Sag mir, wo die Honorare sind. Wo sind sie geblieben?

Und wieder die alte Frage, die man uns Komponisten gerne stellt….“Was machen sie eigentlich beruflich“?

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Oder vielmehr: Wie kann man als Komponist nicht-kommerzieller (sic!) Musik heute (über)leben?

Tatsache ist: wir leben wahrscheinlich in einem der ganz wenigen Länder, in denen es tatsächlich auch heute noch Menschen gibt, die zumindest in der Theorie allein von Kompositionsaufträgen so genannter „ernster“ Musik leben könnten. Das heißt also: ohne Lehrauftrag, Stipendium, Preisgelder, Professur oder andere Einkünfte. In Deutschland ist das wahrscheinlich ein Grüppchen von um die 20 Personen (von denen die meisten aber dennoch Professuren oder weitere Einkünfte haben, aber theoretisch könnten sie auch ohne).

Von jährlich schätzungsweise 200 neuen Kompositionsstudenten in Deutschland schaffen es also vermutlich maximal 1-2 davon, diesen Status zu erreichen, das sollte man sich ab und zu mal klar machen.

Es gibt nicht viele Länder, in denen man vom Komponieren von E-Musik allein leben könnte. Wo es auch noch geht, aber definitiv nicht einfach ist: Frankreich, Österreich, Finnland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Schweiz, Holland. Wo es schon sehr schwierig bis unmöglich ist: England, Belgien, Spanien, Italien.

Und das war’s. Osteuropa? Nein. China/Asien/Australien/Neuseeland? Reich genug wären diese Länder, aber nach wie vor ist dort klassische Musik dominierend und der Bedarf an Neuem gering. Afrika? Nein. Südamerika? Nein. Nordamerika? Nur in Verbindung mit anderen Aktivitäten.

Der Rest der Welt drängt also in die zuerst genannten Länder, um dort die Chance auf ein Auskommen zu haben – verständlich. Absolut alle amerikanischen Komponisten, die man heute z.B. so kennt (Elliott Carter, Morton Feldman, Conlon Nancarrow, John Cage, Philip Glass, Steve Reich etc.) haben ihre Karriere in Europa nicht nur begonnen, sondern hatten dort auch stets mit Abstand die meisten Aufführungen.

Insgesamt ist wieder ein Schwinden der Gattung des „nur komponierenden“ Komponisten zu beobachten, der zum Beispiel in den 50er-80er Jahren absolut dominierte. Damals galt es als eher unschicklich, auch als Musiker aufzutreten, anstatt sich ganz aufs Komponieren zu konzentrieren. Heute gibt es wieder viel häufiger Doppel-bis-Dreifachaktive, die noch als Interpreten und Dirigenten arbeiten – sicherlich keine unsinnige Strategie und auch wieder erfreulich näher am „Musikantischen“, aus dem der Beruf des Komponisten ja eigentlich mal gekommen ist.

Dies alles soll jetzt kein Lamento sein, nur eine nüchterne Beschreibung der Berufsaussichten. Was aber zunehmend deutlich wird, ist dass Fördergelder und fremdfinanzierte Kompositionsaufträge wie zum Beispiel von der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung immer mehr eine Entwicklung auffangen müssen, die weit bedenklichere Formen annimmt. Wogegen nämlich quasi alle Honorare im Musikbereich (zum Beispiel die von Opernregisseuren und Dirigenten) mehr oder weniger der jeweiligen Inflation und Euroumrechnung angepasst wurden, sind die Auftragshonorare von Komponisten nicht nur gleich geblieben sondern sogar gesunken.

Ich nehme an, dass meine deutschen Leser dies vielleicht bestätigen können: was früher einmal ein ordentlich bezahlter größerer Kammermusikauftrag von zum Beispiel 3000,-DM im Jahre 1980 war, ist heute ein nicht mehr ordentlich bezahlter Auftrag von 1500,-EUR im Jahre 2014. Nicht nur, dass 1500,-EUR nie und nimmer 3000,-DM sind, 3000,-DM heute sind definitiv nicht das selbe wie 3000,-DM früher.

Im Jahre 1980 konnte man von 3000,-DM 2-3 Monate locker finanzieren (was auch ungefähr der Arbeitszeit an einem 15-20-minütigen Kammermusikwerk entspricht) , heute kommt man  mit 1500,-EUR monatlich nicht mehr wirklich aus, außer man ist noch Student und lebt im Wohnheim.

Es ist also faktisch so, dass wir als Komponisten heute zu einem Drittel früherer Honorare arbeiten. Kein Wunder, dass immer weniger davon leben können! Überleben können also nur wirkliche Vielschreiber, ein Webern oder Varèse  hätte dagegen heute noch nicht mal den Hauch einer Überlebenschance als Komponist .

Und nicht nur das – jeder Versuch, bei Honorarverhandlungen einen gewissen Standard zu wahren, wird von den Kollegen unterminiert, die quasi für einen Appel und ein Ei jeden, aber auch wirklich JEDEN Auftrag annehmen würden. Immer wieder höre ich zum Beispiel bei Honorarverhandlungen den Satz „aber der Kollege XXXX hat es neulich für YYYYY gemacht“, wobei XXXXX für einen erstaunlich namhaften Kollegen und YYYYY für eine erstaunlich niedrige Summe steht. Natürlich weiß man nicht immer, inwieweit das stimmt, aber ganz aus der Luft gegriffen ist das nie.

Es gibt Komponisten, die z.B. die Aussicht auf eine Opernaufführung dazu verleitet, dem Theater quasi alles umsonst zu liefern, auf jegliche Tantiemen zu verzichten, und sogar noch das Stimmenmaterial und den Klavierauszug selber herzustellen. Ähnlich sieht es bei Orchesterstücken aus. Es ist also kein Wunder, dass es keinerlei Anreiz für die Auftraggeber gibt, die Honorare für Kompositionsaufträge der Inflation anzugleichen – immer stehen sofort ein Dutzend Kollegen auf der Matte, die es für noch weniger machen, viele davon auch aus Ländern, in denen das bisschen Geld sogar noch etwas wert ist.

Was es für Auswege aus dieser Situation gäbe? Vielleicht ein bisschen mehr Solidarität, mehr Zusammenhalt bei Organisationen wie dem Deutschen Komponistenverband. Aber eine richtige Trendwende ist nicht abzusehen.

Die Zeiten sind also härter geworden. Und dennoch: schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts war jemand wie Schönberg als Professor stolz darauf, seinen neuen Studenten den Kompositionsberuf erst einmal gehörig zu vermiesen.

Bis nur die ganz Harten übrig blieben. Die, die wirklich nicht anders konnten, als zu komponieren.

Und von da ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Selbstausbeutung.

Moritz Eggert

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3 Antworten

  1. Eine Lösung seitens der KomponistInnen wäre z.B. ähnlich der Selbstverpflichtung der in der DEFKOM organisierten Filmkomponisten auf einen Honorarkodex orientiert an z.B. der baldigst fortzuentwickelnden E-Musik-Honorarrichtlinie des Deutschen Komponistenverbandes, wobei wie gesagt diese selbst veraltet ist und selbst wenn man sie als Minimum auffasst, diese zu oft unterschritten wird. Ich frage mich aber, ob man auf die Solidarität der Kollegen wirklich setzen kann. Denn es gibt eben immer den Selbstverpflichtungsbrecher in E derweil die Filmleute da tendenzieller strenger zu sich selbst sind. Wir E kungeln und halten doch das Messer parat. Ich behaupte mal: unsere Sorte schwingt hehre Worte und ist im Musikbiz doch auch kollegial, nicht nur finanziell, all zu oft das Allerletzte. Sprich, wer solch eine Selbstverpflichtung bräche, käme auf eine Schwarze Liste u. wäre durch ebenso selbstverpflichtete Juroren, Veranstalter auszuschliessen. Ähnliches Unternehmen ja die Art but fair Theaterkünstler….

  2. Tobias Eggert sagt:

    Hi Moritz,

    John Adams war nicht in Europa und zählt sicher zu den bekanntesten zeitgenössischen amerikanischen Komponisten. Er war erst in Harvard und dann in San Francisco. Also nicht „absolut alle amerikanischen Komponisten, die man heute z.B. so kennt …“.

    Liebe Grüße,

    Tobias

  3. Hans Hafner sagt:

    Wir leiden unter dem Prisoners Dilemma:

    Wenn alle zusammenhielten, wären alle stark. Aber der, der ausschert hat den größten Vorteil.

    Mich widert dieses Dilemma so an, aber eine Lösung, wie man davon wegkommt habe ich auch nicht.

    Wir müssen einfach immer und immer wieder über uns und unsere Situation schreiben, so wie Du, Moritz, das auch machst! Danke dafür!

    Leider sind wir aber untereinander auch ziemlich schnell zu spalten: ihhh, der macht ja Fusion, ihhhh, der macht ja Barock, ihhhh der macht ja xyz. Und da fällt es uns (an der Stelle sollten wir alle ehrlich sein!) ziemlich schwer, Solidarität auch wirklich zu leben.

    Aber aufgeben, diese Solidarität als Ziel zu sehen dürfen wir deshalb trotzdem nicht!