Gute Gründe, Festivals abzusagen

Halle. Die Saale stieg letzte Woche über die Ufer und tatsächlich wurden die Händel-Festspiele abgesagt.

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München. Der russische Präsident muss unerwartet notlanden und die Ministerpräsident Seehofer benötigt die Allerheiligenhofkirche für einen Hoagarten, weshalb das Adevantgarde-Festival abgesagt werden müsste.

Traunstein. Eine österreichische Bürgerfront besetzt wie Anfang des 18. Jahrhunderts Bayern bis zum Inn. Statt um dynastische Erbansprüche geht es um den Bahnkorridor zwischen Kufstein und Salzburg. Das Musikfestival zwischen Inn und Salzach kann erst ein Jahr später als „Rechts-des-Inn-Festival“ wieder aufgelegt werden.

Leipzig. Da Cage im Verdijahr nur noch nervt, wird das Festival des Forums Zeitgenössischer Musik mit dem Motto Cage 100 – The Carillo Project abgesetzt.

Ulm. Winterstürme wichen dem Sommerwind, der das Ulmer Zelt samt dem gleichnamigen Festival wegweht.

Hannover. Mangels wirklicher Utopien zu Beginn des 21. Jahrhunderts sendet die IGNM nach Jose Sanchez-Verdus „Inseln der Utopie“ ihre Kavallerie samt Fusionsinstrument aus, womit die weiteren Projekte von Goebels, Kaul und Seidel an einen noch unbekannten Ort hinweg galoppieren. Man munkelt von Berlins Barbie World Ersatzspielstätte.

Zwickau. Wagner und Schumann hatten sich eigentlich nichts zu sagen, außer je individueller Lesart des Faust- und Tristanstoffes. Ein frisch aufgefundener Bekennerbrief Wagners an Hanslick überführt Wagner einwandfrei des Plagiats. Die Verbindung der beiden als Motto im Schumann-Fest führt zu dessen Ausfall

Garmisch-Partenkirchen. Richard Strauss‘ Humor in seinen Opern verdankt sich ausschließlich den Libretti von Hugo von Hofmanntshal. Indem Strauss Salome nicht in Französisch vertonte, verschenkte er den Witz seines Lebens. Ergo müssen die diesjährigen R.-S.-Festspiele als humorfreie Zone dem Motto zum Trotz ausfallen.

Bad Kissingen. Ähnlich der Lepziger Cage-Langeweile werden die letzten ausstehenden Zuschüsse wegen des Verdi und Wagner-Überangebots an Festivals verweigert. Es bleibt bei W-V-Potpourris der Kurkapelle. Immerhin ist eine Busreise zu Moritz Eggerts „Wagner vs. Verdi“-Spektakel vor der Bayerischen Staatsoper als Ersatz angeboten.

Berlin. Nach einer Ostasienreise ist das Organisationsteam an einer geheimnisvollen Grippe erkrankt. „Infektion! Festival für Neues Musiktheater“ ist vorerst eine Sache für die Immunologen der Charité.

Unkel/Rhein. Nachdem die Elektroinik-Firma Loewe kurz vor der Insolvenz steht, werden versehentlich die Carl-Loewe-Musiktage abgesagt.

Timmendorfer Strand. Frau Merkel möchte Francois Hollande ein schönes Stück Ostdeutschlands zeigen. Somit fällt jazz baltica ersatzlos aus.

Oestrich-Winkel. Das Rheingau Musik Festival ist ein weiteres Opfer der Piraten. Um mehr Wähler der Linken zu gewinnen, mokiert sich der grösste Kulturshitstorm aller Zeiten über den Titelbestandteil „Gau“. Unter dem Namen Rhein Musik Festival geht es aber fröhlich weiter.

Bayreuth. Weil die künstlerische wie die bauliche Substanz der Wagnerfestspieleholzschachtel marode ist, verzichten die Wagnerurenkelinnen endlich freiwillig auf die Fortsetzung der Festspiele.

Salzburg. Wider Erwarten gelang es doch alle Solisten gegen die Ausnutzerqulitäten von Herrn Perreira zu vereinen. Aufgrund eines einmonatigen Streiks fallen alle Opernproduktionen der Salzburger Festspiele aus. Es etabliert sich anstelle dessen ein Ensembletreffen des Österreichischen Ensembles für Neue Musik.

Schwaz. Wegen zu viel Romantik im Motto sagen die herben Tiroler das diesjährige Spektakel ab. Man verspricht dafür eine Kooperation mit Halle, dessen Händelfestspiele in den Alpen zugunsten der Saalestadt und ihrer Flutschäden verlegt werden. Eine ganz neue Interpretation der Alpenfestung.

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Komponist*in

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3 Antworten

  1. Stefan Drees sagt:

    Kleine Bemerkung am Rande: Strauss vertonte die „Salome“ auf Französisch. Die zweite Fassung von 1907 wurde am Théâtre de la Monnaie in Brüssel uraufgeführt. Strauss hat dafür die Vokalstimmen komplett neu komponiert und an die Diktion der französischen Sprache angepasst.

  2. Stefan Drees sagt:

    Und als Ergänzung: Textgrundlage war dabei die Orginalversion von Wildes „Salomé“…

  3. Merci, mon chère Stefan ;-) Soll bedeuten: ich erinnere mich dunkel mal in einem Programmheft gelesen zu haben, dass Strauss von vornherein das französische Original komponieren wollte, doch Romain Rolland erstmal abriet bzw. gewaltig Hilfestellungen für die 2. Fassung leisten musste. Ich denke an jene fiktive Version ohne Romains Eingriffe, die nicht entstand, bei der ich aufgrund meiner Unterstellung dachte. Frz. original heisst es ja comme la princesse Salomé est belle ce soir. Im Deutschen klingt uns immer wieder das: wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht. Es bestand wohl die Gefahr, dass Strauss daraus comme bell(e) est la princesse Salome ce-e soir. Autsch… Zugegeben, sehr privater Humor meinerseits. Musik- bzw. Opernhumor z.B. im Rosenkavalier hat nicht zwangsläufig mit dem gelebten Humor des Komponisten zu tun. Dort ist Alles kühl kakuliert. Und aus Anekdoten Humor abzuleiten, wie den x Kolportagen zu ihn nervenden Quartsextakkorden, ist nicht wirklich zielführend. Ich finde das Motto gelinde gesagt unbedeutend der diesjährigen GP-RS-Festspiele im Vergleich zu Strauss‘ Werk und Bedeutung, wo beim genaueren Hinsehen doch der Spass im Halse stecken bleibt. Sieht man, wie sich die Welt an Also sprach und Heldenleben aufgeilt, ist jede kriegsklappernde Note Wagners harmloser Tand dagegen. Denn dessen Denken potenziert sich ja gerade in den Generationen um Strauss, die dann zum totalen Untergang führten. Da kommt Strauss letztlich wieder gut weg, rettete ihn ein gewisser humanistischer Instinkt gepaart mit einer Panik um die Aufführungszahlen seiner Musik. Für mich eine spassfreie, ernste Angelegenheit. Aber Verharmlosen ist in, verdammen auch ein wenig einfältig. Warum riskiert man nicht dualistischere Motti für solch ein Festival? Immerhin liegt GP ja am Ende der Welt…