Mphil @ Odyssee – vorgezogene Aprilscherze, Wiesnphilharmonie, Paketposthalle, Riemarkaden

Im Antrag dieser Fraktionsgemeinschaft plädierte u.a. die FDP für eine Wiesnphilharmonie

Gestern hieß es Rihm im Herkulessaal, 2 Tage zuvor, am 28. März, hieß es Riem oder Paketposthalle. Es geht um den Ausweichstandort, wenn die Münchner Philharmoniker 2020 aus der Philharmonie am Gasteig müssen. Highlight der Vorschläge: die Stadtratsfraktion um den ehemaligen FDP-Kunstminister Dr. Heubisch schlug ernsthaft vor, nach dem Oktoberfest ein Wiesnzelt als Konzertsaal zu nutzen. Nach dem Prosit der Gemütlichkeit ein Prosit der Musikstadt. Muss man erst einmal wirken lassen. Nun, ganz daneben war der Vorschlag nicht, immerhin böte die südliche Wiesn in den Jahren ohne Landesausstellung genügend Platz, um dort ein Zelt als Interimslösung aufzublasen, aufzustellen. Vom Busbahnhof bis zum Flüchtlingsheim sollte bzw. musste tatsächlich einiges bisher dorthin ausweichen. Allerdings wäre es auch nett gewesen, nach dem Wiesnende am 3. Oktober das Publikum in Dirndl und Tracht ins Konzert zu schicken. Genügend Bierzeltsymphonik wurde von Mozart bis Orff in München komponiert, so dass man damit ein eigenes Schwerpunktjahr programmatisch bedienen könnte.

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Im Antrag dieser Fraktionsgemeinschaft plädierte u.a. die FDP für eine Wiesnzeltphilharmonie, Quelle: https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG/4428595.pdf

Allerdings ist dieser Vorschlag auch ein wenig sowas wie die endgültige Kapitulation des ehemaligen Kunstministers: er wollte gleich gegenüber vom Gasteig auf der Museumsinsel in den brachliegenden Mauern der alten Kongresshalle des Deutschen Museums den neuen Konzertsaal für die BR-Symphoniker einbauen, der nun weiter östlich im Bereich der ehemaligen Knödelfabrik von Pfanni entsteht. Böse Zungen lästern zudem, dass der Gasteig selbst ein Ausweichstandort der Philharmoniker sei, die aus eben dieser oben genannter Kongresshalle unter Celibidache in den Gasteig zogen.

Der Wiesnstandort wurde abgeschmettert, nun soll es mal wieder um die Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke gehen. Als alle innerstädtischen Alternativen für den neuen BR-Symphoniker-Saal platzten, Museumsinsel und der Finanzgarten in Nähe des Herkulessaales, Pfanni noch keiner wirklich ernst nahm, gab es Vorschläge, im denkmalgeschützten Riesenbetontonnenbau der Paketpost einen, nein mehrere Säle einzubauen. Die Post wäre angeblich unter ihrem damaligen Chef durchaus willig gewesen, den Standort aufzugeben. Statt zuzuschlagen, schrien schon die Ersten, dass die Paketposthalle ja nicht in der Mariensäule im Stadtzentrum wäre, wo man eigentlich einzig Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher hinbuxieren könnte, genauso die auch schrien, dass der Ostbahnhof nicht links der Isar läge, wo nun eben der BR-Symphoniker-Saal wachsen wird.

Also wiederholte man nun im Schnelldurchlauf einige der bisher und nun auch weiterhin unmöglichen Ausweichquartiere wie eben Museumsinsel und nun Paketposthalle. Weil die Schreier hatten wieder was zum schreien: als Alternative bot sich im Neubaugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Riem ein Grundstück an, wo man weder Bierzelt noch Mariensäule hätte errichten müssen, der Grund der Stadt gehört, sie also günstig und frei agieren kann. Natürlich schimpfen die Pariser über die große Entfernung ihrer neuen Philharmonie zur La Défense, wo die solventen Konzertbesucher wohl tagsüber ihr Geld verdienen und dies nun kürzer können, wenn die Familie auf den Konzertbesuch am anderen Ende der Stadt beharrt. Verständlich. Aber auch lösbar. Und hätte das Provisorium seinen eigenen Charme, ja, eine eigentlich vorzüglichere Akustik als die jetzige Gasteig-Philharmonie, dann würde man einerseits Countertenöre besser hören und wäre andererseits vielleicht sogar traurig, wenn die Holzbude wieder verschwinden sollte, wäre der neue Saal endlich fertig.

Wer so schrie sind die Wiesnwirte des Klassik-Tourneezirkus in der Stadt: die freien, großen Konzertveranstalter. Die kennen natürlich ihr Publikum und werden irgendwie auch Recht haben, dass man dieses schon überzeugen muss, um statt in/unter/auf der/um die Mariensäule oder in Herkulessaal oder Philharmonie einiges weiter ausserhalb ins Konzert zu gehen. Nun, zum Teil sind das auch die, denen insgeheim der zweite FDP-Antrag gefallen haben dürfte, nämlich den Gasteig doch komplett abzureissen. Man wiederholte ja bei jeder Gelegenheit den Ausspruch Bernsteins über den Gasteig: „Blow it up!“ Mit kreativer Energie wäre das Publikum auch nach Riem zu bringen gewesen. Ein Slogan wäre: „Musik so nah wie unser alter Flughafen“ – denn der war gut zu erreichen im Gegensatz zum neuen im Erdinger Moos. Als Riem schloss wurde das alte Terminal zur Riesendisko, so wäre ein anderer Slogan: „Wo Du früher gechillt hast, chillen nun die Philharmoniker.“ O.k., nicht gerade tolle Einfälle von mir. Aber wenn die ihre Werbespezln anhauen, könnte diesen Advert-Profis doch was tolles für das Klassik-Entertainment einfallen.

Also nun wieder ein Anlauf mit der Paketposthalle, was wirklich toll wäre, würde man dann auch fehlende Räume für die Freie Szene mit realisieren. Denn wenn nun bald Musikhochschule, Gasteig und Herkulessaal bei Verzögerungen durchaus zusammen wegfallen, bleibt der freien Szene nichts ausser vielleicht die Schulaulen oder Parkgaragen oder das Kreativquartier – nicht von Übel, aber auch ein wenig unfair: warum sollen wir uns fern der City tummeln, derweil drinnen nur Juwelen und Klunker glitzern sollen? So gesehen ist mein Verständnis begrenzt, wenn ständig auf hohen Niveau gejammert wird, gerade von denen, die Schönberg immer noch so behandeln, als wäre der 2017 ein Schüler von Johannes Kreidler statt selbst Bergs Lehrer 1910, ach ja, bis auf auf die Verklärte Nacht natürlich, die man dann überhaupt nicht mehr hören würde, geht es vielleicht doch nach Riem, wenn die Post nicht mitspielt. Dann ist eventuell auch Bruckner zu modern für die „long-distance-audience“. Moritz mäkelte zwar letzthin am Programm der Staatsoper rum, die dieses Jahr keine Uraufführung im Großen Haus bietet. Aber die schafft es, selbst Zimmermanns Soldaten durchgehend ausverkauft zu haben. Auch wenn man Theater und Konzert nicht direkt vergleichen sollte: Mit etwas Spektakel im Konzert könnte ein grosser privater Veranstalter auch was Neueres wagen?

Das Wichtigste sind nun kluge Ideen und keinen profilsüchtigen Vorschläge, taffe Verhandlungen mit der Post und den privaten Veranstaltern sowie vielleicht auch die Chuzpe, die kleineren Akteure der freien Szene mitzunehmen. Denn wie gesagt: im Notfall wird der Druck auf kleinere Spielorte immens, wenn der Gasteig wegfällt, wenn notgedrungen Kammermusik in den gar nicht mal so akustisch üblen städtischen Schulaulen stattfinden muss, auf die auch bereits ein Riesenrun herrscht. Wie wäre es eigentlich mal mit einem umfassenden MPM – Musikplan München, wo Stadt, Staat, große und kleine Freie zusammenwirken und nicht hintereinander an den gleichen Alternativen scheitern – siehe zuerst der BR-Symphoniker-Saal an Finanzgarten, Paketposthalle und Museumsinsel, und nun die Stadt auch vorerst an Paketposthalle, wo man aber weiterverhandeln will, Museumsinsel und vielleicht auch bald Riem als städtischen Finanzgarten? Und MPM heisst nicht nur Frühstück von Reiter und Seehofer, was ja auch leicht scheiterte. Sondern Philharmoniker, BR, Tonkünstler, MGNM, Schessl, etc.

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