Anwesend und Abwesend – Mensch, lass mal das Komponistenohr daheim!
Neue Opern braucht das Land! Ein schöner Spruch. Nur verhallt der abgesehen von wenigen Ereignissen pro Saison. Aber dies ist ebenfalls eine alte Komponistenleier. Komponisten sollten überhaupt weniger jammern und weinen! Lieber die Musik der lebenden Zeitgenossen naiv anhören, als sei man ein normaler, gut informierter Hörer. So erging es mir heute selbst mit der Uraufführung von Sarah Nemtsovs „L’ABSENCE“ zur Eröffnung der 13. Münchener Biennale. Präsent bin ich gewesen, doch war mein Kopf wohl zu absent.
Man las und vernahm manchmal aus dem Gesang die wundervollen Worte von Edmond Jabes. Man sah ein praktisch zu bespielendes neonleuchten-quadratisches, sich nach hinten perspektivisch verjüngendes Bühnenbild, das auch als Projektionsfläche wie Karussell genutzt werden konnte. Man sah eine Regie, die den Grundzügen des komponierten Plots folgte. Man, was sage ich man, ich muss ich sagen, – ich hörte eine Musik, die konstruktiv sehr dicht, instrumental handwerklich hochstehend gearbeitet klang, in mich eindrang, wenn die Damen mal in den 1:50 Stunden ausbrechen durften, die Männer in kantorenhaften Fragmenten folgten oder parallel Counter-Erzähler und den männlichen Protagonisten geführt wurden. Manchmal merkte man eindringlich das Nicht-Wiederfinden von Yukel und Sara, manchmal berührte es mich seltsam wenig, wenn die Musik „Suchen“ in sich ausdrückte, aber nicht den Weg so richtig fand.
Besonders eindrücklich die Instrumentalparts: Diese, höllenschwer, wurden meisterlich vom Bundesjugendorchester gespielt, Erinnerungen an zarte Kammermusik. Ob und wie die Spieler nun Spass und Lust daran hatten, war nicht immer aus zu machen. Dennoch lacht dieses Engagement allen Ängsten um das Fortleben von Opern und Orchestern Hohn! Man muss die Jungen einfach mal machen lassen, ihnen eigentlich spieltechnisch zu Schweres auf die Pulte oder bald Noten-iPads legen. Und man muss jungen Komponistinnen und Komponisten simpel genug Chancen geben.
Für mich verbanden sich die Ebenen dieses Theaters nicht wirklich, mäanderte es manchmal nebeneinander her. Dennoch sind Momente von Kraft und Saft zu vernehmen gewesen. Wenn dies in fünf, zehn Jahren, also über kurz oder lang, auch mal neben all dem skrupulösen Schreiben ein mehr wenig Oberhand bei Sarah Nemtsov gewinnen darf, wird das Lyrische als Musiktheater durchaus seine junge Chance weiter pflegen können. Das kann und muss ich als einfacher Hörer sagen. Als Komponist… Das ist immer etwas Anderes. Man ist immer viel zu befangen. Kurzum, weiter so und keine Angst vor den Sogkräften des Theaters, die so schön hinauf- wie herabziehen, je nachdem welches personale Ohr lauscht. Mehr Anstrengung und Selbstkritik am Schreibtisch, mehr Gelassenheit in Oper und Konzert – das gelte für uns Alle.
Komponist*in