Stern-Stunden: Ich lach‘ mich schepps!
Protestnoten jagen derzeit durch’s „Urheberland“. Die neueste ist die Reaktion des Komponistenverbandes auf die satirische „Stern“-Kampagne zu den Youtube-Sperrhinweisen, mit denen die Google-Tochter unterstellt, die GEMA könnte die Sperrung des Videos veranlassen. Sie könnte es sehr wohl. Es sollte sich in informierten Kreisen allerdings bereits herumgesprochen haben, dass die GEMA das Recht erstritt, genau nur zwei Dutzend Videos für deutsche Rechner zu sperren. Wer also die Sperrung veranlasst und damit den deutschen Musikfans den Zugang zu topaktuellen und weltweit beliebten Videos nimmt, ist Youtube bzw. Google selbst und die Informationsfreiheit seiner hiesigen KundInnen einschränkt, als wären es nordkoreanische Internetnutzer! Das muss man sich erstmal vor Augen führen. Stern walzt nun mit seinen fiktiven weiteren Youtube-Sperrhinweisen weder richtig scharf aber dafür um so platter eine ganze Bandbreite von Klischees der Anti-GEMA-Shitstormwellen aus:
– Von der GEMA vertretene Komponisten könnten nicht abrocken, sondern nur abzocken.
– Die GEMA liesse nur die sowieso schon Reichen Rollce-Royce-Musiker profitieren. Natürlich steht das GEMA-Mitglied am Besten da, dessen Musik am meisten gespielt wird. Dennoch verteidigt die Urheberrechtsgesellschaft grundsätzlich auch die Rechte der weniger Erfolgreichen. Hätten die nicht diesen starken Partner, gingen sie leer aus. Wie die Einnahmen nun verteilt werden, dass unterschiedliche Sparten auch unterschiedlich gewertet werden, liegt am gesetzlichen Auftrag, der neben wirtschaftlichen Gründen auch soziale und kulturelle Gründe für die Gestaltung der Verteilungspläne festschreibt, also gerade ausgleichende Gerechtigkeit verlangt, was im Vereinfachungsgeschrei untergeht.
– Man sei nachgerade durch den GEMA/Youtube-Fight gezwungen, Filesharing a la Kim Dotcom zu betreiben. Der regte sich wohl zuletzt wie ein gewöhnlicher Youtube-User über die angeblich sperrende GEMA auf, als Youtube selbst das Video mit Musikacts seiner MEGA-Gründungsparty kurzzeitig mit einem seiner Sperrtafeln belegte. Hier ging dann das österreichische Nachrichtenportal „telekom-presse“ dem weitverbreiteten GEMA-Sperrgerücht auf den Leim.
– Stern bemühte so abgestandene Sprüche wie „Gib GEMA keine Chance“ oder das „abGEMAhnt“ Bildspielchen.
– Laut Stern-Gähnhumor könnte auch die Tarifreform für Diskotheken und Clubs demnächst an Sperrhinweisen Schuld sein.
– Man ruft zudem in letzter Konsequenz zum Shitstorm und massenhafter Blockade der GEMA-Mailpostfächer auf. Diese Tage erreicht man die GEMA-Homepage übrigens irgendwie nur eingeschränkt, so dass man glauben könnte, irgendwelche Hacker hätten sich das sogleich mal wieder zu Herzen genommen.
So folgt der Stern nun dem inzwischen deutschlandweit verbreiteten Trend, indirekte PR für den Weltgiganten Google zu betreiben, wie es z.B. die um ihre Leser mit allen Mitteln der feuilletonistischen Niederungen kämpfende insolvente „Frankfurter Rundschau“ unternimmt, die zuletzt greinte, dass die GEMA Schuld am Niedergang von Neue-Musik-Projekten im Berliner Berghain sein könnte. Das betraf wieder die Tarifreform, die zwar die Kostenschraube anziehen mag, aber wohl letztlich nicht für unkalkulierbare Umbaukosten verantwortlich sein dürfte. Der Ton der Protestnote gegen diese satirische Stern-Stunde fällt nun sehr rau aus. Man merkt, dass sich das Klima immer mehr verschärft, wo doch Umsicht angesagt wäre. Wenn allerdings die Massenmedien auf Kosten des Wahrheitsgehalts Steigbügelhalter des mächtigsten Weltalgorithmus (Google!) für das gerüchtgesättigte Wissen der Mehrheit der schrumpfenden Leserschaften werden, opfern sie Satire und Investigation gerade dem Unternehmen, das ihnen genauso ihre Urheberrechte streitig macht wie uns Musikurhebern. Wie heisst es am Ende der Antwort des Stern auf die Protestnote auf der Facebook Seite „gemadialog“? „Betreiben wir mit diesen Aussagen nun wieder Lobbyarbeit gegen einen Großkonzern? Nein, wir machen unsere Arbeit, zu der auch einordnen, bewerten, kommentieren zählt – mal besser, mal weniger gut.“ Das kommentierte jemand mit: „Lauter Lemminge die ihre von Fakten unbeschwerte, bei Google gelernte Meinung stolz vor sich her tragen. 1984, Orwell in Reinform“. Also betreiben die Handwerk hier besonders schlecht. Immerhin wissen wir nun, über wen wir schadenfroh lachen dürfen, wenn sie den Kampf um ihr Überleben verlieren: Lieber Stern, liebe Frankfurter Rundschau, Sie sägen am eigenem Ast! Ich trainiere schon mal mein prustendes Zwerchfell…
Komponist*in
thx, Alexander Strauch,
wertvoll auch der Hinweis, dass Googles Algoritmus niemals das Ende der Erkenntniskette sein kann.
“We’re at a point now in technology where we really can change the entire political discourse if we want to.” (Google CEO Eric Schmidt)
noch Fragen?
Bester Wechselstrom – nein, keine Fragen! Wie immer sind Sie scharf und treffend!! Gute Nacht, Alexander
Und chinesische Hacker sind anscheinend auch hier aktiv:
Liebe Mitglieder,
Danke für Posting des GEMA-Briefs!