechniken in der künstlerischen Ausbildung und Praxis“ zielt auf Reflexion des eigenen Unterrichtens ab, was ja immer mal wieder jenseits von Kollegen und Chefs sehr erkenntnisreich und ermutigend oder aufklärend sein kann, je nach individueller Seinslage. „Konfliktmanagement – Zum konstruktiven Umgang mit Konflikten im Kontext Hochschule“ erklärt sich von allen. Genauso „Herausfordernde Situationen in der Lehre: Einzelunterricht“.
Das bedeutet für die am Netzwerk beteiligten Musikhochschulen eine enorme Modernisierung und längst überfällige Anpassung an die Arbeitswelt, wo selbst manche kommunale Verwaltung um Jahrzehnte im Voraus ist. Denke ich an Konflikte, wie sie zu meiner Studienzeit in München und Frankfurt zwischen Lehrenden und Lehrenden oder Studierenden und Lehrenden oder Studierenden und Studierenden ausgetragen worden sind, wie sich die Fronten verhärteten, am Ende nur hartes Dienst- und Arbeitsrecht oder Exmatrikulation standen, ja, extra ein Probejahr für schwierige Studierende eingeführt wurde, aber von flankierenden Fortbildungen in Unterrichtspsychologie abgesehen worden ist bzw. wohl niemand überhaupt daran dachte.
Oder wie angeblich auch vor wenigen Jahren und in der Jetztzeit eher das Dienstrecht als das Konfliktmanagement ausgepackt wird, da mache ich drei Kreuze, dass Frankfurt dem Netzwerk angehört. Ich hoffe, dass sich München, Augsburg und Nürnberg dem auch sehr schnell öffnen oder ein transparentes Angebot an Fortbildungen für ihr Lehrpersonal selbstständig öffentlich bekanntgeben. Ansonsten sollten sich Bewerbende ganz genau überlegen, wo sie gerade in den ersten, harten Jahren besser vorsorgliche Massnahmen in Anspruch nehmen können. An den Netzwerk-Musikhochschulen ist der Praxis und formal garantiert.
An den anderen Musikhochschulen müsste sich erst einmal die Musikhochschule bei den Bewerbenden vorstellen, was im Falle des Falles jenseits von Kündigung, Versetzung, Abmahnung, Führungsaufsicht einerseits und andererseits Lehrerwechsel und Exmatrikulation angeboten wird. Ich kann nur wiederholen: jeder zeitgemäße Konzern oder jede zeitgemäße öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin ist da Jahrzehnte im Voraus.
Komponist*in
Sehr geehrter Herr Strauch,
wir freuen uns über Ihr Interesse an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM). Für Anregungen, positive und negative Kritik sind wir immer sehr dankbar. Das Thema Fort- und Weiterbildung für Lehrende an der HMTM ist uns ein wichtiges Anliegen, das Angebot in diesem Bereich ist aber leider noch nicht über unsere Homepage nachvollziehbar. Informationen zum Thema finden Sie jedoch z.B. in der aktuellen Ausgabe des Hochschulmagazins „Auftakt“ (Sommersemester 2018, Artikel „Klartext!“). Bei Interesse sende ich Ihnen gerne ein Exemplar zu. Online finden Sie den aktuellen Auftakt hier:
http://website.musikhochschule-muenchen.de/de/images/PDFs/Publikationen/HMTM_Auftakt_23.pdf
Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Maren Rose (HMTM, Ltg. Kommunikation)
Sehr geehrte Frau Rose,
Danke für Ihren Kommentar und die Hinweise. Sehr gut, dass sich da was tut und ein umfangreiches Angebot aufgebaut werden soll, das mit der Fortbildung zum Umgang mit Studierenden im Einzelunterricht gestartet wurde. Allerdings frage ich mich: warum erst jetzt, 2018?? Ich sprach mit jungen und länger Unterrichtenden, die nichts über das Angebot wussten oder Infos dazu „nicht auf dem Schirm“ haben. Das mag an der Neuartigkeit an FoBin für das Lehrpersonal liegen, da könnte vielleicht der Infofluss gesteigert werden, was hoffentlich naturgemäß wohl mit dem Ausbau des Angebots wachsen wird.
Wie ich feststellte, bieten andere öffentlich-rechtliche Arbeitgeber bereits seit mehreren Dekaden intensiv Fortbildungen selbst für Mitarbeiter des einfachen Dienstes / der 1. QE an. Das lässt sich nicht unbedingt 1:1 mit dem für Musikhochschul-Dozierende vergleichen. Gerade aber die Frage des Umganges mit schwierigen oder komplizierten Situationen mit Studierenden oder in ganz anderen Bereichen sich wiederholende Begegnungen z.B. mit einer Sachbearbeitung fix zugeordneten Langzeitkunden hat dem Grunde nach Überschneidungen in Fragen der Kommunikation und des Psychologischen.
Sehen Sie sich z.B. die Angebote der Stadt München an, die auch als Ausbilderin auf ALLEN QEn tätig ist, da hätte die Musikhochschule als hochschulische Ausbildungsstätte längst auf einem ähnlichen Stand sein können. Denn es ist ja nicht notwendig, unbedingt noch mehr für die Hochschullehre qualifizierende Studiengänge einzurichten, sondern im Sinne der beruflichen Fort- und Weiterbildung passgenau und situationsbedingt das Personal vom Anfangendem bis zum Erfahrenem selbst oder extern zu schulen. Sehr gut, dass dies nun beginnt. Schade, dass es in den 90ern noch nicht erfolgte, wo andere öffentliche Dienstherren längst soweit mit FoBi und WeiBi waren und manche Lehrsituation für uns damals Studierende mit wenigen und weichen Mitteln verbessert hätte. Mit dieser Kritik muss die Musikhochschule leben. Nun, mit 20 Jahren Verspätung nun endlich ein guter Anfang.
Einen schönen Maifeiertag!
Herzlichst,
Alexander Strauch
Studierender 1991-1994 in Schulmusik und 1992-1998 in Dipl. u. Mkl. Komposition in München sowie 1998-2001 in Frankfurt, auch Komposition