Erklärung 2018 II – das lustige Klettermaxe-Spiel
Ich habe mich hier bereits mit der Erklärung 2018 befasst. Richtig lustig ist aber das Auf und Ab, Wachsen und Schrumpfen der Erstunterzeichnerriege: ein Klettermaxe-Spiel! Dank Webarchive kann man die wechselnden Wasserstände ab 16.3.18 bis heute einsehen. Man könnte sich natürlich auch mit der Reihe der unterzeichnenden Musiker wie z.B. Martin Münch oder Klaus Miehling befassen, das ist aber ein eigenes Trauerspiel. Vielleicht verbessert sich ihre Rezeption unter den Erklären, wenn sie ihre Konzerterln vermehrt vor ihresgleichen geben können. Oder auch nicht.
Die Riege der Erstunterzeichner zerfällt in Erberstunterzeichner, gekürte Nachzeichner und Fristunterzeichner. Konsistente Erbunterzeichner vom 15.3.18 an bis heute sind Henryk M. Border, Uwe Tellkamp, Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Jörg Bernig, Matthias Mattussek, Vera Lengsfeld, Egon Flaig, Heimo Schwilk, Ulrich Schacht, Frank Böckelmann, Herbert Ammon, Thomas-Jürgen Muhs, Till Kinzel, Krisztina Koenen, Anabel Schunke, Ulrich Fröschle, Thorsten Hinz, Michael Klonovosky, Eberhard Sens, Matthias Moosdorf.
Ganz streng verfährt man mit namensgleichen gekürten Nachzeichnern: Klaus Kelle verirrte sich ab 17.3.18 auf die Liste, seine Gattin Birgit Kelle war bereits von Anfang an dabei. Doch ganz im Sinne des in den eigenen Schriften propagierten Patrichalismus musste die Frau weichen. Oder vertrugen sich Eva Herman und Frau Kelle nicht, also, ja nicht zu viel Frauen auf die Liste? Am 15.3. waren von 27 Erstunterzeichnern 5 weiblich (18,5%), am 17.3. von 35 waren 7 weiblich (20%), am 29.3. waren von 31 weiblich 5 (16%).
Wirklich lustig sind die Hokuspokus-Verschwindibus Erstunterzeichner, neudeutsch Fristunterzeichner: Birgit Kelle hielt sich nicht mal 5 Tage in der Suppenküche. Cora Stephan verschwand mit ihr zusammen von der Liste. Der Musiker und Autor Siegfried Gerlich konnte etwas länger den Fliehkräften widerstehen. Doch auch ihn fegte es ab 25.3.18 von der Liste. Der Obertreppenwitz ist Willkomm‘ und Abschied von Uwe Steimle: ab 17.3. traut er sich unter die Erstunterzeichner, am 29.3.18 ist er dort nicht mehr zu finden.
Warum dieses Ringelreihen? Ich weiß es nicht wirklich, da bei aller Bedeutungsbräsigkeit all der Titel und Künstlerriegen es sich bis auf die ersten Namen um einer größeren Leserschaft Unbekannte handelt, No-Names. Für die ist diese Liste ein wunderbares Mittel, mal Teilzeitberühmtheit zu erlangen. Die Frage ist nur, ob aber selbst die ganz oben Genannten auf Dauer für ihre Verlage interessant genug bleiben und nicht doch bald bei Antaios anklopfen müssen. So wie die Autoren von der Liste verschwanden, scheint man hier eher Wert darauf zu legen, dass kein Erstunterzeichner dort exklusiv verlegt ist. Allerdings schleppt man nach wie vor unter dem Fussvolk Martin Lichtmesz, bei Antaios verlegt und Mitarbeiter der mit Antaios verknüpften Sezession von Götz Kubitschek.
Es wirkt so, als ob Chaos im Hintergrund herrschen würde, der rechten Liste eine konservative Mimikry verpasst werden soll. So richtig verstanden, was ein Appell, ein Protest, eine Solidaritätsnote ist, haben die Gebildeten und Gelahrten bisher nicht: wenn ein Text zur weiteren Unterzeichnung in die Öffentlichkeit gebracht wird, dann findet zuerst einmal unter den Erstunterzeichnern kein Hornberger Schiessen statt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sind die Erstunterzeichner fix. Selbst wenn prominentere Namen erst später nachzeichnen, sind sie Nachzeichner, kann niemand für diese aus der Erstunterzeichnerliste gestrichen werden.
Wer einen Text verfasst und ihn unterschreiben lässt, kann ihn nicht urplötzlich umändern. Eine Eklärung ist eine Erklärung, eine Petition ist eine Petition, jedes ist für sich zu initiieren und durchzuführen. Jetzt soll die Erklärung zu einer Petition mutieren, wo Greti und Pleti unterschreiben dürfen, und sich bisher eher moderat anfühlende Namen wie u.a. die von Seyran Ates und Hamed Abdel-Samad sollen sich vor den Karren der Erklärungsbären spannen lassen. Nun, die Rechte übt eben gerne öffentlich. Und es klingt schlimmer als eine 40-köpfige Blockflötenklasse.
Komponist*in