Das erste Minimal-Stück?
Als ich studierte und Minimal-Music gerade sehr populär war, machten wir natürlich den Witz, dass es jetzt eigentlich auch „Maximal“-Music bräuchte. Die kam dann auch, nur hieß sie dann „New Complexity“, und war nicht ganz so, wie wir uns damals Maximal-Music vorstellten. Schade eigentlich.
Dennoch: ein interessanter Fall, diese Minimal-Music. Ist sie doch die einzige Form Neuer Musik (mit großem N)-Form des späten 20. Jahrhunderts, der eine große Publikumswirkung beschert war. Das rief natürlich auch Neider hervor, denn Namen wie Lachenmann, Boulez, Carter, Rihm, Henze kommen über einen bestimmten Zirkel von Kennern nie hinaus, Namen wie Philip Glass, Steve Reich oder Terry Riley dagegen sind auch einer großen Zahl von Menschen bekannt, die nicht unbedingt viel von Wiener Schule oder zeitgenössischer Kunstmusik wissen. Einen ganz großen Anteil am Erfolg von Minimal-Music hatte die Konzentration auf einen nachvollziehbaren rhythmischen Puls, der der meisten zeitgenössischen Musik abgeht. Der Sogwirkung von gelungenen Stücken wie „Music for 18 Musicians“ von Steve Reich kann man sich daher als Hörer kaum entziehen, selbst wenn man es als „amerikanischen Kitsch“ deklariert wie mancher Kritiker.
Und egal wie man zu der Musik z.B. des oft viel gescholtenen Philip Glass stehen mag, es ist ihm auf jeden Fall gelungen, einen ganz spezifischen eigenen Sound zu kreieren, was außer ihm eigentlich nur sehr wenigen Komponisten im 20. Jahrhundert gelang. Und natürlich sind die Grenzen der Minimal-Music fließend – irgendwie gehören viele Werke von z.B. Feldman oder Cage auch dazu, es gibt Querverbindungen zu Fluxus, Dada, Pop-Musik, Futurismus und Pop-Art. Nur in Deutschland konnte sie als Stil bei den hiesigen Komponisten nie richtig Fuß fassen, von löblichen Ausnahmen wie Hans Otte oder Peter Michael Hamel mal abgesehen.
Aber wo begann die Minimal-Music? Sichtbares historisches Vorbild ist natürlich Erik Satie, dessen Idee der „musique d’ameublement“ direkt zu Cages „4’33““ führt. Als Initiator des amerikanischen Minimalsounds in den 60er fallen dagegen Namen wie „Moon Dog“ (der hier einen eigenen Artikel wert wäre) oder Terry Riley. Wer kennt aber Dennis Johnson?
Von diesem gänzlich unbekannten Komponisten weiß man nur, wenn man Interviews mit La Monte Young gelesen hat, in denen er Johnson’s Klavier-Solostück „November“ (1959!) als direkten Einfluss für sein „The Well-Tuned Piano“ benennt. Johnson selber war aber da schon längst in die Informatik abgetaucht und hatte das Komponieren aufgegeben.
Kyle Gann erzählt in diesem interessanten Artikel über die Suche nach dem Stück, von dem ihm La Monte Young 1992 eine Kassette gegeben hatte. Erst 2006 gelang es ihm, den schwer aufzufindenden Komponisten zu überreden, ihm die Noten zukommen zu lassen. Aus dieser fast unleserlichen und widersprüchlichen Partitur rekonstruierte er das Stück, das erst vor wenigen Tagen von R Andrew Lee in London öffentlich uraufgeführt wurde, ein Ausschnitt ist hier zu hören.
Die Anekdoten um Johnson sind sehr amüsant. Hätte er seine geplante Darmstadtreise angetreten (am Ende fuhr nur sein Freund La Monte Young), wer weiß, wie er sich weiter entwickelt hätte? La Monte Young behauptet Kyle Gann gegenüber, dass er selber eigentlich damals der „Normale“ war, während Johnson als der verrückteste und extremste Minimalist galt, obwohl man es damals noch nicht so nannte.
Auch wenn jetzt keine große Renaissance der Musik von Johnson zu erwarten ist (dazu hat der Mann einfach zu wenig geschrieben), interessant ist es dennoch, diesen frühen und durchaus aparten Anfängen der Minimal-Music zu lauschen.
Moritz Eggert (Dank an Michel van der Aa)
Komponist
als ich im vergangenen sommer bei der ruhrtriennale orffs prometheus gehört habe, meinte ich, den ersten deutschen minimal-musiker gehört zu haben …
habe eine Hass-Liebe zu Mozart:
Er kam mit minimalsten Mitteln aus, bei grösstmöglichem Effekt – – – –
war er ein Minimal-Komponist?
an orffs spätwerk ist was wirklich was minimales zu finden. die andre frage: minimalst klingt so komisch wie optimalst. mozart ist wesentlich bunter, als der kommentar suggeriert. monothematik ist doch zuvörderst was haydnsches, würde hier aber auch noch nicht von minimal reden wollen. belassens wie bei ableitungen im 20. jhd., erscheint mir legitimer…