Besinnliches zu Weihnachten

Ab wann ist man „Schüler von…“?

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Manchmal ist es wichtig zu erklären, bei wem man wo Komposition studiert hat. Zumindest ist dies eine Information, die immer wieder gefragt ist: bei Lebensläufen, bei Bewerbungen, bei Vorstellungsgesprächen. Meistens nennt man dann die Hauptlehrer, bei denen man die längste Zeit studiert hat, ich selber würde da z.B. Fall Wilhelm Killmayer, Claus Kühnl und Robert Saxton nennen.

Aber dann gibt es natürlich einen weiten Kreis von Komponisten, die so etwas wie eine Mentorenrolle übernehmen. Sie können sehr wichtige Impulse gegeben haben, vielleicht waren es ein paar Sätze in einem Gespräch, vielleicht auch richtiger aber kurzer Unterricht im Rahmen eines Meisterkurses, etc. Nimmt man dieses Kriterium, so wird die Zahl der „Lehrer“ ungemein höher. So besuchte ich z.B. regelmäßig das Komponistenkolloquium von Hans-Ulrich Engelmann (obwohl damals noch gar kein Student der Hochschule), sowohl Bertold Hummel als auch Günter Bialas gaben mir wichtige und kollegiale Ratschläge, ebenso Wolfgang Rihm, Ulrich Stranz, Aribert Reimann – die Liste wäre sehr lang. Sind das also auch meine „Lehrer“? Irgendwie schon.

Neulich fragte mich ein junger Komponist (der nicht offiziell bei mir studiert hatte, wohl aber oft zu meinen Seminaren und auch manchmal zu Einzelunterricht erschienen war) sehr höflich, ob er in seine Biografie meinen Namen als „Lehrer“ schreiben dürfte. Ich erlaubte es ihm natürlich, fand es aber gut, dass er gefragt hatte.

Neulich tauchte umgekehrt die Frage auf, ob ich Schüler von Henze gewesen sei. Diese Frage lässt sich tatsächlich nicht so leicht beantworten, denn Henze war da sehr eigenwillig.
Faktisch war ich nie bei ihm als Student eingeschrieben, habe aber sehr oft bei ihm so etwas wie „Unterricht“ gehabt, weil man sich über Musik und Komponieren austauschte. Anderen Leuten gegenüber hat er mich dann auch oft großzügig als seinen Schüler bezeichnet – nach Studienbuch war ich dies aber definitiv nicht.
Interessanterweise hat mir neulich ein geschätzter Kollege – der überall als Student von Henze gilt – gestanden, dass er zwar den Unterricht von Henze in Köln besucht hat und auch Privatstunden von ihm bekam, aber tatsächlich überhaupt nicht an der Kölner Hochschule eingeschrieben war. Auch er wäre also nach Studienbuch kein Henze-Schüler, ist es aber natürlich gewesen.
Henze hat wahnsinnig viele junge Komponisten unterrichtet: in Montepulciano, Tanglewood und sogar im Münchener Gasteig, bei seinen „Laien komponieren“-Kursen. Es dürfte also Hundertschaften von Henze-Schülern geben, wenn man es ganz genau nimmt.

In meiner Biografie steht aus Respekt und Höflichkeit, ich hätte bei Hans-Jürgen von Bose studiert. Das steht aber nur drin, weil ich offiziell bei ihm noch 2 Jahre Meisterklasse in München hatte, inoffiziell war ich aber gar nicht in München sondern bei Robert Saxton in London – ich hatte keine einzige Einzelstunde bei Bose, besuchte aber wohl das eine oder andere seiner Gruppenseminare, allerdings eher als zuhörender Gast und ohne aktive Beteiligung.

In seinem wikipedia-Artikel las ich neulich, er hätte mein Schaffen „entscheidend als Lehrer geprägt“. Bei aller Wertschätzung seiner Arbeit – ich persönlich würde das so nicht sagen. Hätte er mich also auch fragen sollen, bevor er das in seine Biografie schreibt?

Irgendwie sind wir aber letztlich ohnehin alle Schüler von Schülern von Schülern von Schülern von Schülern von…..Palestrina wahrscheinlich….

Subbassfrequenzen

Keine Ahnung wie viele von euch sich (wie ich) immer wieder mal Horrorfilme anschauen, aber es gibt da so eine neue Mode, der ich hiermit mal eindeutig meine tiefe Verachtung aussprechen möchte. Ich meine damit: Subbassfrequenzen.

Subbassfrequenzen sind die ganz, ganz tiefen Töne, die am Rande des Hörbereichs liegen, ebenso wie zum Beispiel Hundepfeifentöne ganz am (oder über) dem hohen Bereich liegen. Manche Großorgeln haben 32′ oder sogar 64′-Register – in der Kirche fangen die Bänke dann regelrecht an zu wackeln, wenn der Organist in die Pedale tritt.

Wogegen hohe Töne als schrill und unangenehm empfunden werden, wirken extrem tiefe Töne eher auf das Unterbewusstsein ein. Bei Einwirkung von Subbassfrequenzen beginnt man unruhig zu werden, ohne wirklich zu wissen warum. Die Töne wirken wie extrem langsame Vibrationen auf den Körper und wecken vermutliche archaische Erinnerungen an Erdbeben oder Vulkanausbrüche, kurzum: man fühlt sich unwohl.

Irgendwann kam man im Filmgewerbe darauf, dass diese Töne so etwas wie Angst oder Unheil erzeugen können, selbst wenn das Gezeigte gar nicht so gruselig ist. Dies wurde durch die verbesserte Tonwiedergabe in Kinos immer perfekter möglich. Manche erinnern sich vielleicht an extreme Bassexperimente wie das sogenannte „Sensurround“-Verfahren, mit dem relativ lahme Filme wie „Erdbeben“ oder „Kampfstern Galaktika“ in den späten 70er Jahren aufgepimpt wurden.

Inzwischen haben wir Dolby Surround, und es wird immer einfacher, diese zugegebenermaßen recht billige und unaufwändige Methode der Angsterzeugung zu verwenden. Extrembeispiel hierfür sind zum Beispiel die „Paranormal Activity“-Filme, die bei genauerem Hinschauen einzig und allein durch die Verwendung der Bassfrequenzen überhaupt so etwas wie Grusel erzeugen, denn auf dem Bild ist eigentlich meistens gar nichts zu sehen außer einem dunklen Schlafzimmer. Mir verdarb diese Erkenntnis diese Filme vollkommen, denn jedesmal wenn es wieder im Bass loswummerte zeigte mir der Filmemacher quasi mit dem Holzhammer, dass er mich jetzt „gruseln“ will, genau das erzeugt aber bei mir das absolute Gegenteil, ebenso wie die alljährliche karnevaleske oder faschingliche (gibt’s das Wort überhaupt???) Aufforderung jetzt mal locker und „lustisch“ zu sein mich zum ernstesten und unlustigsten Menschen des Universums macht.

Kurzum: Hollywood, hör auf! Ich kann dieses penetrante Bassgewummere nicht mehr hören! Lieber mal wieder gute Drehbücher und so. Kann auch gruselig sein.

Pionierin der elektronischen Musik? Oder Pionier?

Die elektronische Musikszene kennt relativ wenige Frauen: überall wo man hinblickt, sei es im Pop oder in der Neuen Musik, Männer dominieren meistens das Bild. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein – vielleicht macht das autistisch frickelnde, das manchmal für Klangexperimente nötig ist, Männer irgendwie mehr an als Frauen. Vielleicht ist es auch Diskriminierung.

Auf jeden Fall gibt es natürlich rühmliche Ausnahmen, z.B. Wendy Carlos, eine Pionierin der elektronischen Musik, die mit dem legendären Album „Switched-On Bach“ (Bach auf Moog-Synthesizern gespielt) eines der einflussreichsten Alben der Musikgeschichte schrieb (und später auch tolle Filmmusiken für niemand geringeren als Stanley Kubrick machte, z.B. „Clockwork Orange“ oder „Shining“). Erst nach dem Erfolg dieser Platte setzte der Run der Popmusiker auf Synthesizer ein, und auch der eine oder andere E-Komponist wird eher hiervon zur elektronischen Musik hingezogen worden sein als vom „Gesang der Jünglinge“.

Einziges Problem: Wendy Carlos ist eigentlich…ein Mann. Zumindest kam sie als „Walter Carlos“ zur Welt, änderte dies aber, sobald es finanziell wie medizinisch möglich wurde.

Bei einer Weihnachtsfeier nun reagierte eine Studentin gestern extrem geschockt, als ich ihr von Wendy Carlos ursprünglichem Geschlecht erzählte. Für sie – die sich für elektronische Musik begeistert – war Wendy Carlos immer das beste Beispiel gewesen, dass auch Frauen in desem Genre wichtiges geleistet haben. Für sie brach also eine Welt zusammen: Ihr größtes weibliches Idol in einer männerdominierten Domäne – auch ein Mann????

Aber mal ehrlich: Selbst wenn Wendy als Mann geboren wurde, war sie nicht auch da schon eigentlich eine Frau, nur im falschen Körper?

Seltsam, aber so steht es geschrieben.

In diesem Sinne wünscht euch der Bad Blog ein Frohes Fest und verabschiedet sich in eine kleine Weihnachtspause bis zum 7.1.2013. Wenn dann Regensburg noch steht.

Aber die Apokalypse ist ja jetzt doch erst 2116, oder?

Moritz Eggert

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2 Antworten

  1. …sehr feiner Text, lieber Moritz. Dir und Deiner Familie das Beste für die nächste Zeit und das neue Jahr
    wünscht mit Dank für Dein Engagement
    Dein Theo

  2. Euch auch! Im nächsten Jahr geht es dann mit „vollem Engagement“ weiter :-)