Münchener Biennale 2016 II – wenn des dann dat und gnua waht

Der… Der Anfang…. lösch… Der Beginn…. lösch lösch… Das Anfangen… lösch lösch lösch lösch. Habe ich das heute schon mal gelesen? Egal. So sinnlos dieser Einstieg ist, war der Einstieg zu Simon Steen-Andersens „if this then that and now what“ nur ein bisschen besser. Und um mal Tacheles zu sprechen: ja, ich darf Nonsense bloggen, denn mein Texthonorar liegt bei… Moment… ich finde gerade meine Abrechnungen nicht… liegt doch weit unter dem Honorar, was man als Biennalekomponist für eine zweistündige Oper bekommt. Wie hoch war das?… Mh… Finde gerade die Biennale-Leaks nicht. Gut. Besser. Geil. Das Honorar. Aber vor allem was das Ensemble des Staatstheaters Mainz geleistet hat: Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien, Jubelarien,…. !! Grossartig! Zylinder in die Luft werf, Chapeau!

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Gut. Besser. Geil. war auch das Gasteigeinlasspersonal. Mit mitleidigem Stirnrunzeln und einem Hinweis, dass es zwei Stunden dauern werde sowie man währenddessen eigentlich den Saal nicht verlassen könnte, das wie ein „wollen’s da wirkli eini, gell?“ Das wirkte zwar spießig. Aber war im Nachhinein megasympathisch. Als ob unter den Fundamenten des fetten Kulturzentrums die alten Bürgerhäuser und kleinen, noch älteren Kleinhandwerkerbuden Haidhausens auferstanden wären, als das Proletariat noch nicht in Poing oder Neuperlach wohnte, sondern vor 40 Jahren seine Hämmer noch nicht einmal zwei Kilometer vom Marienplatz hätte schwingen können – was es in seiner Einfältigkeit eben nicht tat – , als ob dieser Widerstandsgeist auferstanden wäre. Aus Zeiten, wo man sehr wohl die einfachen Leute in der Tram, am Markt, beim Tandler reden hörte, ob sie heute lieber in die Staatsoper wollen oder ins Gärtnerplatztheater. Als vielleicht auch bornierte Vernunft vor all zu Blödem warnte.

Wobei – die ersten dreißig Minuten Steen-Andersen waren wirklich wie die Suche nach dem idealen Anfang eines Textes und der Frage, ob es nun Musik dazu braucht, ja, diese zuerst da war und was man noch über Musik und Bewegung und andere furchtbar intelligenten Dinge sagen könnte. Also durchaus Material wie gemacht für ein „Capriccio“ ohne die treudoofe Nostalgie Richard Strauss‘, ganz klar aus dem Geiste des 21. Jahrhunderts. Aber kennt hier eigentlich irgendeiner meiner LeserInnen Capriccio? Oder Opern, Musiktheater des 20. Jahrhunderts in ihrer ganzen Breite? Ich natürlich auch nicht. Aber oho, das was man kennen könnte, wäre Anlass genug, sich wirklich für Oper und Musiktheater zu interessieren, sich nicht nur im „Musik und Singen, geht das noch“ sinnlos zu verlieren. Diese Frage ist bereits im Dada gestellt worden und ein wenig anders, aber dennoch sehr musikalisch beantwortet worden. Und im Experimentellen, Dringlichen wie auch doch wieder Gesanglichen, also im Positiven, gelang das ja auch öfters als man wahrhaben möchte. Aber wenn man es nicht möchte, warum dann die Auseinandersetzung mit Oper?

Antworten gibt auch „if this then that and now what“: Die beiden, ganz selten auch drei rezitierenden Schauspieler verkörpern das Alter Ego des Komponisten. Jeder ihrer Schritte, Stolperer, Treppengänge und Handgriffe ist vertont, ihnen wie den Musikern durch Earsticks und Klicks mitgeteilt. Manchmal, wenn man seinen Kopf wendet, sieht man Noten hinter dem Publikum projiziert. Es wird über Schallwellen und Lichtwellen räsoniert, der Unterschied mit einem in Wellen geschwungenem Seil über kleinen Trommeln erläutert. Vertikale und Horizontale Bewegungen der Musiker ergeben ein Ballett, Tischtennisbälle fallen durch Plastikrohre auf Becken und Trommeln. Dann erklären die Alter Egos wieder, dass es keinen Gesang bräuchte, dass das Instrumentale schon Musiktheater zur Genüge sei. Und lieber Simon, ja, wir kennen Deine bezaubernden Kammermusikperformances und Mischformen von Orchesterstück und Filmperformance. Meisterhaft gesetzt, zeitlich meist ganz gut getimt.

Bei diesem Musiktheater ging das Timing allerdings flöten. Gepaart mit der Selbstreferntialität, die bei zu gehäufter Wiederholung zur Selbstgefälligkeit gerinnt, und einem musikalischen Material, das sich nicht weiterentwickelt, da wird es einfach öde. Der Tod des Theaters. Natürlich lacht immer irgendwer über das zwanzigste Fallen eines Sandsacks. Aber wenn die Musik sich dann anhört wie der Soundtrack einer Gameshow und nur dieser Soundtrack bleibt, dann wirkt es so, als habe jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht. Denn so schön die Erläuterung der Settings von Ton-Wort oder Ton-Bewegung sind: klemmt die Musik in den immergleichen Gesten fest, erzählt dies was über Vergeblichkeit. Aber auch über mögliche Phantasielosigkeit, dies aus sich heraus weiterzuentwickeln. Das trägt eine halbe Stunde. Aber nicht eine ganze, schon gar nicht zwei, ja, mehr als zwei Stunden.

Entschädigt wurde man immerhin vor dem Stück mit Sekt für alle und hernach mit Bier und Asiafood für umme. Unbeholfen allerdings auch das Spiel von Tsangaris/Ott sich in ihren Reden als Pat und Paterchon zu zeigen. Wir wollen alle nicht den Sermon vergangener Zeiten. Ein wenig unfeierlich war es aber schon. Am sichtbar wohlsten fühlte sich die Ruhrnatur Kulturrefernt Küppers unter der Oberrhein- und Niederrheinnaturen. Und der Plattformjugend, die wir ja anschaulich aus Donaueschingen und Darmstadt der letzten Jahre kennen war das höchstwahrscheinlich auch egal. Uns Münchner Künstlern und Biennalegängern von Anfang an kam nach den ersten Stücken und dieser Unfeierlichkeit, wie denn das noch werden soll. Denn betrachtet von den bald folgenden Spielorten städtische Galerien, Schwimmbad, alte Bierhallen und Projekten, die an Projekte der freien Szene vor Ort erinnern, fragt man sich so manchmal, ob aus der Biennale nun so ein Rodeofestival wird. Natürlich tauchen wir als freie Szene-Menschen hier und da in Produktionen auf. Aber von
Anfang an aus Münchner Händen stammende Produktionen vermisst man, abgesehen von der Laienproduktion GAACH. Natürlich ist auch eine Szene wie die Münchner selbstreferentiell und viel schneller in ihrer Kleinheit selbstgefällig als die Berliner. Aber ganz san mer a ned auf da Brenn’supp’n dahergwschomm. Ois kloar?

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