Donauface 6 – „Danke, Armin Köhler“

Von wegen Hightech und Lowtech. Die „Schlacht von Donaueschingen“ – um Pierre Schaeffer mal zu zitieren – wird nicht an der Schnittstelle von Mensch und Maschine geschlagen, sondern im Widerstreit von Ton und Bild. Erstaunlich viele Arbeiten thematisieren das Verhältnis von körperlicher Geste zu klingendem Klang und stellen dadurch überraschende Verbindungen zum instrumentalen Theater her, das seine produktiven Potentiale hier einmal mehr aufscheinen lässt.

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Aber der Reihe nach. Das Wetter ist schön. Wunderschön. Ich weiß nicht, wie Donaueschingen den Rest des Jahres über ist, aber dieser goldene Herbst in der geographischen Mitte zwischen Baden und Württemberg ist schön. Schön. Schön. Und wenn es nicht die Donaueschinger Musiktage gäbe müsste die Stadt Donaueschingen einen Donaueschinger Herbst ausrufen, um allen die Schönheiten dieser Gegend im Herbst zuteil werden zu lassen. Ende der Postkarte.

Außerdem: Das Festival hat seinen Soundtrack. Er stammt vom norwegischen Dadaisten Trond Reinholdtsen, der in seinem 45minütigen Neue-Musik-Kabarett das Unterbewusstsein seiner Musik bei völliger Verdunkelung des Saals erklingen ließ: „Danke, Armin Köhler!“ In hochgepitchten Fraggle-Stimmen erklang die Danksagung für die Einladung des ersten norwegischen Ensembles in der Geschichte der Donaueschinger Musiktage und der Auftrag an den vierten norwegischen Komponisten in der Geschichte der Donaueschinger Musiktage minutenlang und inzwischen sicherlich auch längst als Klingelton auf einigen Komponistenhandys. Reinholdtsen nahm die Folklore der Neuen Musik auf die Schippe und sorgte damit für befreiende Heiterkeit: Der soziale Körper der Festivalbesucher wurde zwerchfellmäßig durchgeschüttelt, was nach drei langen Konzerten auch wirklich nötig war.

Morgens: Multimediaschlacht von Stefan Prins und Nadar Ensemble. Eines der schicksten und tollsten Multimedia-Set-ups seit langem, vier transparente Projektionsflächen, dahinter je ein Musiker, dahinter große Projektionsfläche, vor der Bühne vier Musiker mit Konsolen. Generation Kill hieß das krachige Opus, das zunächst virtuos mit einer Fragmentierung des Körpers und des Spiels des Musikers arbeitete, ein Spiel mit der Musik und ihrem Double. Dann ein Schnippsel mit dem berühmten afghanischen Tankwagen, dessen Sprengung zahlreiche Zivilisten das Leben kostete, Perspektiven zeitgenössischer Kriegsführung am Bildschirm, kurzgeschlossen mit den Kontrollmechanismen des Videospiels. Es hätte eine starke Aussage sein können, wäre sie nicht so arg platt daher gekommen und hätte der technologischen Komplexität ein annähernd interessanter musikalischer Aspekt entsprochen. „Langweilig“, sagte jemand in die Stille nach dem Stück. (Irgendjemand scheint die alte Kulturtechnik des Zwischenrufs für sich wieder entdeckt zu haben und setzt diese in diesem Jahr gekonnt und penetrant ein.) Außerdem ließ Johannes Kreidler in diesem Konzert mit Split-Screens und Gehörtests eine virtuose Sample-Schlacht auf das Publikum los, wobei der Schlagzeuger den Sampler virtuell bediente – wiederum ein Spiel mit Geste und Klang. Klaus Schedl inszenierte eine kleien apotheotische Ambient-Gothic-Drone-Nummer (so irgendwie) mit Lichteffekt und viel Nebel. Schade, dass kein echter Metal-Sänger dabei war, beim Groomen sind schon noch ein paar mehr Farben drin, aber es ging wohl eher darum zu zeigen, was dieses engagierte junge Ensemble, das schier gar nicht von der Bühne abgehen wollte, so alles drauf hat: Jeder ist hier nicht nur ein Bediener seines Instruments sondern ein Musikperformer im umfassenden Sinne.

Dann: New complexity für Kartenbesitzer. Zwei Konzerte parallel an weit auseinanderliegenden Veranstaltungsorten. Bloß nicht die falsche Halle wählen.

Ensemble Nikel in Quartettbesetzung lud ein zu einem Long Ride on a Fast machine, in dem Clemens Gadenstätters Sad Songs mit ihren kleinen Unverschämtheiten und großer kompositorischer Souveränität hervorstachen. Malin Bangs hübsches Kettengerassel mit Nähmaschinengeratter bot ein hübsches Beispiel dafür, wie mittels elektronischer Vergrößerung „kleiner Klänge“ ein herrlich-groteskes Wahrnehmungsspiel getrieben werden kann. Leider selbst ausgebremst aufgrund von Überlänge. Nicht das einzige Beispiel dafür übrigens … In Michael Wertmüllers energiegeladener Rush-half-an-hour (ohne Gedankenstau) zeigte das Ensemble um den Gitarristen Yaron Deutsch seine packende Virtuosität. Ich habe sie nicht beneidet, das sie diese Nummer eine Stunde später noch einmal zu spielen hatten. Großartig auch: Das Ensemble bietet Kammermusik vom Feinsten. So schwieriges Zeugs ohne Dirigenten zu spielen, das ist tja, nicht nur irre, wenn es gelingt, ist es auch einfach wahnsinnig toll. Irgendwie sind die Donaueschinger Musiktage in diesem Jahr ein Kammermusikfestival weitgehend fällt mir da auf. (Stimmt, das Orchesterkonzert habe ich ja noch verschwiegen!)

Damit zurück zum Anfang, zu Asamisimasa. Ein Ensemble, das mit Musik von Simon Steen-Andersen und Neodada-Nummern wie von Reinholdtsen besticht und gewinnt. Für die Musik eines Klaus Lang wie sein ugly horse bedarf es jedoch noch anderer Musiker-Qualitäten. So irrwitzig und komisch Reinholdtsens Widerlegung der Neuen Musik war. Sie wäre stärker gewesen, hätte das interpretatorisch-spielerische Niveau des Ensembles dieser bei der Interpretation von anderen Komponisten im konventionellen Sinne etwas entgegenzusetzen gehabt.

Musikjournalist, Dramaturg

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2 Antworten

  1. @Hufi: Warum steht Patrick eigentlich nach wie vor nicht als Autor links oben auf der Hauptseite?

  2. Weil der keine Website hat(te).