Sprüche aus der Ferne 1

Im Südhessischen, in Darmstadt finden die Ferienkurse bis 16.8.14 statt. Dort wird sicherlich auf hohem Diskursniveau das aktuelle Komponieren auf seine Zeitgemäßheit ausdifferenziert werden. Allerdings dreht sich manches jetzt schon länger im Kreise. Dazu nun hier ein paar Mal kurze Sprüche aus der Ferne, was eben einem so als Daheimgebliebenem zwischen Flaucher, Biergarten, Glockenbach und Stemmerhof so provinziell einfällt, damit es anderorts lustig bleibe…

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Ob Neuer Konzeptualismus wirklich das Zeugs hat, eine neue Richtung zu werden oder vor allem benutzt wird, durch Zerreden erst Recht eine daraus zu machen, ist eigentlich egal. Man mag ihn mit Methoden, die sich v.a. aus der elektronischen Musik und der Postmoderne gepaart mit den modernen, einfach zugänglichen Klangbearbeitungsprogrammen und dem Internet als Inspirationquelle speisen, zur Schreibtechnik, Schule ausrufen, erhöhen oder verwerfen. Die vermeintliche Schwäche liegt vor allem am Umgang damit, am ungenügenden Auffüllen mit Inhaltlichkeit, Dringlichkeit. Es liegt also an der Komponistin oder am Komponist selbst, was sie daraus machen. So ist es egal, ob man Teile eines Werks oder sein gesamtes aktuelles Schaffen konzeptualistisch gestaltet. Wenn nun z.B. Sarah Nemtsov einige ihrer jetzigen Stücke mit Neuem Konzeptualismus durchtränkt, so ist es am Ende in erster Linie Musik von Sarah Nemtsov höchstpersönlich und nicht in der Hauptsache Neuer Konzeptualismus. Manchmal könnte man meinen, dass die Kritiker Hilberg und Co., aber auch die Apologeten Lehmann und Co. erwarten, dass Musik dieser Technik ähnlich wie Kreidler, Prins oder dgl. klingen müsste. Sie erreicht aber das Gegenteil: durch strenge oder spielerische Materialanordnungen entsteht ein Gitter, durch das die Persönlichkeit der damit arbeitenden Person erst so richtig an Härte und Profil gewinnt, je mehr sie persönlich mitzuteilen hat. Und dies ereignet sich dann eben auch bei Dir wie mir… Oder: was bleibt von Manuel Neuer, wenn man ihn auf Konzeptualismus reduziert? Sein Nachname? Verstehe ich selbst nicht…

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Komponist*in

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3 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    Oh, diesmal hat der Admin bzw. Zufallsgenerator eine richtig – für mich (echt!) Mathe- und Elektronik-Niete [zum Glück, ich vermisse nichts!] ausgedacht: 7×9 = 63. Ich musste wirklich (aber heute ist auch echt schwül hier, mannomann ;-) ) das 1×7 anwenden, um die Aufgabe schneller zu lösen.

    So, nun aber zur Sache – auch mal so aus der Ferne, aus dem schwülen Rheinland: Ja, ich stimme Dir zu lieber Alexander: Sarah Nemtsov gefällt mir auch – was ich bisher von ihr gehört habe – gut. Sie ist authentisch bei alledem, hat Individualität. Ansonsten gilt für mich eigentlich die Maxime: „Komponiere NICHT so wie Darmstadt es gerade als „angesagt“ oder oder als DIE maßgebende „neue Schule“ ausruft oder so, dass Du von noch so begabten oder sich begabt findenden Musikologen, Musikphilosophen oder Rundfunk-Redakteuren mit einem Schlagwort in eine ästhetische oder konzeptionelle „Schublade“ gesteckt werden kannst, dann machst Du es richtig. Nix für ungut, und noch viel gute Diskurse in Darmstadt. Aber dieses Jahr bleibe ich lieber zu Hause und nutze die Zeit lieber zum Komponieren.

  2. @Alexander: Das Schöne und auch Konstruktive an halbwegs klar definierbaren Ismen ist nicht ihr jeweiliges Kochrezept, sondern dass man plötzlich einen überpersönlichen archimedischen Punkt hat, von dem aus sich die eMusik der Gegenwart beobachten lässt. Ismen – man mag zu ihnen stehen, wie man will, Erik Janson – entstehen nun mal nicht zufällig und können auch nicht „gemacht“ werden: Sie sind einfach da, aus einer ganzen Wolke von Gründen, sind eine Weile wichtig, dann rücken sie wieder in den Hintergrund, werden vergessen etc.

    Mit der künstlerischen Leistung einzelner haben sie *direkt* nichts zu tun (im Sinne von: „Seit Komponist X im Stil Y komponiert, ist seine Musik viel besser geworden.“ – das wäre allerdings sehr merkwürdig!), aber es dürfte kaum einen Komponisten geben, der von sich behaupten würde, niemals von irgend einem Ismus beeinflusst worden zu sein – und wenn es nur in der Form von „Ich habe den xxxismus stets aufs Tiefste verabscheut!“ ist.

    Ich freue mich auf und über die Debatte um den „Neuen Konzeptualismus“ – immerhin ist es (nach meinem Kenntnisstand) der erste Ismus, den die Kunstmusik seit ca. 30 Jahren hervorgebracht hat (oder hab ich nach Komplexismus und Spektralismus irgendwas nicht mitbekommen?) – allein das halte ich schon für sehr bemerkenswert!

  3. Lieber Stefan, nur soviel: mir geht die Diskussion des letzten Jahres um den Neuen Konzeptualismus ziemlich auf die Nerven. Dabei wurde er weniger an Werken diskutiert, sd. v.a. als Theoriekonzept bzw. dessen musikhistorisches Embedding, wenn man das so sagen will, angegriffen, besser zerredet. Denn richtig widerlegt wurde nichts, eher belächelt. Das lenkt davon ab, dass es inzwischen viele Auseinandersetzungen vor allem im kompositorischen Sinne mit ihm gibt. Plötzlich gibt es eben auch Werke von Sarah, wie z.B. Zimmer I-III, oder Auseinandersetzungen wie die von Erich S. Herrmann, eigene Annäherungen bei mir, was aber noch lange nicht als Bestandteil des Neuen Konzeptualismus, oder nach Welt-Gehalts-Lage, der Diesseitigkeit zugeordnet werden oder als zwischen denen immerhin oszillierend. D.h., die Abarbeitung an Begriffen und Werken ist viel zu eng! Und sollte dringend weitergefasst werden. Sonst redet es sich zu Tode oder beschränkt sich auf das, was von den Verteidigern des NK kanonisiert wurde. Aber es ist eben eher ein Gitter, Filter für Schärfung von persönlichen Schreiben denn eine Einengung. Wie man die alten Ismen schnell einschränkte, so beschränkt man sich auf die Rollen bisherigen advocatus und advocatus diaboli und schreibt zu, schliesst ab, wie in den 70ern, als es zum letzten Mal so etwas dankenswerterweise der kreativen Komponisten für die Musikrezeption zu erledigen gab…