Wie macht man eine Oper? (Folge 1)
Oder: „Wir gratulieren!“ (Mieczysław Weinberg)
Im Oktober 2010 geriet ich in die Lage, mich auf dem musikalischen Sektor beruflich leicht zu verändern. Ich wurde am Konzerthaus Berlin Nachfolger von Jens Schubbe, der als Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer zum Collegium Novum nach Zürich ging. Es ist immer gut, Nachfolger von jemandem zu werden, dessen Fan man war…
Seit fast zehn Jahren gibt es Opern im Werner-Otto-Saal am Konzerthaus Berlin. In einer Stadt, in der man weitere Opern vermeintlich nicht mehr braucht. Das ist natürlich falsch. Meiner Meinung nach könnte es noch mehr Opernhäuser in Berlin geben. Schließen braucht man keines der Häuser. Ich gehe überall gerne hin. Zu zwei der drei großen Opernhäuser (zur Deutschen Oper und zur derzeit im Schillertheater residierenden Staatsoper Unter den Linden) brauche ich zu Fuß etwa 10 Minuten. Zur Komischen Oper von meinem Büro aus drei Minuten. Allein das, meine Bequemlichkeit, ist Beweis genug.
Von meinem erstes großen Erlebnis als Opernproduzent habe ich damals hier berichtet.
Adriana Hölszkys „Bremer Freiheit“ war eine Koproduktion. Federführend produziert von den leidenschaftlichen Menschen der Berliner Kammeroper, denen es skandalöserweise, wie ich hörte, momentan wieder nicht sehr gut geht, was eigentlich überhaupt nicht sein darf…
Jetzt steht im September seit längerer Zeit wieder eine ganz hauseigene Produktion an. Die Deutsche Erstaufführung der Oper „Wir gratulieren!“ von Mieczysław Weinberg (1919-1996).
Der enge Schostakowitsch-Freund Weinberg wurde 2010 im großen Stile wiederentdeckt, als die 42 Jahre in der Schublade liegen gebliebene Oper „Die Passagieren“ bei den Bregenzer Festspielen mit sensationellem Erfolg uraufgeführt wurde (hier ein eindrücklicher Trailer und hier sogar die hier sogar die ganze Oper).
Ende 2010 geriet ich fürderhin in die Lage, ein szenisches Projekt für die „Hommage an Kurt Sanderling“ am Konzerthaus Berlin finden zu dürfen. Kurt Sanderling war von 1960 bis 1977 Chef-Dirigent unseres Orchesters – und im September 2012 wäre er 100 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Ereignisses widmen wir Kurt Sanderling ein zweiwöchiges Festival (16. bis 30. September 2012).
Sanderling war nicht nur ein Vertrauter von Schostakowitsch, sondern auch ein Bekannter und Förderer von Weinberg. Auf der Suche nach noch nicht aufgeführten Opern von Weinberg stieß ich auf den Titel „Wir gratulieren!“ – und dachte: „Das passt.“ Von dem wunderbaren Sikorski Verlag bekam ich binnen gefühlter Minuten die Partitur und den Klavierauszug zugeschickt – und ich wusste: Das bringen wir zur Sanderling-Hommage.
Und so wurde ich einmal mehr zum Opernproduzenten, der sich diesen Beruf vor ein paar Jahren auch noch nicht hätte vorstellen können… Ich bekam aus rein hauseigenen Töpfen das komplette Geld für diese Oper – ohne Hauptstadtkulturfonds, der für die freie Szene da sein sollte. Und doch arbeiten wir natürlich mit Künstlern aus der freien Szene zusammen, da unser eigenes Orchester es dienstplantechnisch nicht einrichten kann, die Oper zu spielen. Und ein festes Sängerensemble haben wir natürlich auch nicht.
Über die Arbeit an dieser Oper aber erst in den nächsten Wochen und Monaten – in einzelnen Folgen – mehr (bis zu den Aufführungen…). Sofern es euch interessiert…
Wenn euch nur das musikalisch-szenische Ergebnis interessiert, hier die Daten:
Konzerthaus Berlin · Werner-Otto-Saal
23./24./25. September 2012 · 20.00 Uhr
Wir gratulieren!
Oper von Mieczyslaw Weinberg (op. 111)
Nach dem Theaterstück „Mazltov“ von Scholem Alejchem
Deutsche Erstaufführung
Deutsche Adaption: Ulrike Patow
Uraufführung der Kammerfassung von Henry Koch
Katia Guedes (Sopran, Madame)
Anna Gütter (Sopran, Fradl)
Olivia Saragosa (Mezzosopran, Bejlja)
Jeff Martin (Tenor, Reb Alter)
Robert Elibay-Hartog (Bariton, Chaim)
Kammerakademie Potsdam
Vladimir Stoupel (Musikalische Leitung)
Titus Selge (Regie)
Stefan Bleidorn (Bühnenbild und Kostüme)
Sigrid Herfurth (Mitarbeit Kostüme)
Arno Lücker (Produktionsleitung und Dramaturgie)
Peer Niemann (Technische Einrichtung und Organisation)
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.
Eine Antwort
[…] ich muss die Zeit etwas zurückdrehen. In Folge 1 dieser Serie hatte ich berichtet, wie ich auf die Oper gestossen […]