60 Jahre Komponistenverband, diametrales Gestern und Heute in einem Raum

Ein bisschen ist es schon her: vor sieben Tagen feierte der Deutsche Komponistenverband (DKV) sein 60-jähriges Bestehen. Diese seitdem 168 verstrichenen Stunden einer Woche sind im Zeitalter des „Sharings“ und „Likens“ selbst schon eine Ewigkeit, als seien 60 Jahre verstrichen. Was in dieser Zeitspanne an Klingeltönen, aktuellen Hits und Dauerwerbejingles durch die Zähler erfasst wurde, könnte sich selbst die merkfähigste Sängerin innerhalb eines Lebens nicht auswenidig lernen. Aber als Komponiste weiß man: Zeit ist relativ. Im merkwürdigen Verhältnis standen manche Künstlerkarrieren vor einer Woche im gleichen Raum beisammen: anhand des mit der DKV Ehrenplakette für sein GEMA-, DKV- und Künstlerleben ausgezeichneten inzwischen 80 Jahre alten Christian Bruhn erlebte man einen Hauch von Erfolg, wie er in der U- und Filmmusik bis in die 90er Jahre möglich war, als die Produktionsetats noch riesige waren und die Goldenen Schallplatten echter. Das Verhältnis von harter Arbeit, dickem Erfolg und daraus möglicherweise resultierendem Einkommen stimmte noch, so wie es Heidi- und Kaptain-Future-Soundtracks Christian Bruhn mitunter einbrachten. Im gleichen Raum traf man aber auch den namenlosen Anfangvierziger der Jetztzeit an, der als Komponist wie Interpret E-Musik, U-Musik, Film- und Werbemusik ausübt, für wichtige Theater vielfach erfolgreiche Schauspielmusiken schrieb. So breit aufgestellt hat er das Zeugs, in einem seiner Metiers einen Erfolg zu landen. Vielleicht bot sich ihm nur noch nicht die Gelegenheit, vielleicht ist „das System“ heute mit auch nur mit soviel Künstlerinnen und Künstlern wie noch nie zu „verstopft“. Dazu kommen die heute erheblich verschlechterten bzw. eingefrorenen Produktionshonorare, die zu geringen Beteiligungen an Online-Erfolgen, die hart Arbeitenden zwar eine auskömmliche Existenz ermöglichen, sie aber selbst um die Früchte ihres Erfolgs bringen, egal ob der bescheiden oder riesig sein mag. Glück hat dabei heute nur der, wer sich rechtzeitig früh genug festlegt und der gewählten Nische durchstarten kann. Wer allerdings vernünftig ist, wird sich so breit aufstellen, wie eben früher ein Bruhn oder heute dieser namenlose, durchaus real lebende Kollege.

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Interessant war dazu die Rede des Berliner Kulturstaatssekretärs Tim Renner, der U und E für sich mit „Underground“ und „Excellence“ übersetzt. Wie soll heute nun noch Exzellenz entstehen können, wo diese gezwungenermassen im Untergrund agieren muss? Oder verstehe ich da etwas falsch? So wichtig eine Neubewertung der alten Bezahlsparten der GEMA sein mag, muss vor allem das aktuell mehr denn je um sein am Boden Überleben kämpfende Hochkarätige wieder in die Lage versetzt werden, ordentlich für seine Anstrengung bezahlt zu werden. Es geht da nicht um „Eintagsfliegen“ oder „Hitwunder“, es geht, ähnlich den Universitäten, um den Mittelbau, der seine Kunst voll und ganz zum Broterwerb einsetzt und immer mehr in die Rolle eines perfekt ausgebildeten Prekariats gedrängt wird, dessen Erfolg schnell geteilt und geliebt wird, dessen Einnahmen aber ganz andere einfahren, wie Onlineportale, die nur ihr Regal zur Verfügung stellen und damit auf Kosten, bildlich gesprochen, der Musikdosenhersteller ihren Reibach einfahren. Wenn nun E, U und Film und noch vieles mehr neu bewertet werden sollen, nachdem sich immer mehr eine Nettoeinzelverrechnungsmentalität herauskristallisiert, die nur noch wenige, wie z.B. einzelne Werbemusiker gut verdienen lässt, sollten die Komponisten, Soundkünstler und Interpreten wieder mehr zusammenfinden, durchaus durch Eintritte in so etwas Ehrwürdiges wie einen Komponistenverband, um das Bestehende zu retten und zum Vorteil aller umzubauen. Vielleicht geht der Weg ja sogar tatsächlich darüber, E und U und Co. doch nicht gegenseitig aufzuheben, sondern jedem zuzugestehen, sich doch für eine Richtung entscheiden zu müssen, ohne den Fuss aus den anderen herauszunehmen. Denn nur wenn man weiß, wer man ist, woher man kommt, dann kann man mit voller Kraft zum Erhalt und Ausbau „des Systems“ beitragen. Vor lauter Angst in der Öffentlichkeit nicht nur als Künstlerikone dazustehen, sondern als für seine Existenz kulturpolitisch eintretender Mensch verrufen zu sein, werden Abgrenzungen und deutliche Benennungen kaum noch gewagt. Denn das mag einen ins Abseits bringen. Aber eben auch ins denkerische, spirituelle und kreative Aus. Möge jeder also wissen was er sei und kann. Dann können andere vielleicht in hoffentlich weniger als 60 Jahren wieder weniger diametrale Künstlergenerationen in einem Raum erleben!

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