Musikmesse 2013 und Verlage – schlechte und gute Beispiele der Präsentation Neuer Musik

Samstag, 13.4.13, mittags, Frankfurt am Main, Messe, Halle 3, 4. Stock, gefühlte Raummitte, NMZ-Podium. Zuerst das Panel mit Barbara Haack, Gerhard R. Koch und Peter Overbeck zu Blog- und Printfeuilleton. Demnächst wird das Video unter nmz.de online sein. Im Anschluss Minestrone und Kuchen. Bevor es wieder nach Hause ging: die Vermessung der Welt! Bescheidener: die Entfernung des Verlagssechsgestirns der Neuen Musik und einem ausländischem Vorbild auf der Musikmesse in Distanz zum NMZ-Podium, das als eine Art „Greenwich“ herhalten muss und die Präsentation der Sparte „Neue Musik“:

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Schottverlag: 5 Meter gegenüber, eine große Regalwand mit den Autoren des Verlags. Insgesamt nimmt es dennoch nicht ein großes Volumen in Anspruch gemessen an der Größe der Schott’schen Ausstellungsfläche, die in diesem Stockwerkskosmos wie eine Sonne wirkt. Ein wenig Henze und Ligeti, genauso Widmann in der Auslage. Ein netter älterer Herr mit grauen Bart und Brille betreut sie und legt die Partituren akkurat übereinander, so dass jede mit 1/5 ihrer Breite unter der nächsten liegt. Fast alles computergesetzt. Es ist übrigens der einzige Stand mit Neuer Musik, der einen speziellen Mitarbeiter abgestellt hat. Die Masse der jüngeren Komponisten machen englische Kollegen aus, die nicht vor Fuge und Sonatensatz zurückschrecken. Extrem wohltuend: eine Klavierpartitur von Benjamin Schweitzer, der einzige Deutsche unter den Jungen. Und der einzige Jüngere mit handwerklicher Akuratesse.

Bärenreiter: nicht weit hinter Schott gelegen.  In der Hauptflurauslage ist keine Neue Musik zu finden. Man muss erst ein Durchgangsportal finden, immerhin offen im Gegensatz zu den Tolkienschen Pforten von Moira. Neben einer Art Schalter mit junger Mitarbeiterin, die zu Anfang allerdings auf der Gegenseite ihres Kabäuschens mit dem Hauptflur zu Gange ist dreimal zwei verlagsmodische kleine Plexiglashalter mit Partituren. Es fallen Pintscher, Seither und Scartazzini und einige weitere ins Auge. Nach Betrachtung der dritten Partitur wendet sich die Mitarbeiterin mir zu, ist vor allem beim Einräumen des Gelesenen behilflich, da die Partiturenablage so eng ist, dass man die Noten entweder verbiegen muss oder die weiter hinten liegenden in den Abgrund herausgeschoben werden.

Sikorski: am anderen Ende der Halle. Hier findet man ohne Portaldurchschreiten im Hintergrund des Messestands ein mittelgroßes Regal. viel Ruzicka, ein Hämmerklavier von Moritz E., zweimal Gerald Resch. Zum ersten Mal blättert auch eine zweite Person neben mir in Neuer Musik. Das gilt wohl als Massenandrang, weshalb uns die betreuenden Verlagsmitarbeiter ignorieren. In punkto Sauberkeit und angemessener Präsentation ist man auf Augenhöhe mit Schott, die jüngeren Kollegen auf alle Fälle computergesetzt.

Ricordi: rechts neben Sikorski, wie ein planetoider Schuttring, eine Riesenfläche mit all den Verlagen, die sich unter dem Dach von Universal befinden. Normale E-Musik, Opern, mit einigem Herumstrohmern sind sie auszumachen. Neue Musik ist überhaupt nicht zu finden. Was für eine Enttäuschung im Vergleich zur Ricordi-satten Notenausstellung auf dem letzten MGNM-Musikfest in München. Bleibt zu hoffen, dass die Neue Musik-Abteilung Ricordis nicht weiter ins Hintertreffen im Universaluniversum gerät.

Donemus: der niederländische Stiftungsverlag, der die nationale Schule der Neuen Musik seines Landes vertritt, zwischen NMZ-Erde, Schott-Sonne und Sikorski-Saturn. Man findet etlich Neues, wobei ich die von mir Gesuchten unbekannteren dort verlegten Kollegen nicht finden kann. Dennoch sehr fein aufgeräumt, viel Platz und interessierte Mitarbeiter.

Edition-Peters: Auf Venuskurs. Ganz hinten sieht man den Namen Cage vielfach prangen. Der Weg dorthin ist allerdings leicht mit Kunden verbarrikadiert, die sich für Populäreres interessieren – wo doch eigentlich selbst Cage geradezu U-Musik ist. Gerne hätte ich in Borboudakis, Möbius und Mendoza geblättert. Allein Corbett war aus Ferne ganz oben liegend auszumachen. Die Größe der Auslagefläche der Neuen Musik bewegt sich zwischen Sikorski und Schott.

Universal-Edition: Merkurposition. Wie Edition-Peters verstopfen etliche Kunden den Weg zur Neuen Musik, österreichische Namen, die erst im zweiten Gedankengang der Neuen Musik zugeordnet werden können, überwiegen in der Auslage, wie sie aus der Ferne zu betrachten ist. Aber es zieht mich schon zu:

Breitkopf & Härtel, das Mekka des Neue-Musik-Hardcore. Mars macht mobil! Aber was für eine Enttäuschung! Kein exterrestrisches Leben: ganz außen links ein schmales Regal, wo dieser Verlag doch auf seine lebenden Autoren so stolz sein sollte. Computergesetzt und Manuskript halten sich die Waage. Ärgerlich aber, wie gerade manches Manuskript nicht einmal gebunden worden ist: die bedruckten Seiten liegen lose im Umschlag. Mag dies als Spielpartitur praktikabel sein, als Lese-Präsentation des Werkes ist es grauenhaft. Da die Auslage sehr steil ist, immerhin vollbepackt, biegen sich Lachenmann, Zender und Verdu aus dem Regal heraus, ein absolut liebloser Eindruck, ganz im Gegensatz zu all den antiken Schumann- und Co.-Noten, die wie Kunstwerke sauber gedruckt, gebunden und betreut werden.

Fazit: es gewinnen in Präsentation Schott, Sikorski und Donemus, mit Abstrichen auch Bärenreiter. Edition-Peters und Universal-Edition dürften ihre Auslagen ein wenig erreichbarer gestalten. Die Verleger der Hardliner wie Ricordi und Breitkopf & Härtel: nochmals in die Notenproduktions- und Präsentationsschule! Gehen Sie nicht über Los und schreiben Sie sich nicht den Ruhm Ihrer Künstler auf die Fahnen. So bleibt der Wunsch, dass in Zukunft auch all die kleineren Verlage wie Edition Juliane Klein, Musikverlag Volker Nickel, Verlag Neue Musik, usf. Besser oder überhaupt auf der Musikmesse auffindbar sein werden. Neben den ganz Großen könnten diese die besten Anwälte der Neuen Musik sein, zumindest verstecken sie sie nicht und kassieren nicht im großen Stile Materialkosten ab, ohne dass irgendwer wirklich etwas davon hat. Unbenommen bleibt heute sowieso, dass Marketing und PR generell beim Komponisten selbst liegen sowie eine einfache Veröffentlichung eigener Noten als PDF auf der Künstlerhomepage kein Problem mehr darstellen. Es mangelt allerdings an der Bündelung der Kräfte, wie sie ein Verlag auch heute noch darstellen könnte. Blickt man allerdings auf Seiten wie die von stock11, einem Zusammenschluss von Komponisten und Interpreten sowie weiteren der Neuen Musik verbundener Künstler, blitzt zumindest die Möglichkeit einer Idee einer anderen Zukunft als die Verlagstradition oder die kompositorische Einzelkämpferexistenz ins Auge.

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