GEMA, Verbände und Tarife – totale Ratlosigkeit angesichts eines bevorstehenden heissen Herbstes
Was soll das denn schon wieder? Bundesweite „Anti-GEMA-Proteste“ am 6.9.12. Egal wohin man surft, Berichte über einen drohenden Weltuntergang der deutschen Clubkultur. Egal in welchem Medium man unterwegs ist, wiederum Gegendarstellungen der GEMA, die v.a. nur mir als angeschlossenes Mitglied dieser Verwertungsgesellschaft und ähnliche Betroffenen auffallen dürfte. Allmählich ertaube und erblinde ich! Wer hat denn nun Recht? Als E-Komponist fällt es mir zunehmend schwerer, das Alles noch zu verstehen. Hinauf in den Elfenbeinturm der hehren Kompositionskunst! Da herrscht wenigstens ätherisch zirpende Ruhe. Ich bin kein Fachmann für GEMA-Tarife, schon gar nicht im U-Bereich. Ist das ganze Hin und Her nicht ein bisschen übertrieben?
Ich versuche eine knappe Zusammenfassung: Bisher gibt es mehr als zehn unterschiedliche Tarife für Musik, die in Clubs und Diskotheken live oder von der Konserve gespielt wird. Irgendwann vor nicht zu langer Zeit scheint allen Beteiligten der Tarifdschungel zu unübersichtlich geworden zu sein. Ein wenig erinnert das an die Deutsche Bahn, die auch mal in der Kritik ob ihres Tarifflickenteppichs stand. Den wollte sie beheben, dabei gleich Rabattsysteme erneuern oder abschaffen. Nach vielen Jahren sieht es nun auf den ersten Blick ordentlicher aus, dennoch kann man sich wie eh und je beim Ticketkauf irren. Mein Gefühl bei den neuen GEMA-Tarifen ist, dass es hier genauso wie damals bei der Deutschen Bahn hergeht: Grosse Proteste vorher, während und nach der Tarifänderung. Die Nerven liegen blank, die alte Komplexität wurde durch eine neue ersetzt.
Wie allgemein bekannt, wird die GEMA seit geraumer Zeit ständig in der kulturpolitischen Debatte angeschossen. So scheint sie mir, vielleicht irre ich auch, in puncto Tarifreform für Diskotheken und Clubs eigentlich endlich mal kundenfreundlich sein zu wollen und wird mehr denn je gescholten. Man muss wissen, dass die GEMA mit der „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“, in der viele der betroffene Bars, Clubs, Restaurants und Diskotheken organisiert sind, über die neuen Tarife verhandelte. Die Standesvertretung konnte sich mit der GEMA nicht einigen, war nach ihrer Darstellung höchste unzufrieden mit dem Verlauf der Gespräche und stieg aus dem Boot aus. Daraufhin setzte die GEMA die neuen Tarife wohl selbst fest, was ihrem gesetzlichen Auftrag zu entsprechen scheint, Nutzern Rechte an Werken ihrer Urheber einzuräumen und die Autoren wiederum entsprechend durch die Einnahmen aus den Nutzungslizenzierungen zu bezahlen.
Wie jeder weiß, steht die GEMA wegen ihrer angeblichen youtube-Blockade im Rampenlicht, ging die Piratenpartei mit ihr medienwirksam ins Gericht. So kam es anlässlich des Mitgliederfests im Zuge ihrer Jahreshauptversammlung der GEMA in der Berliner Kulturbrauerei zu lautstarken Protesten, organisiert von Berliner Clubbetreibern und wohl mitinitiiert von jener „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“, die just ihre Verwaltungsräume unter dem Dach der DEHOGA hat. Politiker aller ideologischen Facon regten sich im Zuge jener Demonstration lautstark auf. Etwas leiser vernahm man, dass die „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ dem Schiedsstellenverfahren vor dem Deutschen Marken- und Patentamt, der Aufsichtsbehörde der GEMA, die auch mitunter die Tarifreform anstiess, zustimmte. Ich verspürte so vor den Sommerferien endlich eine gewisse Erleichterung, einigte sich die GEMA auch mit den Karnevalisten über die neuen Tarife. Und nun droht ein heisser Herbst!
Für kleine Veranstalter scheint sich durch die Tarifreform nach Darstellung der GEMA einiges zu bessern. Dagegen beklagen die Clubs zum Teil Tarifsteigerungen um 1400%. Die GEMA sagt, dass sie maximal 10% der Abendeinnahmen einfordern wird, bezogen auf die Gesamteinnahmen eines Abends in einem Club seien dies aber nur 1,7% GEMA-Gebühren von diesen Gesamteinnahmen, ja, die Einnahmen an der Abendkasse würden im Schnitt hochgerechnet nur 17% ausmachen. Überhaupt müssten die Urheber gerechter an den Abendeinnahmen beteiligt werden, sei doch vordergründig deren Musik die Existenzberechtigung der Clubs und Diskotheken. Die „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ wiederum beschwört, dass nach ihrer Darstellung reihenweise ihre Verbandsmitglieder eingehen werden, als sei die Tarifreform der Meteoritenenschlag von Yucatan und sie selbst die darauf aussterbenden Dinosaurier, derweil die Clubs die massgeblichen Mitglieder für noch ältere Reptilien halten.
Mir wird schier übel angesichts dieser horrenden Zahlenunterschiede! Angenommen die 1,7% Prozent der Abendeinnahmen würden mehr oder weniger zutreffen, dann müsste die GEMA, überträgt man diese Rechnung auf Konzerte mit E-Musik, auch dort gewaltiger denn je Nachlässe einräumen. Andererseits denkt man sich als veranstaltungsaffiner E-Komponist, dass auch in meinem Bereich Grösse des Raumes bzw. dessen Fassungsvermögen und der Eintrittspreis die Berechnungsgrundlage der GEMA-Gebühren ist. Dies sind dann je nach Drittmitteln und Förderung gerne auch 15-20% der Gesamteinnahmen! Natürlich rabattiert sich dies in den meisten Fällen durch Verbandszugehörigkeiten, Pauschalverträge und sonstige Verhandlungen. Allerdings scheint man seit der Umorganisation der Bezirksdirektionen der GEMA auch bei E-Musik-Veranstaltungen vermehrt Klagen zu vernehmen, dass mit jetzt vollkommen neuen Sachbearbeitern hart die alten Konditionen zu verhandeln sind und manchmal nur zur Unzufriedenheit der Lizenznehmer gelöst werden können.
Also was wollen mit der E-Musik-Scheuklappe gesprochen die Club- und Diskothekenbetreiber eigentlich? Wie beuten diese doch manchmal ihr Abendpersonal aus, gewähren minimale Umsatzbeteiligungen, das Trinkgeld und versuchen alles, ihre geringfügig Beschäftigten ja nicht für lausige 19 Euro sozial zu versichern? Wie beuten wir E-Musiker uns so oft selbst idealistisch aus, um unsere Konzerte überhaupt stattfinden zu lassen, was aber nicht an der Höhe der GEMA-Kosten scheitert sondern an anderen Einnahmeproblemen, von denen die U-Branche selbst bei ihrer Dauerklage über Einbrüche bei Tonträgerverkäufen nicht klagen wollte. Bedenkt eigentlich so mancher Musiker, der sich vor den Karren der „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ spannen lässt, was ihm an Ansprüchen durch die Lappen geht, ja, dass er bei entsprechenden heutigen eigenen Einnahmen seinerseits z.B. im Alter grosszügig mit einer kleinen Rente der GEMA-Sozialkasse profitieren könnte? Aber was soll dieser E/U-Vergleich, ausser mal darauf hinzudeuten, dass unter Umständen die neuen Tarife mal andersrum U an E angleichen würde, statt immer zu verlangen, die GEMA-Umsätze der E-Komponisten denen der U-Musiker anzupassen. Aber jetzt rede ich bald zu verworrenen Toback…
Aber sollten wir E-Musiker wiederum uns bereitwillig vor den Wagen der GEMA spannen lassen? Wie gesagt, mir schwirrt der Kopf. Vergesse ich diesen ganzen Zahlentrubel, fällt mir auf, mit wie vielen Musikern und bildenden Künstlern zu tun habe, die zwischen E und U unterwegs sind, die auch gerne in Diskotheken und Clubs auftreten, ja, diese Veranstalter gerne elektronikaffine und zwischen allen Stühlen sich bewegende Komponisten und Ensembles eine Bühne mit neuen, offenen Zuhörern bieten. Gehen nicht grosse Festivals wie z.B. Maerzmusik mit einzelnen Veranstaltungen ins Berliner Berghain, gingen nicht das Münchner Ensemble pianopossibile und wird nicht das ADEvantgarde-Festival 2013 aller Voraussicht nach in die Münchener Rote Sonne ziehen? Gibt es nicht Neue-Musik-Spezialisten wie das Nadar-Ensemble, das Decoder-Ensemble und viele weitere, die bewusst die Grenzen durchbrechen, gerne die elektronische und lichttechnische Vollausstattung jener Clubs und Diskotheken nutzen?
So sitzen wir E-Musiker doch im selben Boot, wie manche protestierenden Diskothekenbetreiber. Wollte das eben genannte Berghain nicht weitere Räume genau für solche grenzensprengende nutzbar machen und sagt nun, durch die massiven, unkalkulierbaren GEMA-Tariferhöhungen oder deren Rückstellung bis zum Ausgang des Schiedsstellenverfahrens darin behindert zu sein? Wie sollen all die eher bildenden Künstler zurecht kommen, die genauso interessante Mischformen zwischen U-Musik und ihrer Kunst betreiben?
Wie man sich vorstellen kann, wird Alles hoffentlich nicht so schlimm kommen, wie es nun an die Wand gemalt wird, sollte die „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ nicht auf Biegen und Brechen nach dem Untergang der jetzigen GEMA lechzen, nur um ihre Profite zu sichern und die Künstler Bach ab gehen zu lassen. Möge die GEMA andersherum aber nicht zur Einstampferin gerade interessanterer Clubunternehmungen werden! Wobei sie im Detail doch redebereiter zu sein scheint, als das Gegenüber der Tarifreform. Nun schwingen sich DEHOGA, Piratenpartei und „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ auf den Flow der Anti-ACTA-Proteste, wird immer mal wieder der Generalhass gegen die GEMA in irgendwelchen Foren beschworen, wenn es um Sperrungen von Musikvideos im Netz, durch die Google-Tochter youtube selbst veranlasst, geht. Aber Google ist ja der Garant für die grosse Freiheit.
Doch liebe Masse der iPhone-Besitzer!! Musste nicht Google durch Euren Smartphone-Hersteller Apple eine schwere Patentrechtsniederlage einstecken, auf dass Google schamlos mit Samsung beim iPhone abgekupfert habe? Zugegeben, das wird garantiert auch zu heiß durch Apple aufgetischt. Doch Google, youtube und Co. sind nicht so hehr und Eure Rechte wahrend, wie man meint. Genauso sind es viele der Clubbetreiber und Lobbyisten der „Bundesvereinigung der Musikveranstalter“ nicht. Streift man über die Seite von kultur-retten.de, begegnen einem auch merkwürdige Gestalten, wie der „Verein für den Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur“ oder der mir manchmal doch bizarr erscheinende Initiatorenverein der Anti-GEMA-Petitionen. Als ob es um ein Rauchverbot ginge! Nein, es wird Alles noch verworrener hochgeschaukelt als je zuvor, ist doch GEMA-Bashing das meistgespielte Gesellschaftsspiel. Statt gegen Krieg und Rentenverluste mobil zu machen, wirft man sich mit aller Kraft in den eigentlich nur hedonistischen Entertainmentkampf. Aber was soll mein spalterisches Gerede. Mir brummt so der Kopf, dass ich bald eine Spalt-Tablette nehmen müsste. Man verzeihe mir die Pharmawerbung, wo ich doch bisher dieses Mittelchen noch nicht ausprobierte.
Nein, die Zukunft sollte irgendwo zwischen Kunst, Kunstmusik, Unterhaltung wie im Falle des Berghain liegen. Ehrlich gesagt, bestaunt man die Liste all der Münchner Clubs die sich im „Verband Münchner Kulturveranstalter“ organisierten, fragt man sich, wie manche Diskothek sich als Kulturveranstalter bezeichnen kann. Mit Herkulessaal, Staatsoper und Gasteig teilen sie die prominente Innenstadtlage mit horrenden Mieten. Sonst nichts! Neben der Roten Sonne, Feierwerk oder auch dem Harry Klein sind aber die wenigsten veritable Kulturveranstalter wie Ende der Achtziger die „Negerhalle“ von Bonger Voges, die freien, experimentellen Tanz mit nachfolgender DJ-Kultur verband. Man wundert sich, wie die öffentlich geförderte Muffathalle, horrend teurer Spielort z.B. der diesjährigen Musiktheater-Biennale, zu diesem Verband stiess. Da mag es v.a. Um Solidarität gehen. Wenn ich allerdings als E-Musik-Veranstalter diesen Raum mieten möchte, geht dies nur durch spartanische Raumgestaltung, da jeder zusätzliche Techniker oder Scheinwerfer mir das Genick finanziell brechen könnte. Aber ich will ja nicht weiter Trennendes von mir geben.
Man sieht aber wunderbar, wie keine Darstellung, keine Verknüpfung schuldlos oder unbelastet wäre. Weder die Verbände noch die GEMA sind gut oder böse. Das einzig wirklich bittere ist, dass es so oder so mal wieder zu Lasten der Künstler gehen wird: Wenn sich die GEMA durchsetzt, wird wohl schon einiges, wohl gerade an alternativer Kultur wegbrechen. Setzen sich die Verbände durch, wird die Gesamtsituation auch der von ihnen beschäftigten Künstler nicht verbessern. Im Gegenteil! Durch das Mürbemachen der GEMA werden vielleicht nutzerfreundliche Lösungsansätze obsiegen, künstlerfreundliche Lösungen klingen erstmal verlockend, wie die Gründung von konkurrierenden Verwertungsgesellschaften oder eine grössere Flexibilität und Genauigkeit der Verträge und Abrechnungen für die Autoren. Im allgemeinen Bohei droht dies aber eher unterzugehen sich wirklich entwickeln zu können. So macht es mich sehr traurig, wie künstlerisch einerseits die Grenzen offener werden, andererseits die Verhandlungen aber diese Bezeichnung nicht mehr verdienen, sondern beide Seiten nur noch Drohkulissen in die Welt stellen.
Komponist*in
Kluger und besonnener Text zum Thema. Danke Alexander für die vielen neuen Facetten, die du anführst.
(Hinweis der Redaktion zu jenem „Beitrag“: Der Link verweist auf eine angeblich witzige Satire, die man nur als unappetitliche Herabwürdigung des GEMA-Personals bezeichnen kann. Insgesamt wird der Eindruck erweckt, als arbeite die Verwertungsgesellschaft mit Methoden des Dritten Reichs, wird der Vorstandsvorsitzende als Adolf Hitler (als „Hiddler“ geschrieben) bezeichnet. Nach einigem Zögern habe ich mich aber dennoch entschieden, „Karmas“ „Kommentar“ – unterirdisch im Inhalt, unterirdisch im Mindestmass einer vernünftigen Meinungsäusserung – nicht zu löschen, sondern ihn zuzulassen, nicht ohne diesen Hinweis hier! A. Strauch)
Mal was satirisches zur Gema: http://www.paramantus.net/?p=6116