Festivals – Freuden und Querelen mit Blindbewerbungen zu Projektvorschlägen

Erinnert Ihr Euch des Ensemble des Pierrot Lunaire? Das mit Albertine Zehme und Eduard Steuermann? Oder das mit den bis vor kurzem beinahe täglichen Wettbewerbs-Remindern? Das ist der Moment, wenn Institutionen in die Köpfe der Menschen hineinwachsen, hineinwachsen wollen, frei nach Adorno. Es gibt auch den umgekehrten Fall: die institutionsbewachsenen Künstler, Ensembles wachsen in die Hirne der Institutionsmacher zurück. Das ist besonders fruchtbar, wenn dies zu kritischen Dialogen führt. Dies ist furchtbar, wenn es in Mimikry ausartet.

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Nun trage ich seit kurzer Zeit die Bürde, als Co-Leiter des aDevantgarde-Festivals wöchentlich mehrere „Blindbewerbungen“ zu erhalten. Solche Anschreiben und Projektvorschläge versende ich als Komponist genauso, kenne also die dahinter stehenden Erwartungen. Ja, als Festivalorganisator muss ich genauso Anfragen an Partner formulieren, was aber meist seitens der Geldgeber streng formalisiert ist und so wieder sehr konkret und nicht blindbewerbend ist. Wie bewirbt man sich nun richtig für Festivals, Ensembles, etc.? Eine abschliessende Antwort kann ich nicht geben. Aber ein paar Eindrücke, wie man es nicht machen sollte.

aDevantgarde, die Moritz Eggert mit Sandeep Bhagwati aus der Taufe hob, die jedes Festival anders als das Vergangene gestaltete, hatte dieses Jahr „missa est“ zum Motto. Kaum war dieses Festival vorbei, trudelten die ersten Bewerbungen für folgende Festivals ein. Und was sind die Ideen? Orgelkonzerte, geistliche Chorprojekte, Neue Musik mit Gregorianik bei Kerzenschein, etc. Dabei mag garantiert Hochkarätiges vertreten sein. Aber handelt es sich um ein Festival für Kirchenmusik? Nein!

Ein Konzert fand dieses Mal in einem Club statt. Sofort kamen Mails, die ähnliche Programme und Besetzungen anboten. Wobei es sich da um die interessantesten Ensemble-Anfragen handelte. Mal sehen. Eine lange Tradition, die Moritz eröffnete, haben Konzerte im Rahmen der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die viele Komponistinnen und Komponisten zusammenbrachten, kleine themengebundene, sehr feine Stücke hervorbrachten. Dieses Mal komponierten die Beauftragten ein Stück zu ihrem heimlichen Lieblingsdogma und führten es mit einem zur Verfügung gestellten Duopartner gemeinsam als eigener Interpret selbst auf, sei es als versierter Instrumentalist, sei es als nach langer Zeit wieder musizierender Mensch, sei es als Elektronik Bedienender. Prompt kommt eine Bewerbung, die einen Klaviersolisten mit einem gleichartigen Programm anbietet. Eine bizarre Sache sind Angebote, ähnlich dem Letztgenannten, die vollkommen abgeschlossene Programme anpreisen, wo einem Festival kein Gestaltungsrahmen als die Aufführungsgelegenheit bleiben soll.

Was soll man als Anfragende nun tun? Ein Blick in die Programme der Angeschriebenen würde schon Wunder wirken. Ist es ein Programme einkaufendes oder Programme nur selbst gestaltendes Festival, will es zumindest bei der Programmierung gleichberechtigt mitreden, was wird immer wieder gerne gemacht oder ändert sich ständig das Programm – das Alles könnte man herauslesen. Natürlich kann dieses Programmorakeln ins Gegenteil kippen, wenn gerade gespielte Gastkomponisten wieder in quasi identischen Projekten vorgeschlagen werden.

Ganz unschön sind Vorschläge, die z.B. ein Flötenkonzert vorschlagen, das Festival dazu ein in der gleichen Stadt sitzendes Orchester angehen soll. Da sollte man doch gleich das genauso veranstaltende Ensemble direkt angehen. Und wenn man z.B. über ein Festival stolpert, das von Komponistinnen und Komponisten veranstaltet wird, ist es völlig weltfremd, ein bombastisches und teures Projekt anzubieten, das den komponierenden Mitgliedern des Trägervereins nicht im geringsten eine Beteiligung einräumt, und sei es eben das Vorschlagsrecht für einen Gastkomponisten.

Im Prinzip empfiehlt es sich, vor allem selbstbewusste, eigenständige, abwechslungsreiche, auf die Festivalbiografie intelligent reagierende Vorschläge in die Welt zu setzen. Wichtig ist zudem richtig einzuschätzen, wie weit ein Festival mitgestalten möchte: vertritt man einen weltberühmten Star, wird jeder Veranstalter zu gewissen Kompromissen bereit sein, ist man ein Newcomer, ist nassforsch auch nicht immer falsch, ein 1:1-Verhältnis zwischen Anfragendem und Festival wäre aber schon sinnvoll seitens des Forschen.

Fein ist es immer, erstmal anzufragen, ob man überhaupt dieses oder jenes einreichen solle, aus der ersten, gar nicht mal uneindeutigen Antwort augurisch herauszulesen, ob es wirklich Sinn macht. Wobei dann in dessen Folge ein ganz unerwarteter Vorschlag das Interesse viel eher wecken könnte, zumal wenn man schon im persönlichen Kontakt steht. Eine Garantie, das was zustande kommt, besteht dabei natürlich auch nicht. Aber man weiß ja nie.

Wie gesagt, es lohnt sich immer genau hinzusehen, ob ein Festival das Immergleiche veranstaltet oder ob es doch ein wenig oder gar sehr stark von Mal zu Mal sein Profil ändert. Oder man wartet, ob ein Call-for-Scores/-Proposals ergeht, der dann aber nicht stündlich seitens des Festivals gepostet werden sollte.

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Komponist*in

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4 Antworten

  1. Mir ist aufgefallen, dass die Anzahl solcher Vorschläge und Anfragen mit der zunehmenden Verbreitung des Internets gestiegen sind. Es ist ja auch viel einfacher, einen Standardtext für einen Konzertvorschlag zu entwerfen, und diesen dann hunderte Male zu vermailen (wobei viele sogar zu faul sind, noch eine persönliche Anrede hineinzuändern – das sind dann die beliebten „Liebe Konzertveranstalter…“-Mails, von denen ich täglich ein Dutzend bekomme) als – wie früher – eine aufwändige Broschüre oder PR-Material drucken zu lassen und diese dann in großen Mengen zur Post zu bringen (was auch einen Haufen Geld kostete).
    Damit einher geht natürlich dann eine zunehmende Lieblosigkeit der Konzertvorschläge – da man diese ohnehin in digitalen Massensendungen verschickt, rechnet man eigentlich gar nicht mehr wirklich damit, dass jemand die sich genauer anschaut. Daher schaut man wiederum selber nicht auf das Profil des Veranstalters, an den man sich wendet.
    Und so werden alle zugemüllt, was es den wirklich guten Vorschlägen – die es natürlich weiterhin gibt – so richtig schwer macht,,,,

  2. wechselstrom sagt:

    „aDevantgarde-Festival“ – da kann man auch Kirchenmusik, Volksmusik, Gregorianik, ars antiqua u.ä. herauslesen … ist nicht beabsichtigt – aber es zeigt, wie eingeschränkt man wird, allein durch einen unglücklich gewählten Festivalnamen.
    Vielleicht könnt ihr den ändern? –
    „Neuhauser Tor – Festival für zeitlose Musik“ fällt mir spontan ein.

  3. „stachus-musi“? eher werde ich zur dragqueen…

  4. wechselstrom sagt:

    Dragqueen – ? auch eine interessante Art zu modulieren; und ein schönes Festivalmotto dazu …