Ich bin keine Oper (Drittes Belgisches Arbeitstagebuch „Tragedy Of A Friendship“)

In den letzten Wochen höre ich ständig folgende Sätze:

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„Ach, ich habe gehört, Du machst eine Oper für Jan Fabre?“
„Wann wird denn Deine neue Oper in Antwerpen aufgeführt?“
„Wie ist es so, wenn Jan Fabre Deine Oper inszeniert?“
„Herr Eggert, ich bin Journalistin für XXXX. Haben Sie schon eine Partitur ihrer neuen Oper und können Sie mir darüber etwas erzählen? Wie haben Sie die Gesangsstimmen behandelt?“

Ich könnte heulen. Es ist nämlich so: „Tragedy Of A Friendship“ ist KEINE OPER!!!!

Nicht, dass ich etwas gegen Opern hätte. Ich habe ja schon oft meine Lebenszeit damit verbracht, Opern zu schreiben, mindestens 11x (Kurzopern nicht mitgerechnet). Hinzu kommen Werke, die ich definitiv nicht als Oper sondern als Musiktheater bezeichnen würde. Vielleicht sollte ich die aber auch „Oper“ nennen (siehe unten).

„Tragedy“ ist aber weder das eine oder das andere.

Bei „Oper“ denke ich an Livemusik, an vertonten Text, vor allem an durchgehende Musik, die einen bestimmten Rhythmus vorgibt. Bei „Musiktheater“ denke ich an all das, was nicht unbedingt exakt so ist wie „Oper“, aber eben auch live gespielt und gesungen wird. Im Grunde braucht man die zwei Begriffe auch gar nicht – ich tendiere immer mehr dazu, „Oper“ als Sammelbegriff für alle Formen des Musiktheaters vollkommen ok zu finden, da die Oper in ihrer ursprünglichen Idee und Begriffsverwendung ein gemeinsam geschaffenes Zusammenkommen aller Künste schon wunderbar bezeichnet. Ein „Gesamtwerk“ eben.
„Musiktheater“ klingt schon sehr gewollt und pseudo. Noch schlimmer ist aber „Labor“ und „Werkstatt“ (von unserem Kulturreferenten als Wunschvorstellung für die Zukunft der Münchener Biennale gerne ins Spiel gebracht), das sind zwei Begriffe, die in mir unüberwindliche Übelkeit erzeugen, denn ich will keine „Werkstatt“ sehen, sondern das, was dabei herauskommt. Leider sieht man aber fast immer nur die Werkstatt und wie viel Mühe sich alle gemacht haben. Das macht aber nicht immer gutes Theater.

In letzter Konsequenz braucht Oper auch nicht unbedingt Sänger (Henze beauftragte einstmals erfolgreich stumme „Puppenopern“), aber auf jeden Fall ein Live-Erlebnis, ein Live-Aufeinander-Reagieren, eine durchgehende Musik, die eine Form von Rhythmus vorgibt.

Ich will jetzt keinesfalls behaupten, dass wir bei „Tragedy Of A Friendship“ das Rad neu erfinden, und dass man es unmöglich benennen kann, weil es so etwas besonderes ist. Es ist einfach ein gemeinsames Werk von Jan Fabre, Stefan Hertmans und mir, bei dem alle gleichwertige Partner sind. Mindestens genauso wichtig sind die Ideen, die die Schauspieler, Tänzer und Sänger aus den langen Improvisationssitzungen entwickelt haben, und die jetzt langsam in eine gültige Form des Abends münden.

Ich arbeite genau umgekehrt wie bei einer Oper: anstelle einer durchgehenden Partitur habe ich eine Materialsammlung erstellt (ca. 100 Minuten Musik insgesamt) deren exakte Verwendung am Abend noch zu definieren sein wird. Bisher gibt es nur erste Versuche, eine Reihenfolge festzulegen, aber diese sind erst am Anfang. Sicherlich werde wir noch bis zum letzten Moment überlegen, wo Musik eingesetzt werden wird und wo nicht, genauso wie Jan Fabre bis zum letzten Moment an der Szene feilen wird und an der genauen Verwendung und Abfolge von Stefan Hertmans‘ Text, der ebenso eine „Materialsammlung“ darstellt.
Ich hasse zwar den Begriff „Material“, aber anders kann man unser Vorgehen nicht bezeichnen: Wir versuchen das, was sich an Ideen, Musik und Bildern angesammelt hat, in eine schlüssige und gültige Form zu bringen. Hoffentlich.

Am ehesten würde ich das Ganze als „musikalisches Theater“ bezeichnen: Es ist ein Stück über Musik, Musik spielt eine wichtige Rolle, aber es ist kein Theater, dass aus der Musik heraus entsteht. Eine reine Bühnenmusik ist es aber wiederum auch nicht, denn die versucht vor allem zu illustrieren, wie auch Filmmusik. Das meine ich jetzt nicht abfällig: es geht einfach um die Reihenfolge. Bild zuerst? Ton zuerst? Hier ist weder das eine noch das andere der Fall, und das macht es so schwierig.

Aber wie soll man das den Leuten mitteilen? Ich kann sie ja verstehen: Das Ganze ist in ganz Antwerpen mit einem Poster eines modernen Musiktheaterfestivals angekündigt, auf dem allein mein Gesicht zu sehen ist. Da denkt man natürlich zuallererst mal: „mannomann, schon wieder so eine moderne Oper irgendeines unbekannten deutschen Komponisten“. Dass es dann auch noch in der Oper Antwerpen stattfindet, lässt auch nur detektivisch einen Schluss zu: Oper in der Oper!
Ist aber falsch.

„Erwartet das Unerwartete“. Klingt blöd, aber vielleicht trifft es hier mal wirklich zu….

Moritz Eggert

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